Dieser Artikel ist eine gemeinsame Veröffentlichung mit Zora
Gestern am Sonntag, den 14.05., haben in der Türkei und Nordkurdistan die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattgefunden. Dabei wurde die Wahl von bürgerlichen Medien und Parteien, aber auch von manchen linken und fortschrittlichen Kräften zu einer historischen Wahl erklärt. Denn laut ihnen ist bei dieser Wahl eine Abwahl Erdogans möglich. Das ist bisher laut den meisten Hochrechnungen im ersten Wahlgang jedoch nicht geschehen. Erdogan und sein Herausforderer der CHP, Kilicdaroglu, haben es beide nicht geschafft mehr als 50 Prozent der Stimmen zu erhalten und so im ersten Wahlgang die Wahlen zu gewinnen. Nachdem ein Großteil der Stimmen ausgezählt wurde, liegt Erdogan mit 49% vor Kilicdaroglu, welcher 45% der Stimmen bekam. Die Wahlbeteiligung beträgt dabei an die 90%. Bei den Parlamentswahlen konnte sich bisher das Bündnis der AKP-MHP mit 49% durchsetzten, dahinter liegt das Sechser-Bündnis der Opposition unter Führung der CHP und danach das demokratische und fortschrittliche Bündnis für Arbeit und Freiheit unter Führung der YSP mit 10 Prozent.
In der Stichwahl werden vor allem die Stimmen des faschistischen und nationalistischen Präsidentschaftskandidaten Oğan, welcher in der ersten Wahlrunde 5% der Stimmen erhielt, entscheidend sein.
In der Nacht nach den Wahlen hat dabei das Erdogan-Regime seinen Staatsterror fortgesetzt, welche er vor allem vor den Wahlen genutzt hat, um die demokratischen und fortschrittlichen Kräfte der Opposition zu schwächen. Es kam in den Wochen der Wahlen immer wieder zu Razzien und Festnahmen gegen die YSP, HDP oder ESP. Das AKP-MHP Regime benutzt dabei alle seine Mittel, um an der Macht zu bleiben. Im Vorfeld der Wahlen wurde auch schon verkündet, dass eine Niederlage nicht akzeptiert werden wird und das eine solche ein „Putsch des Westens“ sein solle.
Am Wahltag selbst setzte sich die Einschüchterung und Manipulation weiter fort. An vielen Wahllokalen, besonders in Nordkurdistan, wurden große Aufgebote von Militär und der Polizei aufgefahren. Oftmals gingen diese dann auch für längere Zeit bewaffnet in die Wahllokale. Immer wieder kam es auch zu gewaltsamen Angriffen von AKP und MHP Anhängern auf Wahlbeobachter:innen der YSP oder CHP. Zudem gab es eine Vielzahl von Versuchen mehrfach abzustimmen oder für andere Personen mitabzustimmen. Auch wurden Videos veröffentlicht auf denen zu sehen ist, wie unversiegelte Wahlzettel massenhaft für Erdogan gestempelt werden. Nicht zu vergessen wurden Mitglieder der YSP ohne ihr Wissen als Wahlbeobacher:innen registriert, was es ihnen fast unmöglich macht zu wählen. Zudem wurden auch Söldner aus den besetzten Regionen Efrin und Azaz in die Türkei gebracht zur Abstimmung bei den Wahlen. Selbst nachdem die Wahllokale geschlossen wurden, gibt es weiterhin versuche der Manipulation. Die AKP legt an allen Orten, an denen die Opposition vorne liegt, Widerspruch gegen die Ergebnisse ein, wodurch immer wieder neu ausgezählt wird und sich das Endergebnis immer weiter verzögert. Auch gibt es Berichte, wie die Polizei oder andere Kräfte versuchen Stimmzettel zu beschlagnahmen.
