Seitdem der Widerstand des palästinensischen Volkes mit der Al-Aqsa-Flut Offensive eine neue Stufe erreicht hat, häufen sich auch die Anfeindungen gegenüber pro-palästinensischen Gruppen in ganz Deutschland. Diese Angriffe kommen nicht nur von staatlichen und bürgerlichen Akteuren, sondern auch maßgeblich von der sogenannten antideutschen Linken. Am 24.10.2023 kam es in Leipzig zu einem Angriff auf ein migrantisches Hausprojekt, bei dem die Fensterscheiben des Hauses mit Schweinefett eingeworfen wurden. Kurz darauf tauchte auf der Plattform Indymedia ein anonymes Bekennerschreiben auf, in welchem der Anschlag als angebliche Aktion gegen Antisemitismus beschrieben wurde, da sich in dem Hausprojekt mehrere palästina-solidarische Gruppen treffen. Das Bekennerschreiben, welches kurz darauf gelöscht wurde, legt nahe, dass der Angriff aus einem antideutschen Umfeld begangen worden ist. Schon der Einsatz von Schweinefett zeugt von einer zutiefst rassistischen Gesinnung. Ebenso gibt es vermehrt – sei es online oder auf den Straßen – immer wieder von anonymen Beleidigungen bis hin zu öffentlichen Hetzkampagnen gegen Aktivist:innen alle möglichen Angriffe auf die antiimperialistische Bewegung. Auch hier solidarisieren wir uns mit den Betroffenen.
Die Antideutsche Bewegung bildete sich vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung Deutschlands 1989 und dem Zweiten Golfkrieg 1991 heraus. Die antideutsche Strömung entstand als Antwort auf den besonders mit der Wiedervereinigung erstarkenden Nationalismus und Faschismus in Deutschland. Dabei wurde die Ursache von Antideutschen aber nicht in den Widersprüchen des Kapitalismus und dem Versuch die Arbeiter:innenklasse zu spalten gesucht, sondern in einem angeblich deutschen Wesen. Es wurde die Erzählung aufgestellt, dass der deutsche Nationalismus schon immer in der Arbeiter:innenklasse steckt und geprägt ist von Antisemitismus. Dadurch folgte zudem der Schluss, dass die deutsche Arbeiter:innenklasse reaktionär ist und somit keine Revolution in Deutschland stattfinden kann. Aus dieser Analyse ergibt sich, dass die Antideutschen als Folge der Shoah eine bedingungslose Solidarität mit Israel vertreten. Denn für sie stellt Israel die Antwort dar für den herrschenden Antisemitismus. Israel wird dadurch zu einem jüdischen Schutzraum erklärt und jegliche Politik Israels wird unterstützt. Für Antideutsche bedeutet das besonders eine Unterstützung der USA, als Schutzmacht des imperialistischen Projekts Israels und Rassimus gegenüber Muslim:innen, da der Islam zu einer Bedrohung für Israel erklärt wird. Folglich setzten Antideutsche sich gegen Antizionismus, Antiamerikanismus, Islamismus und bestimmte Formen des Antikapitalismus, sowie Antiimperialismus ein. Sie kritisieren Antiimperialist:innen aufgrund ihrer pro-palästinensischen Positionierung und werfen ihnen strukturellen Antisemitismus und Unterstützung von Islamismus vor. Ebenso kommt es in Bündnisarbeiten nicht selten vor, dass sie für Streitigkeiten und letztlich durch ihre wirre Weltanschauung für Spaltung sorgen. Die Enkel der Wehrmachtssoldaten betrachten es als historisches Erbe Deutschlands, den Staat Israel zu schützen. Dass es ihnen um den Schutz Israels und nicht etwa um den Schutz jüdischen Lebens handelt, zeigt sich an ihrem Umgang mit israel-kritischen Juden und Jüdinnen. Der Antideutsche Autor Ralf Balke bezeichnet in der ebenfalls antideutschen Wochenzeitung „Jungle World“ linke Israelis in Berlin als „antizionistische Polittrolle“ und als die „Irren von Zion“.
Die Antideutsche Bewegung ist zwar klein, aber hartnäckig. Insbesondere in den letzten Wochen, in denen der Widerstand in Palästina eine neue Stufe erreicht hat, finden Antideutsche im allgemeinen politischen Diskurs wieder mehr Gehör. Sie stehen in bedingungsloser Solidarität mit dem Staat Israel und damit auf Seite der Unterdrücker. Sie stehen hiermit auch auf der Seite der deutschen Regierung, welche sich gegen eine Waffenruhe in Gaza ausspricht. Während der deutsche Staat im Namen des Kampfes gegen Antisemitismus eine neue Abschiebungsoffensive durchführt, linke Juden und Jüdinnen sowie Palästinenser:innen heftige Repressionen erfahren, diffamieren antideutsche Linke in den sozialen Netzwerken pro-palästinensische Gruppen als antisemitisch und beteiligen sich an der rassistischen, entmenschlichenden Hetze gegen die Bevölkerung Palästinas, um diese mundtot zu machen. Weder wird von diesen Kräften differenziert zwischen den Bewohner:innen des Gaza-Streifens und der Hamas, noch zwischen dem israelischen Staat und der jüdischen Bevölkerung unterschieden. Gleichzeitig wird auch der Genozid in Gaza hauptsächlich der Hamas in die Schuhe geschoben. Was in den vorherigen 75 Jahren passiert ist, scheint irrelevant. Der Kampf gegen Antisemitismus ist für sie nur ein Vorwand, um guten Gewissens die Augen vor dem Genozid in Gaza verschließen zu können. Sie sind die Handlanger des deutschen Staates, immer da wo die staatlichen Repressionen nicht ausreichen. Sie sind Handlanger eines Staates, in dessen Institutionen unzählige Antisemit:innen und Faschist:innen sitzen. Sie zeigen uns, dass Antideutsche sich nicht davor scheuen, mit dem Klassenfeind gemeinsame Sache zu machen, solange es darum geht, Israel zu verteidigen. Diese Zusammenarbeit offenbart den bürgerlichen Charakter der politischen Bewegung und zeigt uns, dass der antifaschistische Kampf antiimperialistisch sein muss.
Kritik an Israel ist kein Antisemitismus. Den Kampf gegen den menschenverachtenden Zionismus mit Antisemitismus gleichzustellen, ist ein altbekanntes „Totschlagargument“, mit dem wir uns nicht zum Schweigen bringen lassen. Die Kritik an der zionistischen Ideologie, der menschenverachtenden Besatzungspolitik Israels und die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf mit Antisemitismus gleichzusetzen ist nicht nur falsch, sondern zeugt auch von einer Doppelmoral hinsichtlich des Antisemitismus in Deutschland.