Seit Macrons Regierung eine Erhöhung des Rentenalters angekündigt hat, gehen in Frankreich hunderttausende Menschen auf die Straße. Mit dem undemokratischen Durchsetzen dieses Gesetzvorschlags, hat sich Macron allerdings einen Strich durch die eigene Rechnung gemacht. Die Reaktion der Arbeiter:innen, in Form eines Generalstreiks, hat nicht lange auf sich warten lassen. Die geballte Wut der Massen wird nun auf die Straßen getragen, aber was ist das gerade in Frankreich? Was müssen die nächsten Schritte sein? Was für eine Bedeutung hat dieser Streik für uns hier in Deutschland?
Die Situation des Generalstreiks in Frankreich
Gerade sehen wir ein neues Ausmaß an Protesten in Frankreich. Durch den anhaltenden Generalstreik werden viele Bereiche des öffentlichen Lebens, wie zum Beispiel der Verkehr sehr stark eingeschränkt. Einschränkungen, welche natürlich einen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation des Landes haben. Die Wut gegen die Rentenreform wächst weiter. Frankreich hat eine Vergangenheit von militanten Protesten und eine lange Geschichte von kämpferischen Aufständen und Revolutionen. In den letzten Jahren hat sich dieser Kampf allerdings nur insofern auf der Straße ausgetragen, bevor parlamentarische Beschlüsse gefasst wurden. Den Knackpunkt spielt hier allerdings der Artikel 49.3 der französischen Verfassung, welcher es der Regierung ermöglicht, Gesetze, ohne eine Mehrheit im Parlament, durchzusetzen. Das nutzte Macron dann aus, um die besagte Rentenreform zu beschließen. Dieser undemokratische Schritt treibt die Arbeiter:innen Frankreichs nun also nur noch stärker auf die Straße. Die Wut wächst und mehr und mehr Menschen streiken, eben weil den Arbeiter:innen genau die Rechte genommen werden, welche sie sich über Jahrzehnte erkämpft haben. Zum 10. Streiktag, am 28.03, organisierten wir eine Delegation, welche sich den Protesten in Frankreich anschloss und gemeinsam mit unseren Pariser Genoss:innen, in vorderster Reihe an dne Protesten teilnahm.
Die prall gefüllten Straßen haben um 14:00 eigentlich eher an ein Straßenfest erinnert, doch nach 2-3 Stunden kochte die Stimmung Stück für Stück hoch. Die Provokationen des Staates wurden auf der Straße von den Arbeiter:innen beantwortet. Während die Demo-Spitze nun am Endpunkt angekommen war, kochte die Wut über und die Menschen zeigten der Regierung was sie von ihr halten. Straßen wurden angezündet, Banken zerstört, Bushaltestellen demoliert und laute Parolen hallten durch die Straßen von Paris. Plötzlich griff die Polizei ein und verwandelte die Pariser Straßen in ein Schlachtfeld. Erst mit Einsatzschildern und Knüppeln, dann mit Tränengas und Blendgranaten. Angriffe welche sich wahllos gegen jede Person richteten, sie niederknüppelte, mit dem Ziel den Menschen gewaltvoll Angst einzujagen. Diese Einschüchterungsversuche waren aber vergeblich. Egal ob mit Steinen, Tritten, Flaschen. Alles ist Verteidigungsmittel, wenn der Staat uns direkt angreift.
Kämpfen lohnt sich, Solidarität mit den Streikenden!
Der Streik in Frankreich ist viel facettenreicher als nur die Proteste auf der Straße. Solidaritätsbekundungen aus allen Ecken und Gewerkschaften, welche sich ernsthafter für die Interessen der Arbeiter:innen einsetzen. Breite Teile der Gesellschaft beteiligen sich an den Streiks und vor allem die Jugend spielt hier eine sehr wichtige Rolle. Viele Schulen und andere Lehreinrichtungen werden von Schüler:innen und Student:innen besetzt und ein großer Teil der Jugend beteiligt sich an den Protesten auf der Straße.
Zuletzt stürmten vor wenigen Tagen Streikende das Büro des Investment Unternehmens “Blackrock”. Auf Videos war zu sehen, wie sie sich mit Pyrotechnik Zutritt verschafften und übers Megafon propagierten :“Es braucht Geld, um unser Rentensystem zu finanzieren. Hier gibt es welches!”
