Klimakrise, Kriege an allen Ecken und Enden der Welt, dazu wo man hinschaut Ausbeutung und Zerstörung im globalen Süden: Die Gründe warum Menschen gezwungen werden ihre Heimat zu verlassen sind vielfältig; und sie werden immer mehr und treffen die Menschen immer härter. Die Coronakrise hat an vielen Orten der Welt außerdem die ohnehin schon schwere Situation nochmals verschärft. Im letzten Jahr waren wieder einmal so viele Menschen wie noch nie zuvor auf der Flucht: Über 82 Millionen Menschen. Die Flucht führt die Menschen dabei oft in andere Teile ihres Landes oder in Nachbarländer, ein kleiner Teil nimmt für die Aussicht auf ein besseres Leben den weiten und schwierigen Weg nach Europa auf sich.Die EU wird als Vorbild für Menschenrechte und Demokratie gefeiert, hat 2012 den Friedensnobelpreis erhalten und viele Menschen sagen, dass wir dank ihr in Europa seit über 75 Jahren ohne Krieg und in Frieden leben. Für viele Menschen verspricht die EU ein Ort für ein neues Leben in Sicherheit zu sein. Doch auch wenn sie von vielen als ein tolles Friedensprojekt verkauft wird, an den Außengrenzen zeigt sich ihr wahres Gesicht.
Das Sterben an den Außengrenzen ist in der Politik der Herrschenden über die Zeit zu einem störenden, aber nicht weiter zu beachtendem Nebensache geworden. Parallel zu dem politischen Tagesgeschehen sterben eben ein paar Menschen im Mittelmeer, von der Politik wird das so hingenommen.
Doch in diesem Sommer sah das anders aus: Durch machtpolitische Spielchen des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko wurde eine neue Fluchtroute vom Nahen und Mittleren Osten über Belarus nach Polen in die EU geschaffen. Die Fluchtrouten über den Balkan sind schon länger nicht mehr nutzbar, da die EU hier bereits vor Jahren angefangen hat Grenzzäune zu bauen und immer wieder illegale Pushbacks durchführt. Dabei werden Geflüchtete die von der Polizei oder der EU-Grenzpolizei Frontex aufgegriffen werden, trotz ihres rechtlichen Anspruchs auf Asyl, in ein Land außerhalb der EU zurückgebracht oder mit Gewalt am Grenzübertritt gehindert.
Für viele Geflüchtete schien der Weg über Belarus und Polen daher als sicherster Weg um Zuflucht in der EU zu finden, doch die Lage an der Grenze eskaliert seit einigen Monaten immer mehr. Angefangen hat alles damit, dass die EU dem Präsidenten Lukaschenko seine Macht aberkannt und Sanktionen gegen ihn und seine Regierung verhängt hat. Die belarussische Führung versucht seitdem, dadurch dass sie Geflüchtete zuerst in das eigene Land kommen lässt und sie dann gezielt an die polnische, aber auch an die litauische, estische und lettische Grenze bringt, Druck auf die Regierungen Europas auszuüben und ihrem „Ansehen“ durch die Bilder an der Grenze zu schaden. Die Geflüchteten werden dann an der polnischen Grenze abgewiesen oder durch polnische Grenzpolizisten verprügelt, verschleppt oder bei Temperaturen um die 5 Grad mit Wasserwerfern beschossen. Doch für die Geflüchteten gibt es in der Regel kein zurück: Die belarussische Polizei hält sie, ebenfalls mit Gewalt, davon ab ins Land zurückzukehren. Die Geflüchteten selbst sitzen fest auf einem Streifen mitten im Nirgendwo oder in einem Wald ohne irgeneinen Ort an den sie gehen können. Die Menschen haben nichts als das was sie am Körper tragen bei sich und müssen ohne Dach über dem Kopf bei winterlichen Temperaturen wochenlang an dem Grenzstreifen ausharren. Diese Politik hat bereits jetzt mindestens 13 Todesopfer gefordert, die an der Grenze erfroren oder verhungert sind. An der Grenze ist zudem kaum Berichterstattung möglich, Polen hat dort eine Sperrzone errichtet, die Politiker:innen, Journalist:innen und Menschenrechtsorganisationen den Zutritt verbietet.
Die EU-Politiker:innen antworten auf diese Situation. Nicht auf die Tode, aber auf die Menschen die es über die Grenzen schaffen. Nachdem die Situation an der Grenze bekannt wurde, wurden die Rufe nach „Grenzschutz“ immer lauter. Sehr schnell wurde sich von Seiten der EU an Polens Seite gestellt, dass die Polizisten an den Grenzen massenhaft Pushbacks durchführen und brutale Gewalt anwenden wurde gekonnt ignoriert. Die deutsche EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen bettelte bei Polen quasi darum, dass diese doch die EU-Grenzpolizei Frontex anrufen sollen, damit diese endlich mal „Härter vorgehen können“ als es die polnischen Grenzpolizisten ohnehin schon tun. Und statt darüber zu reden wie man den Menschen an der Grenze helfen kann, sprechen sich Politiker:innen von AfD bis SPD dafür aus an der Grenze zu Polen eine fast 6 Meter hohe Mauer zu bauen.
