Am 21. Februar 2022 erklärte die russische Regierung unter Putin die offizielle Unabhängigkeit der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Am 24. Februar marschierten schließlich russische Truppen im Donbass ein und lösten hiermit einen weiteren großen Stein in der Kettenreaktion des zwischenimperialistischen Konflikts. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine markiert eine Eskalation in dem seit 2014 herrschenden russisch-ukrainischen Krieg, der mit dem Maidanputsch 2014, der Installation einer pro-westlichen Regierung in Kiew und den seither schwelenden militärischen Auseinandersetzungen zwischen pro-russischen Gruppen und dem ukrainischen Militär begann. Das ursprüngliche Ziel des Kremls, nämlich die zügige Eroberung Kiews und der Sturz der ukrainischen Regierung, wurde nur einen Monat nach Kriegsbeginn verworfen. Seither befinden sich die beiden Staaten in einem vergleichsweise niedrigschwelligen Territorialkrieg, in dem Russland nach und nach immer wieder Gebiete erobert und dann wieder zurückgedrängt wird. Ein Ende ist nicht in Aussicht. Nach zwölf Monaten Krieg zählen wir inzwischen mehrere hunderttausend Todesopfer bei unzähligen weiteren Verletzten.
Die Kriegslust der BRD
Eine Deeskalation oder sogar ein Waffenstillstand sind nicht abzusehen – im Gegenteil: In den letzten Monaten breitet sich in Europa, wirtschaftlich und militärisch angeführt von der BRD, eine regelrechte Kriegslust aus.
Während die deutsche Bundesregierung zu Beginn des Krieges eine Beteiligung in Form von Waffenlieferungen strikt ablehnte und sich auf wirtschaftliche Sanktionen beschränkte, so wurden die Prognosen der politischen Vertretung des deutschen Kapitals bezüglich der Zukunft Europas in einer Bundestagsrede am 27. Februar 2022 ungewöhnlich klar ausgesprochen. In seiner Rede kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz eine Zeitenwende an, weinte einige zynische Krokodilstränen für die ukrainische Bevölkerung, um schlussendlich das historische Kriegstreiberpaket von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr anzukündigen. Man muss kein:e Kommunist:in sein, um zu hören, was Scholz wirklich sagt: Deutschland soll seine Führungsrolle in Europa wieder wahrnehmen, Deutschland wird Krieg führen. In unzähligen Politikerreden wurde seitdem unterstrichen, was unser Bundeskanzler uns bereits so schön zusammengefasst hat: Die Zeiten des Friedens sind vorbei, die Bevölkerung Europas muss sich auf einen Windwechsel einstellen. Erst vor einigen Wochen sprach Außenministerin Baerbock von der grünen „Friedenspartei“ die Worte aus: „Deutschland führt bereits Krieg, der Krieg in der Ukraine ist sehr wohl der Unsere, „wir“ kämpfen gegen Russland.“ Mit diesem „wir“, damit sind tatsächlich wir gemeint, die Arbeiter:innenklasse und die Jugend. Keineswegs sind damit jedoch Baerbock, Scholz oder der Vorstand von Rheinmetall gemeint, sie sind es bloß, für deren Kapitalinteressen das Proletariat in Kriegszeiten in Massen an die Front geschickt wird. Ende Januar diesen Jahres beschloss die Bundesregierung einen weiteren Schritt in Richtung der totalen Eskalation, nämlich die Lieferung mehrerer Dutzend Panzer des Typs Leopard II und Marder an die Ukraine. Länder wie Spanien, Polen und Finnland, die ihre Leopardbestände selbst aus Deutschland beziehen, dürfen jetzt ebenfalls nach Kiew liefern. Nachdem die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in einer Neujahrsrede von den tollen Erfahrungen erzählte, die sie
seit Kriegsbeginn in ihrem Amt machte, und sich damit selbst für bürgerlichen Maßstab derart im Ton vergriff, trat sie zurück und wurde ersetzt durch einen Kandidaten, der deutlich besser in die Linie der neuen deutschen Außenpolitik passt. Kriegsminister Boris Pistorius ist berüchtigter Hardliner, sowohl in der innenpolitischen Aufrüstung als auch der Kriegstreiberei nach außen. Als Innenminister von Niedersachsen versuchte der SPD-Politiker Anfang 2021 mehrere antifaschistische Organisationen zu verbieten, machte sich für zahlreiche Abschiebungen verantwortlich und setzte sich für eine Klarnamenpflicht im Internet, Vorratsdatenspeicherung sowie für die sogenannte „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten“ ein. Auch das 100 Milliarden Paket für die Bundeswehr scheint Pistorius nicht zu reichen, so hat er mehrfach davon gesprochen, dieses Budget erneut signifikant aufzustocken.
