Hamburg, 13. Januar 2021. Etwa dreißig Antifaschist:innen versammeln sich früh am Morgen vor dem Gerichtsgebäude. Sie machen darauf aufmerksam, dass einer Genossin hinter den Türen gleich der Prozess gemacht werden soll. Sie machen darauf aufmerksam, dass Antifaschismus dringend notwendig und legitim ist, dass er sich nicht verbieten lässt.
Was ist passiert?
Wie jedes Jahr im November fand auch im Jahr 2020 das sogenannte „zentrale Heldengedenken“ in Remagen, NRW statt. Jedes Jahr aufs Neue marschieren Neonazis durch die Kleinstadt und trauern um Kriegsverbrecher und Faschisten. Doch sie sind nicht ungestört auf den Straßen. Dieser Neonazi-Aufmarsch bekommt jedes Jahr wieder zu spüren, dass er nicht erwünscht ist. Antifaschist:innen aus ganz Deutschland leisten in Remagen organisierten Widerstand gegen diese Faschisten. Sie stellen sich nicht nur gegen die faschistische, menschverachtende Ideologie, sondern auch direkt gegen alle, die diese Ideologie auf den Straßen verbreiten wollen. Sie leisten praktisch legitimen Widerstand, nicht nur gegen die Faschisten, auch gegen ihren Beschützer: den deutschen Staat. Immer wieder hören wir leere Phrase, dass alle „Extremisten schlimm sind, egal ob links oder rechts“, aber es ist immer das gleiche Spiel: Rechtsextreme und organisierte Faschisten werden in Deutschland geschützt, sei es in der Polizei, der Bundeswehr in Behörden oder auf der Straße wie in Remagen. Auf der anderen Seite sehen wir die angeblichen „Linksextremen“, die menschenverachtendes, rassistisches, frauen- und LGBTI+-feindliches Gedankengut bekämpfen wollen und dafür verhaftet, verurteilt und eingesperrt werden. Die Repressionen werden uns aber nicht abhalten können. Wir sind Antifaschist:innen, die den Faschismus ein für alle Mal beseitigen wollen, weil wir gesehen haben und noch heute sehen, was diese Ideologie anrichtet. Und eben weil wir Antifaschist:innen sind, sind wir solidarisch mit all denen, die heute im Knast oder vor Gericht sitzen.
Frauen kämpfen international gegen Faschismus, Krieg und Kapital!
Gerade Frauen, inter, nicht-binäre und trans* Personen sollten sich klar gegen Faschisten und ihre Ideologie stellen, wenn es sein muss, sich dafür auch die Straßen nehmen. Denn ihre Ideologie ist durchtränkt mit Hass gegenüber Frauen und LGBTI+ Personen. Sie wollen sie aus dem gesellschaftlichen Leben verdrängen, sprechen ihnen ihre Existenz ab oder rufen zur Gewalt gegen Frauen und LGBTI+ Personen auf. Wenn sie glauben, sie können diese frauen- und LGBTI+-feindlichen Ideen ohne weiteres auf den Straßen verbreiten, liegen sie falsch. Sie werden immer wieder den Widerstand zu spüren bekommen. Deswegen ist es so wichtig, dass Frauen, wie unsere Genossin, auf die Straßen gehen und zeigen, dass sie sich gegen jeden Faschismus stellen. Wenn es in Deutschland völlig normal ist, dass sich Neonazis versammeln dürfen und ihre ekelhaften Ideen auf den Straßen propagieren können, dann müssen sie mit Widerstand rechnen. Widerstand von Frauen, LGBTI+-Personen, Migrant:innen und vielen mehr.
Widerstand ist legitim!