Der französische Innenminister Gérald Darmanin warnt vor linksradikalen “Unruhestiftern”, die sich den Protesten anschließen würden. Ihnen gehe es nicht um die Streiks, sondern darum, die republikanischen Institutionen zu schwächen. Die Regierung selbst hat sich eine Rechtfertigung ausgelegt, um jeden legitimen Protest in schlechtes Licht zu stellen. Die harten Repressionen gegen die Streikenden sind als Abschreckungsversuche einzuordnen. Keine Blöße soll sich gegeben werden. Bloß keine Möglichkeit offen lassen, dass die Proteste noch mehr Anklang finden in der Gesellschaft. Die Reaktion der Massen zeigt ihnen, wie falsch sie damit liegen. Die eskalierenden Streiks sind ein Katz- und Mausspiel zwischen Staat und Arbeiter:in, in dem der Staat am Ende immer den längeren zieht. Bis jetzt zumindest.
Einordnung der Streiks und unsere Rolle
Wenn jetzt also Organisationen von vorrevolutionären Situationen reden, ist dies ein Irrtum. Große Teile der Linken fixieren sich auf Bewegungen und kommen dann zu Schlüssen, welche sehr schnell Fortschritte als Revolutionen oder halt eben als vorrevolutionäre Situationen bezeichnen. In Frankreich ist die Protestbewegung historisch allerdings, wie bereits erwähnt, immer sehr stark und militant gewesen. Auch wenn die momentanen Streiks und Aufstände sich weiterentwickeln müssen wir dennoch vorsichtig sein die Situation falsch zu analysieren. Die Gewalt des Staates nimmt zu, wobei er fast nie fahrlässig handelt. Selbst lebensgefährliche Verletzungen der Protestierenden werden in Kauf genommen und sind einkalkuliert. Ein Generalstreik mit anhaltenden Protesten ist ein guter Schritt, allerdings muss uns klar sein, dass wir als Sozialist:innenauf solch einen Protest mit der Organisierung der Massen folgen müssen. Die Proteste werden gerade von den militantesten Teilen der Arbeiter:innenklasse angeführt. Diese bestehen zwar auch aus revolutionären Sozialist:innen und Anarchist:innen, zu einem Großteil müssen wir aber von unorganisierten Proletarier:innen reden. Revolutionäre Organisationen müssen sich hier als Führung etablieren und eine Anlaufstelle für die Teile der Klasse sein, welche bereit sind, für die Zukunft zu kämpfen. Wenn diese Aufgabe nicht erfüllt werden kann oder nicht einmal wahrgenommen wird, besteht die Gefahr eines weiteren verpassten Moments. Einer Situation der Veränderung, die sich wieder einmal im Sand verläuft.
Was ist die Situation in Deutschland?
Am Montag, den 27.03 war auch ein großer Tag für das deutsche Proletariat. Das erste Mal seit über 30 Jahren gab es einen bundesweiten Warnstreik des öffentlichen Dienstes. Auch wenn sich hier weitaus weniger Menschen beteiligten als in Frankreich, steht fest, auch in Deutschland steht die Klasse auf und fängt an, sich ihrer Unterdrückung zu widersetzen. Die Tarifverhandlungen gehen weiter und es deutet darauf hin, dass weitere Streiks kommen werden. Was bedeutet es also, wenn wir uns Frankreich als Vorbild nehmen wollen, um von den französischen Arbeiter:innen zu lernen. In Frankreich wehrt sich das Proletariat gegen die Rentenaltererhöhung auf 64, in Deutschland dagegen wird seit der Rentenreform 2012 das Rentenalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre erhöht. Als Sozialist:innen müssen wir es schaffen, eine Reaktion der Massen auf den Straßen zu organisieren. Die Perspektivlosigkeit und der Unglauben an Veränderung sind nichts angeboren deutsches. Unsere Sehnsucht nach Freiheit muss die Massen anstecken und dafür können wir nach Frankreich zeigen. Denn auch wenn Frankreich nicht die Lösung hat. Wenn wir gemeinsam kämpfen, sind wir stärker. Wenn also Streiks in unseren Städten stattfinden, müssen wir da sein und eine leitende Rolle einnehmen. Es geht für uns darum, eine Perspektive aufzuzeigen, die über Lohnausgleich und Tarifverhandlungen hinausgeht. Wir brauchen die Überwindung des Kapitalismus und wir brauchen den Sozialismus.
Noch scheut sich das deutsche Proletariat davor, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, aber das wird nicht immer so bleiben. Lasst uns unserer Klasse die Zukunft geben, die wir ihnen versprochen haben. Die Zeit der Aufstände kommt und wir werden in den ersten Reihen stehen und gemeinsam mit unseren Genoss:innen die Veränderung einleiten. Für eine gerechtere und eine solidarische Gesellschaft.