In der Nacht nach den Wahlen kam es in mehreren kurdischen Städten zu Angriffen und Provokationen durch die Polizei, das Militär und AKP-Anhänger. In Cizîr und weiteren Städten wurde Tränengas in Wohnviertel geschossen. Auch waren in der Nacht Schüsse zu hören. Wir sehen also: der faschistische Staatsterror setzt sich auch nach den Wahlen weiter fort.
Mit den Wahlen sehen wir deutlich, dass das Erdogan-Regime alle Versuche unternommen hat durch Einschüchterung, Manipulation und Unterdrückungen die Wahlen für sich zu entscheiden. Diese Politik wird sich in der Zeit, bis zu der aktuell sehr wahrscheinlichen Stichwahl, noch weiter verstärken. Besonders auch deshalb, da es nach den aktuellen Ergebnissen so aussieht, als ob die AKP-MHP Regierung sich im Parlament die Mehrheit sichern könnte. Das bedeutet, dass egal wie die Präsidentschaftswahlen genau ausgehen werden, es nicht geschafft wurde das AKP-MHP Regime durch die Wahlen zu besiegen. Auch ist der Faschismus in der Türkei durch diese Wahlen nicht besiegt worden. Neben dem faschistischen AKP-MHP Bündnis sind auch im Sechser-Bündnis der CHP die faschistischen Parteien eine wichtige Kraft. Zudem scheinen die Stimmen des faschistischen Präsidentschaftskandidaten Oğan bei den Stichwahlen entscheidend. Es zeigt sich deutlich der Faschismus lässt sich nicht durch die Wahlen besiegen, und er wird es durch Einschüchterung, Manipulation und Unterdrückung auch nicht zulassen.
Die Wahlen werden für den Großteil der Arbeiter:innen, Frauen, Kurd:innen, LGBTI+ und Jugendlichen nichts an ihrer Situation ändern. Das zeigt sich auch daran, dass das Sechser-Bündnis zu den Problemen und Fragen der Arbeiter:innen, Frauen, Kurd:innen, LGBTI+ und Jugendlichen nichts sagt. Zudem wird der faschistische Präsidentschaftskandidat Oğan seine Stimmen mit großer Wahrscheinlichkeit daran binden, dass die Parteien YSP und HDP aus möglichen Regierungsbündnissen ausgeschlossen werden. Falls das AKP-MHP Regime auch die Präsidentschaftswahlen gewinnt, wird sich die Unterdrückung und Ausbeutung weiter verschärfen und fortsetzten. Für die Unterdrückten und Ausgebeuteten in der Türkei und Nordkurdistan bieten die Wahlen keine Lösung – sie werden ihre Lage nicht verbessern. Denn solange keine der Parteien einen demokratischen, fortschrittlichen Anspruch hat, der vor allem die Probleme und Fragen der Arbeiter:innen, Kurd:innen, Frauen, LGBTI und Jugendlichen stellt, wie es die YSP auch tut, wird es keine Verbesserung geben. Aber die Wahlen werden auch allgemein den Faschismus nicht abwählen können, denn Erdogan wird nicht freiwillig seine Position verlassen. Die Parlamentswahlen haben es nicht geschafft die AKP zu besiegen und auch die Präsidentschaftswahlen werden es nicht schaffen. Stattdessen müssen wir den Widerstand gegen den Faschismus außerhalb der Wahlen auf den Straßen organisieren. Wir müssen in allen Winkel den antifaschistischen Widerstand stärken und entwickeln. Die Aufgabe liegt darin antifaschistische Widerstandskomitees aufzubauen, welche ganz konkret den Widerstand gegen den Faschismus in den Vierteln, Betrieben und Städten führen können. Denn wir wissen, dass nur der gemeinsame Widerstand der Unterdrückten und Ausgebeuteten den Faschismus endgültig besiegen kann.
Lasst uns deshalb den Widerstand gegen den Faschismus stärken, denn der Kampf gegen den Faschismus wird auf den Straßen und nicht bei Wahlen gewonnen!