Der Krieg in der Ukraine ist noch keine zwei Wochen alt und doch hat er vieles in Gang gesetzt, was uns und die Arbeiter:innen hier, in der Ukraine oder in Russland die nächsten Jahre und Jahrzehnte begleiten wird – wenn sich an diesem System nichts ändert.
Doch fangen wir von vorne an: Am 21. Februar, vor etwas mehr als einer Woche, erkannte Russland die selbsternannten Volksrepubliken Donetsk und Luhansk als autonom an. Einen Tag später marschierte die russische Armee dann von allen Seiten in die Ukraine ein. Die Antwort der NATO und der EU ließ dann nicht lange auf sich warten. Es folgte Sanktion nach Sanktion, Russland wurde, wo es nur geht, von allen Plattformen und Veranstaltungen ausgeschlossen und nahezu der komplette Luftraum gen Westen für russische Maschinen gesperrt. Das Land wurde nahezu komplett isoliert. In Russland selbst lösten die Sanktionen fürs erste einen Crash der eigenen Währung aus. Der Rubel verlor innerhalb eines Tages massiv an Wert: Für einen Euro musste man am 27. Februar noch etwa 94 Rubel zahlen, einen Tag später waren es dann bereits 122 Rubel. Außerdem wurden viele russische Banken vom internationalen Geldaustauschsystem SWIFT ausgeschlossen, was dazu führt, dass Menschen nun vielerorts kein Geld mehr abheben können. Getroffen werden von diesen Sanktionen aber nicht etwa diejenigen, die für den Krieg Russlands verantwortlich sind, sondern vor allem die einfachen Menschen und Arbeiter:innen in Russland. Den Krieg beendet man mit den Sanktionen schon gar nicht. Und so regt sich auch in Russland seit einigen Tagen immer mehr Widerstand: Obwohl es kaum eine Möglichkeit gibt miteinander zu kommunizieren gehen im ganzen Land Menschen auf die Straßen, um nein zum Krieg der Imperialisten zu sagen.
Und auch in Deutschland gehen seit der vergangenen Woche massenhaft Menschen auf die Straßen: Über 100.000 in Berlin, über 200.000 in Köln und über 40.000 in München, dazu in nahezu jeder halbwegs großen Stadt mehr oder weniger große Proteste gegen den Krieg. Die Proteste sind in ihrer Größenordnung zwar so groß wie zuletzt die Black Lives Matter Proteste im Sommer 2020, in ihrer Ausrichtung unterscheiden sie sich jedoch stark. Auch wenn es durchaus Proteste gibt, die sich klar gegen imperialistische Kriege und Militarisierung aussprechen gibt, werden die derzeitigen Proteste zu einem großen Teil von bürgerlichen Parteien und Verbänden, Kirchen und liberalen Gruppen getragen. Hinter dem Slogan „#StandwithUkraine“ oder „Gegen den Krieg in der Ukraine“ vereinen sich die Menschen um sich dann der bürgerlichen Stimmungsmache gegen Putin als den „wahnsinnigen Diktator“ und den Forderungen nach einem harten Eingreifen von NATO und EU in dem Konflikt anschließen. In den Protesten mischt sich allerlei reaktionäre Propaganda: Von Antikommunismus über Sozialchauvinismus bis zum Rassismus ist alles dabei. In diesem Klima, in dem jeder Schritt, der sich gegen Russland richtet, kritiklos und unhinterfragt angenommen wird, hat Kanzler Olaf Scholz von der SPD kurzerhand eingebracht im Grundgesetz ein „Sondervermögen“ (also eine jährlich garantierte Summe) von 100 Milliarden (100.000.000.000) Euro für die Bundeswehr beschlossen. Und nicht nur das, trotz vorheriger Absage zu Waffenlieferungen schickte die Bundesregierung diese Woche 500 Boden-Luft Raketen und 1000 Panzerabwehrwaffen in die Ukraine. Die deutsche Rüstungsindustrie reibt sich nach dieser Ankündigung die Hände, Rheinmetall hat bereits zugesichert Waffen im Wert von über 40 Milliarden Euro zu produzieren und die Produktion im Schichtbetrieb auf das bis zu fünffache hochfahren zu wollen. Und auch an den Börsen sind die Kurse von allen Rüstungskonzernen und deren Zulieferern in die Höhe geschnellt. Doch auch hier steht eins fest: Durch die Aufrüstung wird der Krieg nicht beendet, mehr Waffen schaffen nicht mehr Frieden – im Gegenteil.