Doch neben der Grenze zwischen Polen und Belarus gibt es noch zahlreiche andere Krisenherde an den EU-Außengrenzen: Die beiden spanischen Städten in Nordafrika, Ceuta und Melilla, die umzäunt von NATO-Stacheldraht wie eine moderne Burg des 21. Jahrhunderts wirkt, die griechischen Inseln, auf denen, wie auf Lesbos nach dem Brand von Moria, immer noch zehntausende in Zelten in provisorischen Lagern leben, oder Libyen. Das Land befindet sich seit 2011, mal mehr, mal weniger im Kriegszustand. Im Land selbst kämpfen derzeit vor allem Libyen, Türkei und Russland. Die Türkei unterstützt die derzeitige Übergangsregierung, Russland steht an der Seite des General Chalifa Haftar, beide setzen massenhaft auf Söldner, also Menschen, die nicht offiziell der Armee angehören, aber gegen einen Lohn angestellt werden, um für ihr Interesse zu kämpfen. Vor allem die Türkei, die teilweise sogar Jugendliche als Söldner rekrutiert, versucht den Krieg in Libyen zu nutzen, um ihre Stellung und Macht in der Region zu verbessern.
Dieses Land, welches von den verschiedensten Akteuren für ihre jeweiligen Interessen bekriegt wird, dient der EU als einer der wichtigsten Partner für ihre Migrationspolitik. Die Leidtragenden dieser Politik sind die Geflüchteten. Mit dem Ziel, dass Geflüchtete bloß nicht den Weg übers Mittelmeer nach Europa schaffen, macht die EU mit seiner Grenztruppe Frontex und der libyschen Regierung gemeinsame Sache. Frontex hat dabei, solange die Geflüchteten noch auf dem Meer sind, die Aufgabe diese mit ihren Drohnen und Flugzeugen aufzuspüren, finden sie dann welche wird ihnen nicht etwa geholfen, sondern die libysche Küstenwache verständigt. Diese teils paramilitärisch organisierten Einheiten rücken dann mit ihren Schiffen aus und drängen die Menschen auf offener See entweder zurück in libysche Gewässer oder nehmen die Menschen direkt mit zurück aufs Festland. Sie machen die dreckige Arbeit, für die sich die EU zu fein ist. Frontex wird gleichzeitig als harmloser „Grenzschutz“ dargestellt. Doch wäre all das nicht schlimm genug, sind die Geflüchteten erst einmal zurück in Libyen droht ihnen dort in überfüllten Gefängnissen Folter, Vergewaltigung und Sklavenarbeit. Die Lager selbst werden meist von Milizen beaufsichtigt, die aus ihnen Profit schlagen. Menschen werden erst freigelassen, wenn sie hohe Summen Geld bezahlen, können Sie das nicht werden sie unter Gewalt dazu gezwungen zu arbeiten.
Die Taktik der EU, sich die flüchtenden Menschen über Deals mit sogenannten Drittstaaten, also Länder, die Flüchtende auf ihrem Weg nach Europa durchqueren, vom Hals zu halten ist dabei nichts neues. Nicht selten werden dabei Millionen in Diktaturen und an faschistische Regierungen gepumpt. Seit 2016 hat die EU einen Deal mit der Türkei, dass sie keine Menschen mehr über ihre Grenze nach Europa einreisen lassen. Dafür wurde dem Faschisten Erdoğan und seinem AKP-MHP Regime Gelder in Höhe von über 6 Milliarden Euro zugesagt. Nahezu mit jedem Land das an die EU angrenzt werden mittlerweile Abkommen geschlossen: Tunesien, Marokko, Mauretanien, Algerien, sie alle bekommen ein Teil des Kuchens ab um Flüchtenden ihr Recht auf ein sicheres Leben zu verwehren.
Die EU bezahlt dieses menschenverachtende System jährlich mit hunderten Millionen von Euros. Grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Asyl gelten für sie nicht mehr. Die Verantwortlichen für diese Politik sitzen in den Parlamenten und Palästen in Berlin, Brüssel und Ankara. Richten wir unsere Wut gegen diese Menschen, und kämpfen wir gemeinsam mit Geflüchteten für eine Welt ohne Mauern aus Beton oder mit Waffen an den Grenzen!