Gegen Krieg und Krise!
Der Kapitalismus befindet sich in einer existenziellen Krise. Diese Krise ohne weiteres zu überwinden, steht nicht in seiner Macht. Schon vor Beginn der Corona-Krise hatten Arbeiter:innen mit Preissteigerungen in fast allen Bereichen zu kämpfen, diese sind mit der Pandemie und nun dem Krieg nur weiter explodiert. Wir können nun von einer Krise der Lebenserhaltungskosten sprechen, die direkt auf die Rücken der werktätigen Massen abgewälzt wird. Das Kapital braucht dringend neue Absatzmärkte, wo keine sind, müssen welche geschaffen oder neue erobert werden. Wie jede zyklische Krise dieses Wirtschaftssystems hat auch diese ihren Ursprung in einer immer wiederkehrenden Überproduktionskrise. Waffen und Rüstung stellen hier keine Ausnahme dar, auch sie sind im Endeffekt kapitalistische Produkte, welche als solche verbraucht, konsumiert werden müssen. Die Ukraine dient hier in erster Linie als Stellvertreter und Austragungsort der westlichen sowie russischen Kapitalinteressen. Ein langfristiger, niedrigschwelliger Krieg ist somit zumindest für die Westmächte gar keine schlechte Strategie. Während in der Ukraine ein permanenter Absatzmarkt für deutsche bzw. westliche Rüstung entsteht, so wird zugleich der imperialistische Konkurrent Russland signifikant geschwächt und zurück auf seine Position in der globalen Fresskette der größten kapitalistischen Weltmächte gedrängt. Auf diplomatischer Ebene profitieren insbesondere die USA. Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas war dem größten Imperialisten schon länger ein Dorn im Auge, jetzt kauft der kleine Untertan Europa sein dreckiges und umweltzerstörendes Fracking-Gas endlich brav aus Washington. Gleichzeitig kristallisiert sich aber mit der Aufrüstung Europas auch ein Prozess des Unabhängigmachens der EU-Staaten von der Biden-Regierung heraus. Ebenso ist dieser Prozess innerhalb Europas zu sehen, wo sich primär Deutschland und Frankreich um die führende Rolle streiten. Jeder imperialistische Staat steht eben schlussendlich in Konkurrenz zu allen anderen und geht höchstens strategische Bündnisse ein im Kampf um die Vormachtposition.