Eine der Antifaschist:innen, die 2020 in Remagen deutlich gemacht hat, dass sie es nicht akzeptieren wird, dass Faschisten sich ohne weiteres die Straßen nehmen dürfen, ist unsere Genossin. Sie sah sich in der Verantwortung, gegen den Neonazi-Aufmarsch aktiv zu werden. Über ein Jahr später steht sie in Hamburg vor Gericht. Ihr wird „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ vorgeworfen. Gewalt fange auch schon dann an, wenn eine Gruppe versucht, eine Polizeikette zu durchbrechen und somit gegen die Anweisungen der Polizei handelt, heißt es im Gerichtssaal. Der Staat will uns weiß machen, dass wir das Falsche tun. Aber wir wissen, dass organisierter antifaschistischer Widerstand dringend notwendig und alles andere als falsch ist! Wir müssen aufhören, uns die Frage der Legalität zu stellen und anfangen, die der Legitimität zu stellen! Es ist uns doch allen bekannt, dass der bürgerliche Staat und auch die Justiz, Faschisten nicht nur ignoriert, sondern auch aktiv schützt. Da ist es doch klar, dass der Staat dies auch tut, indem er versucht, den antifaschistischen Widerstand zu brechen. All die Repressionen, die wir abbekommen, sollen dazu führen, dass wir Angst bekommen. Doch wir lassen uns von diesem Staat nicht einschüchtern! Er wird es nicht schaffen uns zu vereinzeln, uns davon abzuhalten auf Demonstrationen zu gehen oder unseren Willen brechen!
So ließ sich die Genossin am 13. Februar auch nicht einschüchtern. Auch in dieser schwierigen Situation hat sie ihre Haltung bewahrt und sich nicht davon überzeugen lassen, sie hätte etwas Falsches getan. Der Richter betonte mehrmals, dass er es richtige fände gegen Neonazis zu protestieren, aber man solle sich an die Anweisungen der Polizei halten. Aber wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir zu protestieren haben. Erst recht nicht von der Polizei, von der bekannt ist, dass sie Neonazis immer wieder schützt, vor allem die in ihren eigenen Reihen. „Wer gegen die Nazis kämpft, der kann sich auf den Staat überhaupt nicht verlassen“ sagte Esther Bejarano einmal, die den Terror der Nazis im Dritten Reich erlebt und überlebt hat. Sie widmete ihr ganzes Leben dem antifaschistischen Kampf. Diese Worten müssen sich bis heute alle Antifaschist:innen zu Herzen nehmen. So hat es auch die Genossin, die 2020 in Remagen war, getan. Und auch im Gerichtssaal ist ihr bewusst, dass auf den Staat kein Verlass sein kann, wenn er Antifaschismus bestrafen will. Das Verfahren wurde gegen eine Ermahnung eingestellt. Doch allein schon der Versuch des Staats Antifaschismus zu kriminalisieren, sollte uns zeigen, dass Widerstand dringend notwendig ist, gegen Faschisten und auch den Staat.
Dieser Prozess ist vorbei, aber der Kampf geht weiter!
Den Erfolg, dass einer der Remagen-Prozesse eingestellt wurde, konnten wir feiern, aber es war nicht der letzte. Nicht nur gegen die Antifaschist:innen, die in Remagen auf den Straßen waren, wird es weitere Prozesse geben. Es wird immer wieder Repressionen gegen uns geben. Es ist der repressive Staat, der Antifaschismus kriminalisiert und Prozesse gegen uns führt. Kleine Erfolge wie der am 13. Januar geben uns neuen Mut und Motivation weiterzukämpfen. Allein im Zusammenhang mit der Kriminalisierung der Antifaschist:innen aus Remagen wird es dieses Jahr noch mindestens fünf weitere Prozesse geben. Haltet euch die Daten 09.06.22, 23.06.22, 07.07.22, 21.07.22 und 04.08.22 frei, dort stehen 17 Genoss:innen in Sinzig (Rheinland-Pfalz) vor Gericht. Die Genossin aus Hamburg hat uns gezeigt, dass es vor allem im Gerichtssaal wichtig ist, seine politische Haltung nicht zu verlieren und sich nicht einschüchtern zu lassen. Deswegen rufen wir alle Antifaschist:innen dazu auf, die Genoss:innen in Rheinland-Pfalz zu unterstützen und nicht allein zu lassen. Gegenseitige Solidarität ist die stärkste Waffe in unserem Kampf!
Die Repressionswelle ist noch nicht zu Ende. Zeigt weiterhin Solidarität und unterstützt die Betroffenen mit einer Spende!
Spendenkonto:
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Zahlungsempfänger: Rote Hilfe e.V.
Verwendungszweck: Remagen