Anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Frankreich hat ein Bündnis zu einer Demo am 03.04.2022 gegen Faschisten in der Politik aufgerufen. Dem Aufruf haben sich ungefähr 40 Organisationen angeschlossen, darunter auch Young Struggle Paris.
Warum auf die Straße?
Die Präsidentschaftswahlen sind am 10. April gewesen, nun kommt es nächste Woche zur Stichwahl. Die Ergebnisse sind erschreckend, obwohl sie eigentlich erwartbar waren. Zur Wahl haben sich unter anderem Emmanuel Macron (La Republique en Marche) mit 27,8%, Marine Le Pen (Rassemblement National (kurz: RN), ehemals Front National) mit 23,1% und Jean Luc Melénchon (La France insoumise) mit 22% gestellt.
Macron, der auf seine 2. Amtszeit hofft, verfolgt eine neoliberale Politik. Bekannt von ihm sind Verschärfungen des Asylrechts und der Migrationspolitik, Einsparungen im Gesundheitswesen und ein Abbau der Regulierungen für Unternehmen.
Le Pen ist die Kandidatin der rechtsextremen Partei, die durchgängig seit 2012 als Präsidentschaftskandidatin antritt. Sie hat erreicht, dass RN als rechte Partei ein massentauglicheres Bild abgibt, obwohl sie unteranderem für die Einführung der Todesstrafe, für strikte Abschiebungsgesetze und gegen die von ihr befürchtete „Islamisierung“ Frankreichs ist.
Melénchon ist der „linke“ Kandidat, vergleichen könnte man ihn mit Bernie Sanders in den USA. 2013 war er gegen die liberal orientierte Spar- und Reformpolitik, als deren europäischer Vorreiter die damalige Bundesregierung galt. Mit seinen 22%, wovon ein großer Teil vor allem junge Wähler:innen und Menschen aus den französischen Überseegebieten waren, liegt er knapp hinter Le Pen und kommt somit nicht in die Stichwahlen.
„Tout le monde déteste les racistes“
Der Wahlkampf in Frankreich war maßgeblich von den Positionen der Rechten geprägt: Sowohl Marine Le Pen als auch der noch weiter rechtsstehende Eric Zemmour bestimmten die Themen des Wahlkampfs und sorgten dafür, dass es vor allem darum ging, wer sich klarer gegen Geflüchtete positionierte. Dagegen richtete sich die Demo hauptsächlich am Anfang des Monats, währenddessen wurde aber auch der noch amtierende Präsident Macron kritisiert.
An diesem Tag haben sich über 2000 Antifaschist:innen zusammengefunden und sind dem Aufruf des Bündnisses gefolgt, um gegen die extreme Rechte und ihre Ideologien zu demonstrieren. Für Paris war die Demo eher klein, doch sie war ohne Zweifel sehr dynamisch und kraftvoll. Sowohl die Moderation als auch die Demonstrant:innen haben sich gegenseitig viel Energie über die Dauer der Demo gegeben. Es war nie leise und vor allem nie ohne Bewegung. Was wir in Deutschland nicht kennen, aber in Paris unglaublich gut funktioniert sind Taktiken aus dem Stadion. Wenn die Demo zu lange steht oder wenig Aufmerksamkeit auf sich erregt, wird auf der Stelle gehüpft, geklatscht oder auch eben mal ein kleiner Mosh Pit losgetreten. Das verrückte war für uns als deutsche Linke, dass das so gut funktioniert hat. Erinnern wir uns an die zweite Versammlungsgesetzdemo, bei der wir als antikapitalistischer Block die Energie der Fußball Ultras von der ersten Demo mitnehmen wollten und unsere Parolen in „Schalala“ Sprechchöre umgewandelt haben. Damals hat das nicht so gut geklappt, aber in Frankreich scheint es zu funktionieren.
Ein Faktor, der maßgeblich zu der Dynamik der Demo beigetragen hat, ist die Anzahl der Reden. Es gab eine, die vom Bündnis gehalten wurde, danach ist die Demo direkt losgezogen. Die Moderationsbeiträge, die zwischendurch kamen waren nicht zu lang, haben die Passant:innen informiert und auch die Demoteilnehmer:innen thematisch durch die Demo geführt, wie eine Moderation das nun mal macht, allerdings unter ständiger Trommeluntermalung, choreographischer Pyro und minutenlangem Rufen von „So-le-le, So-la-la, Solidarité avec le sont papieres“ bis zu „Biji Berxwedana Rojava“, das wir als Young Struggle mit auf die Demo gebracht haben.
Die Demo sieht im vergleich zu deutschen Demos schon sehr anders aus. Wenige Menschen sind tatsächlich organisiert, sondern laufen einfach nur mit. Sie verstehen sich als Antifaschist:innen, das protestieren gegen Rechts gehört dazu. Es gab ein generelles Interesse an den Organisationen des Bündnisses, wir haben mit vielen Leuten gesprochen, die uns interessiert angesprochen haben, weil sie unsere Fahnen gesehen haben. In Frankreich tragen nicht viele (Jugend-) Organisationen Fahnen, das kennen wir aus Deutschland auch anders und wenn man wegen einer Fahne angesprochen wird, heißt es höchstens man solle sie runternehmen oder zumindest hinten damit laufen. Mal eine willkommene Abwechslung.
Generell können wir einiges aus Paris wieder mitnehmen: eine Offenheit für nichtorganisierte Menschen, die Dynamik oder auch das Auftreten des Bündnisses am Tag selbst. Natürlich ist nicht alles auf die politische Situation in Deutschland anwendbar, gerade was Demoschutz angeht auch häufig nicht machbar. Aber die Art und Weise, wie diese Demo gestaltet wurde, hat sie unglaublich zugänglich für Außenstehende gemacht und das ist das wichtigste, was wir für Deutschland daraus lernen können.
Für die Stichwahl am 24. April steht Frankreich vor der Wahl zwischen Pest und Cholera, der neoliberale, rassistische Millionär Macron oder die faschistische Millionärin Le Pen. Für die Arbeiter:innen ist klar: Die Lage wird sich mit keinem der beiden Kandidat:innen verbessern, der einzige Weg aus dieser Misere ist, das eigene Schicksal selbst in die Hände zu nehmen und für die Rechte aller auf den Straßen zu kämpfen. Wie das gehen kann, zeigten in den vergangenen Tagen Studierende an verschiedenen französischen Universitäten, allen voran der Sorbonne-Universität in Paris. Hier besetzten hunderte Studierende die Uni, hielten Vollversammlungen ab und machten klar, dass die Wahl zwischen Macron und Le Pen keine Antwort auf die Fragen unserer Zeit liefern kann.
Umso wichtiger ist es, dass sich junge Leute, Arbeiter:innen, Frauen und LGBTI+ gemeinsam zusammenschließen um in den Unis, in den Betrieben und auf den Straßen gegen die reaktionäre Politik und gegen den Kapitalismus kämpfen.