Auf ideologischer Ebene fahren die beiden Konkurrenten NATO und Russland sehr unterschiedliche Strategien. Während Putin davon spricht, die Ukraine von Faschismus befreien zu müssen und sein Volk mit nationalistischen Großreichfantasien anheizt, um sie an die Front zu schicken, so ist in Deutschland nach wie vor die Rede von der Verteidigung der Demokratie gegen den völlig verrückt gewordenen, unberechenbaren Russen. Putin wird mit Hitler verglichen während sowohl in der Ukraine als auch in Europa und den USA eine massive antikommunistische Hetzkampagne geführt wird, die bis hin zu offenem Geschichtsrevisionismus wie der Einordnung des Holodomors als Genozid und der Entfernung zahlreicher sowjetischer Befreiungskämpfern geht. Insbesondere nutzen Faschisten die Kriegsstimmung, um ihre eigene nationalistische und menschenverachtende Propaganda zu verbreiten. In den USA hingegen wird von Seiten der Kriegsbefürworter recht klar gesagt, worum es sich handelt, nämlich um ein ökonomisches Investment in Form eines Stellvertreterkrieges. Insbesondere auch die Phase nach Kriegsende ist für die siegreiche kapitalistische Macht ein entscheidendes Investitionsfeld. Bereits jetzt haben verschiedene Westmächte der Ukraine Wiederaufbauhilfen zugesichert, die natürlich in Form von zurückzuzahlenden Krediten kommen, so wie auch die Waffen. Faktisch bedeutet das einen noch tieferen Sturz der Ukraine in die komplette Abhängigkeit des Westens bis hin zu einem Proxystaat. Doch so schnell wird es vermutlich keinen Waffenstillstand geben. Die Existenzkrise des imperialistischen Systems äußert sich nämlich nicht nur in der Ukraine. Sowohl in Taiwan, Nordkorea als auch vor der Küste Alaskas können wir direkte Provokationen zwischen den größten imperialistischen Spielern beobachten. Das Säbelrasseln wirkt häufig wie eine Drohgebärde, tatsächlich ist es aber ein zielgerichtetes Austesten der Schwachstellen des Feindes.
Während die NATO sich in jedem dieser Konflikte als die Instanz der absoluten moralischen Überlegenheit darstellt, dürfen wir niemals vergessen, dass ebendieses Kriegsbündnis tagtäglich Phosphorgas und Drohnen auf Kurdistan fliegt und der faschistischen Türkei den Rücken freihält bei Angriffen auf vom Erdbeben zerstörte Dörfer. Die NATO ist ein Angriffsbündnis, das sehen wir an den zahlreichen blutigen Kriegen, die von NATO-Staaten oder durch Militärintervention in den letzten Jahren geführt wurden.
Als Jugendliche, als Kommunist:innen müssen wir den Ukrainekrieg und die verschiedenen anderen zwischenimperialistischen Konflikte als eine Vorbereitung auf den dritten Weltkrieg verstehen. Dieser wird anders aussehen als die zwei vorherigen, wahrscheinlich öfter die Form von ebensolchen Stellvertreterkriegen annehmen. Aber dass die historische Aufrüstung und Kriegsstimmung in fast allen imperialistischen Staaten eine direkte Vorbereitung auf eine Zeit der Kriege bedeutet, das steht außer Frage. Es gilt für uns, die Politik der bürgerlichen Parteien zu entlarven. Sie mögen sich in ihrem Auftreten unterscheiden, letztlich fahren sie jedoch nur etwas unterschiedliche Strategien in der Vertretung der Interessen der herrschenden Klasse. Wir müssen erkennen, dass Waffen keinen Frieden schaffen und dass beide Konfliktparteien gegen die Interessen ihrer Bevölkerung handeln. Für eine tatsächliche Friedensbewegung und einen Waffenstillstand müssen wir uns Seite an Seite mit unseren Klassengeschwistern in der Ukraine und in Russland erheben und streiken. Kein Mensch und keinen Cent der Bundeswehr! In kapitalistische Diplomatieforderungen wie sie vom Linksparteiflügel rund um Wagenknecht kommen, dürfen wir keine falschen Hoffnungen setzen – das Leid muss ein Ende haben, aber nur eine sozialrevolutionäre Bewegung aus der Ukraine, aus Russland und den Zulieferstaaten wie der BRD kann diesen Krieg ein für alle Mal beenden. Der Kriegspropaganda in einer globalisierten imperialistischen Welt können wir nur mit proletarischem Internationalismus entgegentreten. Hoch die internationale Solidarität!