Der Schritt zu dieser massiven Weiteraufrüstung und Militarisierung des Staates ist dabei aber keine Sache, die uns nun in der aktuellen Krisensituation kurzzeitig beschäftigen wird und dann nicht mehr. Die versprochenen 100 Milliarden Euro (was übrigens mehr ist als das Budget des Gesundheits-, des Bildungs-, des Innen-, des Familien-, des Wirtschafts-, des Umwelt-, des Entwicklungs- und des Landwirtschaftsministeriums zusammen) werden, sollte die Summe beschlossen werden, von nun an jedes Jahr in Militär und Rüstung investiert werden. Das Ganze in einer Zeit in der Millionen von Menschen an den Folgen der Coronakrise leiden, in der an zahlreichen Orten der Welt zwei Jahre nach Beginn der Pandemie immer noch kaum Impfstoffe zur Verfügung stehen und in der wir mit der Klimakrise vor existenziellen Problemen unseres Lebens konfrontiert sind. Das Geld, was nun für Rüstung ausgegeben wird, wird in den kommenden Jahren vor allem bei Sozialausgaben eingespart werden. Als Deutschland sich 1999 im Kosovo das letzte Mal an einem Krieg beteiligte folgte einige Jahre darauf mit den Hartz-Gesetzes ein groß angelegtes Projekt zum Sozialabbau. Deutschland ist außerdem abhängig von russischem Gas. Schon jetzt stiegen, nachdem der gesamte Energiehandel mit Russland auf Eis gelegt wurde die Preise für Öl extrem an, beim Tanken erreichten die Preise ein neues Hoch von fast 2 Euro pro Liter Benzin. In der Coronapandemie sind die Energie- und Strompreise schon extrem angestiegen, das wird sich jetzt noch weiter verstärken und wir sind diejenigen die darunter leiden werden. Und auch beim ohnehin schon schleppend voranlaufenden Klimaschutz versprach Annalena Baerbock auf die Frage, ob Deutschland durch das Ausbleiben der Gaslieferungen aus Russland nun später aus der Kohleverstromung aussteigt: „Ja, das ist der Preis, den auch wir zahlen für diesen Krieg von Herrn Putin.“ So wie es derzeit aussieht werden die Arbeiter:innen auch für diesen Krieg zahlen müssen, doch so muss es nicht sein.
Wir sehen, wie in der Ukraine Menschen für die Interessen der Imperialisten flüchten und sterben müssen, wie andere das Land nicht verlassen dürfen, da sie ins Militär müssen, wir sehen wie Menschen wegen der Sanktionen und gegen den Krieg in Russland auf die Straßen gehen und wir sehen andere, wie hier, die noch Jahre und Jahrzehnte die Lasten des Krieges schultern werden müssen. Uns alle eint dabei eins: Es sind nicht unsere Kriege, die geführt werden, es sind die Kriege der Herrschenden. Und uns eint, dass wir alle, entweder direkt oder indirekt unter dem Krieg und seinen Folgen leiden. Doch was ist der Ausweg? Der Ausweg ist nicht, wie es die derzeitige bürgerliche „Friedensbewegung“ macht und sich auf die eine oder die andere Seite zu schlagen. Der Ausweg ist auch nicht, immer weiter Waffen zu liefern und die Militarisierung voranzutreiben. Der Ausweg kann nur sein, dass wir solidarisch mit den Arbeiter:innen, die unter dem Krieg leiden sind, sei es in der Ukraine oder in Russland.
Der deutsche Imperialismus ist mit seiner Rolle in der EU und der NATO maßgeblich verantwortlich für die Kriege dieser Welt, die Aufrüstung und die immer weiter voranschreitende Militarisierung tragen nicht zur Befriedung von Konflikten bei, sondern befeuern diese. Bekämpfen wir ihn, kämpfen wir für eine freie Gesellschaft ohne Kriege!