Ein roter Faden von Ankara bis nach Berlin
Ein Glück, dass über 2.500 Kilometer zwischen Berlin und Ankara liegen. Nachdem wir uns also informiert haben über die Lage unserer Freund:innen in der Türkei und Kurdistan und uns versichert haben, dass sie uns echt leid tun, hat sich das Thema also erledigt oder nicht?
20. Mai 2020
Der 41-jährige Kurde Ibrahim Demir wird von einem Anhänger der grauen Wölfe zu Tode getreten.
7. Juli 2021
Der regierungskritische Journalist Erk Acarer wird im Berliner Exil angegriffen und verletzt.
In den letzten Monaten wurden immer wieder Morddrohungen gegen linke kurdisch- und türkischstämmige Politiker:innen in Deutschland bekannt und es kamen Mordlisten an die Öffentlichkeit. Die Grauen Wölfe, dieser paramilitärische Arm der MHP, der für seine Massaker an Kurd:innen und Kommunist:innen bekannt ist, besitzt 303 Vereine und mehr als 18.500 Mitglieder in Deutschland und ist damit die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland. Ist Ankara also so weit weg oder zieht sich nicht doch ein roter Faden durch all diese Ereignisse?
Klar ist: Deutschland ist sowohl einer der wichtigsten politischen Partner der Türkei als auch durch die vielen türkischen Staatsbürger:innen in Deutschland ein bedeutendes Feld in der türkischen Politik. Der türkische Faschismus ist, wie sich gerade eben gezeigt hat, sehr gut organisiert in Deutschland. Neben den Vereinsstrukturen der Grauen Wölfe/MHP spielen dabei auch die AKP-geleiteten DITIB-Moscheen eine immense Rolle. Man erinnere sich nur an das Video, das aus einer dieser unzähligen Ditib-Moscheen in die Öffentlichkeit gelangte, wo kleine Kinder ein Theaterstück über den Krieg in Kurdistan aufführten und darstellten, wie sie Kurd:innen töteten. Ditib hat nichts mit unschuldiger Religionsausübung zu tun, sondern ist eine Institution des türkischen Faschismus, in der die Religion zu einem Feld der faschistischen Propaganda gemacht und Freitagsgebete für die türkischen Soldaten gemacht werden. Aus der Analyse der politischen Situation in der Türkei ergeben sich für alle Kommunist:innen in Deutschland zwei Aufgaben:1. Wer sich an die 90er Jahre erinnern kann, weiß nur zu gut, dass die türkische Politik sich auch hier in Deutschland abspielt. Die Beispiele oben sprechen die selbe Sprache. Wenn wir nach Hanau zu antifaschistischer Selbstverteidigung aufgerufen haben, dann muss klar sein, dass diese nicht nur auf deutsche Faschisten beschränkt ist. Auch die Erinnerung an den Genossen Erol Ispir, der 1999 in unserem Kölner Verein von türkischen Faschisten ermordet wurde, lehrt uns das.Die Todeslisten, die Drohungen und Angriffe müssen uns klar machen, dass wir auch besonders gegen türkische Faschisten hier in Deutschland Strukturen schaffen müssen, die sich wehren können. Das bedeutet auch, die Institutionen des türkischen Faschismus zu entlarven und mit unserer Aktion in die Offensive zu gehen: Nicht warten, bis sie wieder unsere Vereine angreifen, sondern klar machen, dass man nicht weiter ungestört faschistische Propaganda verbreiten und Kurd:innen, Alevit:innen und Demokrat:innen bedrohen kann.2. Es sind und bleiben deutsche Waffen und deutsches Geld, mit denen wie so viele andere auch dieser Krieg geführt wird. Es geht um das konkrete Retten von Leben unserer Genoss:innen und aller kämpfenden und unschuldig in den Krieg gezogenen Menschen in der Türkei, Kurdistan und jedem anderen Ort. Internationalismus ist kein kleinbürgerliches Mitleid, sondern ein grundlegender Bestandteil des revolutionären Klassenkampfes. Deshalb ist er keine Option, sondern eine Pflicht jedes:r Revolutionär:in.So wie sich die Lage der Genoss:innen in der Türkei und Kurdistan jeden Tag zuspitzt, müssen auch hier die Aktionen in Solidarität mit internationalen revolutionären Kämpfen und gegen den deutschen Imperialismus sich der veränderten Lage anpassen; radikaler, entschlossener und massenhafter werden.