In Wien hat der Staatsschutz gestern drei junge Männer festgenommen, die wohl einen Angriff auf die Wiener Pride Parade am Samstag planten. Zwei der Drei sind minderjährig, einer sogar nur 14 Jahre alt. Bei dem Trio wurden laut Polizeibericht diverse Stichwaffen, Gaspistolen und Datenträger mit LGBTI+ feindlichen Inhalten sowie Angriffsplänen gefunden. Sie sollen laut Behörden mit dem sogenannten Islamischen Staat symphatisieren.
Direkt nach der Festnahme der drei jungen Männer gaben die österreichische Behörden eine Pressekonferenz, in der sie von der erfolgreichen Vereitelung des Terroranschlags berichteten.
Auf dem Rückweg ebendieser Pride Parade wurde eine Frau von unbekannten Männern zunächst homofeindlich beleidigt und schließlich angegriffen. Mit Kopfverletzungen und Schürfwunden wird sie ins Krankenhaus geliefert. Am Rande des CSD in Hannover Anfang des Monats wurden ein 17-jähriger trans Mann und seine nicht-binäre Begleitperson ebenfalls beleidigt und angegriffen. Dabei wird der 17-Jährige auch in diesem Fall krankenhausreif geschlagen. Auch in Reutlingen bei Stuttgart kam es am Rande der ersten Pride-Demo der Stadt zu tätlichen Angriffen, nachdem der sogenannte Dritte Weg gegen die Veranstaltung mobilisiert hatte. Und wir müssen uns fragen, wo unser Schutz ist, wenn den Angreifern kein islamistisches Motiv zugeordnet werden kann?
Von homofeindlichen Gesetzen wie in den USA bis hin zur staatlichen Verfolgung von LGBTI+ in der Türkei und Uganda – die Gewalt gegen uns nimmt weltweit zu. Auch in Deutschland und Österreich waren die letzten Monate geprägt von zunehmendem Hass, Hetze und offener Gewalt gegen LGBTI+. Das Jahr 2022 war in Deutschland seit Langem das Jahr mit den meisten Gewalttaten gegen uns. Seit Anfang des Pride Month ist der Hashtag #Stolzmonat ununterbrochen in den Trends auf Twitter, als nationalistische „Gegenbewegung“, die teilweise offen Gewalt gegen LGBTI+ propagiert.
In den bürgerlichen Medienberichten wird nun Lob und Dank an den starken, handelnden Staat ausgesprochen. Täglich verschwinden Waffen aus Bundeswehrbeständen, egal ob in Deutschland oder Österreich, und regelmäßig werden faschistische Zellen bekannt, die Waffen horten und Anschläge planen.
Außerdem finden tagtäglich Angriffe auf LGBTI+ Personen statt, nicht zuletzt auch tödliche, wie der Mord an Malte C. aus Münster zeigt.
Der Staat ist nicht unser Verbündeter
Mit dem erstarkenden Faschismus wächst auch die Gewalt gegen uns. Dass in religiös-fundamentalistischer Ideologie kein Platz für LGBTI+ ist, und wir daher auch von dieser Seite Angriffe erleben, ist ebenfalls eine Realität. Dass der Staat nun solch einen Angriff ausnahmsweise verhindert hat und wir als LGBTI+ nicht mehr vogelfrei sind, sobald wir unsere Identität offen ausleben, ist jedoch allenfalls ein Ergebnis von jahrzehntelangem Kampf. Erst seit 2019 werden LGBTI+ feindliche Hassverbrechen in Österreich überhaupt statistisch erfasst und staatlich verfolgt.
Der kapitalistische Staat hat kein Interesse daran, unsere Leben zu schützen. In der heterosexistischen Ordnung des Patriarchats haben wir keinen Platz, wir erfüllen als LGBTI+ keinen reproduktiven Zweck. Mit dem offenen Ausleben unserer Identität stellen wir für die patriarchale Ordnung, auf die der Kapitalismus baut, zudem eine Gefahr dar.
Für den kapitalistischen Staat ist es eine vielversprechende Strategie, sich als unser Verbündeter darzustellen und Pride-Demonstrationen bis zur Unkenntlichkeit zu vereinnahmen. Im Pride Month werden Millionen Profite gesichert, indem auf jedes zweite Produkt eine Regenbogenfahne gedruckt wird. Ob das Unternehmen dabei in Ländern produziert, in denen LGBTI+ staatlich verfolgt und ermordet werden, ist dem Kapital egal. Wir sollen den Pride Monat feiern, in dem wir konsumieren und die Füße still halten. Der Monat der Stonewall Riots, der Gezi Aufstände und der unzähligen Kämpfe für LGBTI+ Befreiung soll von uns mit Party-Hedonismus begangen werden, auf Pride Demos, bei denen neben uns Bundeswehr, FDP und BMW laufen.
Unsere Befreiung selbst in die Hand nehmen!
Wir leben in einem Europa, dass seine imperialistischen Mauern wieder hochfährt und vor dessen Küste Schiffen mit über 750 Migrant:innen beim Sinken zugeschaut wird. Staaten wie Österreich und Deutschland passt es gut in den Kram, LGBTI+ Feindlichkeit als ein importiertes Problem darzustellen. Der österreichische Staatsschutz kann sich als regenbogenfarbiger Schutzengel und Verfechter von LGBTI+ Rechten präsentieren. Dabei leugnet er, dass der Heterosexismus ein fester Bestandteil unserer Klassengesellschaft ist. Dass die Veranstalter:innen der Pride Parade in Wien nicht über den geplanten Angriff informiert wurden, verhindert zudem jegliche Form von Politisierung des Falles.
Der kapitalistische Mythos, es würde uns heute immer nur noch besser gehen als den Generationen vor uns, ist nicht nur in Bezug auf Lebensstandard und Ausbeutung falsch. Auch das Patriarchat und der Heterosexismus ziehen in Zeiten der Krise die Maschen enger. Wir leben in Zeiten von Wirtschaftskrise, Kriegsgebrüll, Klimakatastrophe, Repression und erstarkendem Faschismus. In solchen Zeiten entstehen die objektiven Voraussetzungen für einen Aufstand, und die herrschende Ordnung braucht die gewaltsame Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen und LGBTI+ mehr denn je.
Die unzähligen Fälle der Gewalt zeigen uns, dass wir uns nach wie vor wehren müssen, wenn wir der Gewalt ein Ende setzen wollen. Die kapitalistischen Staaten und ihre Polizei sind dabei niemals unser Freund, im Gegenteil sind sie die Institutionen, die unsere Unterdrückung tagtäglich aufrechterhalten.
Die USA zeigen, dass uns unsere erkämpften Rechte mit einem Fingerschnipsen wieder weggenommen werden. Deshalb ist der organisierte Kampf für unsere Befreiung zugleich der Kampf für ein gerechtes System, für den Sozialismus.
Treten wir aus der Isolation heraus, gehen wir gemeinsam auf die Straße, gegen die Gewalt, Ausbeutung und Diskriminierung!
Be Proud – Fight back!