In wenigen Tagen ist der 25. November, der internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen und weiblich gelesene Menschen. In allen Ländern der Welt gehen Frauen, trans, nichtbinäre und inter Menschen auf die Straße, um der patriarchalen Gewalt ein Ende zu setzen. Trotz der großen Bedeutung dieses Tages ist seine Geschichte nur wenigen bekannt.
Der 25. November wurde im Jahr 1981 bei einem Treffen von lateinamerikanischen Frauen zum Gedenktag für die Opfer der Gewalt gegen Frauen erklärt. Die Wahl dieses Datums geht zurück auf den 25. November 1960, als die drei Schwestern Patria, Minerva und Maria Teresa Mirabal in der Dominikanischen Republik ermordet wurden. Sie waren organisiert im Widerstand gegen die Diktatur von Salazar Trujillo. Selbst erst seit kurzem wieder in Freiheit, gingen sie an diesem Novembertag ihre immer noch inhaftierten Männer gemeinsam besuchen. Auf dem Rückweg wurden sie gemeinsam mit ihrem Fahrer von Schergen des Diktators erdrosselt. Sie gehören zu über 30000 Menschen, die während der Herrschaft Trujillos ermordet wurden. Das Attentat wurde als Autounfall vertuscht, aber der Familie war klar, dass die Schwestern ermordet worden sein mussten. Obwohl es ihnen verboten war, ließen sie die Leichen untersuchen: Schnell wurde klar, dass die Frauen gewürgt, geschlagen und danach erst mit dem Auto die Klippe hinuntergestoßen worden waren.
In ihrer Organisation, der „Bewegung 14. Juni“, waren die Schwestern Mirabal bekannt als „die Schmetterlinge (las mariposas)“. Mit diesem Namen sollten sie in die Geschichte eingehen, als führende Widerstandskämpferinnen in der dominikanischen antifaschistischen Bewegung und als Legende lateinamerikanischer Freiheitsbewegungen.
Zwei Seiten einer Medaille
An vielen Orten auf der Welt sehen wir einen faschistischen Aufschwung: sei es Bolsonaro in Brasilien, Modi in Indien, die AfD in Deutschland oder Erdogan in der Türkei. In den Zeiten der Krise des Kapitalismus nutzt die herrschende Klasse die unterdrückerischsten Methoden, um ihre Kapitalinteressen weiterhin durchsetzen zu können. Sie richten sich gegen alle Arbeiterinnen und Unterdrückten: Frauen und LGBTI+ sind eines der Hauptziele der faschistischen Ideologie. Frauen sollen zuhause sein, Kinder für die große Nation gebären, unbezahlt durchschuften und sich dem „Mann im Haus“ unterordnen wie dem Staat und dem Kapital. Queere Menschen, alle, die diese Ordnung durcheinanderbringen, werden komplett geleugnet. Das Patriarchat, die männliche Herrschaft in der Gesellschaft, ist eine der ältesten und am tiefsten verankerten Unterdrückungsformen, die es gibt. Patriarchat bedeutet Macht und Herrschaft durch Gewalt. Es bedeutet die tägliche gewalttätige Unterdrückung von Frauen und LGBTI+. Die Unterdrückung von Arbeiterinnen, die koloniale Unterdrückung von ganzen Völkern, all das fußt auf dem Patriarchat. Deshalb ist der Kampf gegen Patriarchat und männliche Gewalt auch nie „nur“ ein Kampf der Frauen und LGBTI+. Es ist kein Kampf, bei dem Kompromisse eingegangen werden können. Jede Bewegung, die für Befreiung kämpft, muss auch jeden Tag gegen patriarchale Gewalt und Unterdrückung kämpfen.
Ein Angriff auf eine ist ein Angriff auf uns alle
In Polen peitscht die PiS ein Abtreibungsverbot durch, mit dem die Faschisten Frauen und allen Menschen, die gebären können, das Recht, über ihre Körper zu bestimmen, entreißen. Durchgebracht werden konnte dieses Gesetz dadurch, dass die Faschisten in allen Institutionen ihre eigenen Leute eingesetzt haben und jegliche Opposition unterdrücken.
In der Türkei diskutieren jetzt die Faschisten des AKP/MHP-Regimes, die den Staat schon lange mit denselben Methoden wie in Polen aufgeräumt haben, die Abschaffung der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor patriarchaler Gewalt. Die Begründung ist, dass sie „familienfeindlich“ sei.
Hier in Deutschland werden die Faschisten immer offener, aggressiver und gewalttätiger. Innerhalb von einem Jahr: Kassel, Halle, Hanau, Celle. Innerhalb von einem Monat sind zweimal AfD-Anhänger, in Hennstedt-Ulzburg und in Hamburg, mit Autos in antifaschistische Blockaden hineingefahren. Bei beiden Attentaten gab es Verletzte, einmal sogar eine schwerverletzte Genossin. Ihre Organisierung in der Querdenken-Bewegung hat ihnen wieder einen neuen Aufwind, eine weitere Normalisierung beschafft.
Was wir dabei nicht vergessen dürfen, ist, dass Faschisten wie die Attentäter von Hanau und Halle sowohl mit einer zutiefst rassistischen als auch frauenhassenden Ideologie zur Tat geschritten sind. Jedes Beispiel von Faschisten an der Macht zeigt, wie die Rechte von Frauen und LGBTI+ abgeschafft werden, sie angegriffen und degradiert werden.
Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Sie hängt eng mit faschistischer Gewalt zusammen. Deshalb ist der 25. November von Anfang an, schon mit dem Gedenken an die antifaschistischen Widerstandskämpferinnen Mirabal, auch ein antifaschistischer Kampftag.
Das Feuer greift um sich
Frauen stehen überall auf der Welt in den ersten Reihen im Aufstand gegen die faschistischen Angriffe. Sei es der Tanz der Frauen in Chile, seien es die Massenproteste in Polen, seien es die Frauen in der Türkei, die die ersten waren, die trotz Corona und Repressionen gegen die Abschaffung der Istanbul-Konvention wieder auf die Straßen gestürmt sind. Seien es all die jungen Frauen, die in Fridays For Future aktiv sind oder die migrantischen jungen Frauen, die sich nach dem Attentat in Hanau gegen Rassismus organisiert haben. Seien es die Frauen in Rojava, die den Widerstand gegen die Besatzung anführen.
Frauen lassen sich nicht mehr schweigend zuhause einsperren. Ganz im Gegenteil, drängen sie in die vordersten Reihen der Kämpfe. Und nur so kann eine revolutionäre Bewegung wirklich erfolgreich sein: indem Frauen zu den Subjekten der Widerstände, zu freien und selbstbestimmten Kämpferinnen werden. Indem gemeinsam mit Faschismus und Kapitalismus auch das Patriarchat, bis in seine tiefsten Wurzeln, auseinandergerissen wird.
Gülistan Bozoklar