Nach Jahrzehnten des friedlichen Widerstands begann das saharauische Volk vor 50 Jahren seinen bewaffneten Aufstand gegen die koloniale Unterdrückung. Was hat das saharauische zum bewaffneten Widerstand geführt?
Das saharauische Volk lebte jahrzehntelang unter spanischer Herrschaft durch den mutmaßlichen „Handel mit dem Territorium“, aber im Jahr 1884, auf der Berliner Konferenz zur Aufteilung der afrikanischen Kolonien an europäische Länder, wurde die Saharaui-Region Spanien zugesprochen und zu einer Provinz des spanischen Staates. Der Kolonialismus blieb bestehen, und das saharauische Volk koexistierte unter diesen Bedingungen trotz der spanischen Kontrolle. Allerdings gab es eine große Ausbeutung der Reichtümer der Region durch die spanische Kolonialmacht, vor allem von Phosphaten und Fisch.
In den späten sechziger Jahren und nach dem Widerstand der Kolonien, wurde einigen Nachbarländern wie Marokko, Mauretanien und Tunesien die Unabhängigkeit geschenkt. Von der nomadischen Lebensweise geprägt, wurde das saharauische Volk immer noch vom Stammessystem beherrscht. Außerdem gab es keine politische Organisation, die sich dem Kolonialismus entgegenstellte. Nach dieser Zeit entstand ein Bewusstsein unter den Saharauis, insbesondere unter einigen jungen Menschen, denen der Wandel zugeschrieben wird. Einige junge Menschen gingen in andere Länder, um dort eine akademische Ausbildung zu erhalten, was zur Bewusstseinsbildung unter den Saharauis beitrug. In der Zwischenzeit bildeten sie Gruppen junger Menschen, um über die Situation der Saharauis und die des Volkes und die Verschwörungen, die es gab, zu diskutieren.
Sie beschlossen, eine Front zu bilden, um das Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung zu fordern. Die spanische Regierung aber begann, brutale Methoden wie die Entführung des ersten Anführers der Bewegung anzuwenden und terrorisierte das Volk mit Waffengewalt. In der Zwischenzeit sollte eine Untersuchungskommission die Region besuchen, um die Forderungen des Volkes in Erfahrung zu bringen. Tatsächlich kam es 1970 zu einer großen Demonstration des saharauischen Volkes, während sie den Vereinten Nationen bewiesen, dass Spanien ein Kolonialstaat war und dass sie wie die übrigen afrikanischen Länder ihre Unabhängigkeit fordern.
Nach diesen Ereignissen intensivierte sich der Kampf des saharauischen Volkes, um das Ende des spanischen Kolonialismus zu fordern, obwohl genau dieser für die saharauische Bevölkerung schon immer existiert hatte.
Was die Saharauis nicht wussten war, dass die Verschwörung größer war als sie gedacht hatten. Geplant war ein Komplott, das darauf abzielte die Westsahara in die Regionen Mauretanien, Spanien und Marokko aufzuteilen. Das Abkommen wurde in Madrid beschlossen. 1975 erlaubte Spanien Marokko sich durch eine militärische Invasion auf der einen Seite und Mauretaniens Gier auf der anderen die Wüstengebiete mit Gewalt anzueignen. Obendrauf kommt Spaniens chaotischer und verantwortungsloser Rückzug aus dem Saharagebiet. Dies veranlasste das saharauische Volk dazu sich in den bewaffneten Kampf zu begeben und bei den Nachbarländern um Hilfe und Unterstützung zu bitten. Algerien und Libyen waren unter den Ländern, die auf den Aufruf reagierten, materielle und militärische Unterstützung leisteten und die Türen für Asyl öffneten, um Frauen und Kinder vor dem Krieg zu schützen. Obwohl der Staat Mauretanien 1978 das Friedensabkommen und die Anerkennung des Staates Westsahara unterzeichnete, entschied Marokko sich dafür das saharauische Volk weiter zu besetzen und bis heute gewaltsam zu unterdrücken.
1990 wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt. Die Bedingungen des Waffenstillstands, die ein Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara vorsahen, wurden vom marokkanischen Staat nicht erfüllt. Im Jahr 2020 beschloss das saharauische Volk erneut den bewaffneten Kampf aufzunehmen. Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Zeit?
Wir können zwei Dinge feststellen
Erstens, dass die internationale Gemeinschaft uns im Stich gelassen hat. Vor allem, da die Vereinten Nationen einem Referendum für das saharauische Volk zugesagt, dieses Versprechen aber nicht eingehalten haben. Doch nicht nur das, angesichts der schweren Verstöße, welche die marokkanische Besatzung täglich begeht, angefangen bei der illegalen Ausbeutung der Reichtümer der Region und ganz zu schweigen von der täglichen Folterung der saharauischen Kämpfer:innen, wurde Tag für Tag geschwiegen. Zweitens, dass die Unterdrückten Widerstand leisten werden, solange es Menschen gibt, die an Gerechtigkeit glauben.
Große Teile des saharauischen Volkes wurden vom marokkanischen Kolonialismus zur Flucht gezwungen. Es gibt keine Presse- und Meinungsfreiheit in den besetzten Gebieten, und um sie herum wurde eine militärische Sperrzone um die besetzten Gebiete eingerichtet. Unter welchen Bedingungen kämpfen und leben die Saharauis heute?
Die Bedingungen, unter denen das saharauische Volk heute lebt, sind schwierig. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass das saharauische Volk gespalten ist. Es gibt diejenigen, die in dem von Marokko besetzten Gebiet leben, und es gibt diejenigen, die in Geflüchtetenlagern in Algerien leben. Sie leben in den besetzten Gebieten, sie können ihre Rechte nicht ausüben, die Gefängnisse sind voll von Militanten, und es gibt tägliche Einschüchterungen. Ganz zu schweigen von der Politik gegen die Jugend, die darauf abzielt sie vom rechten Weg abzubringen. Dazu kommt die mangelnde Bildung und Rehabilitation.
Sie sind eine Vertreterin des Nationalen Saharaui-Frauenbunds. Was ist die Rolle der saharauischen Frauen im Befreiungskampf und was sind ihre Hauptanliegen?
Die saharauische Frau kämpft für die Interessen des saharauischen Volkes. Sie steht an vorderster Front und leistet Pionierarbeit in allen Bereichen, in denen das saharauische Volk für seine Unabhängigkeit aktiv ist. Sie gibt ihren Söhnen, Ehemännern und Schwestern Kraft und treibt sie auf die Schlachtfelder. Sie baut auch die Institutionen des saharauischen Staates in den Flüchtlingslagern auf. Die saharauische Frauenorganisation ist eine internationale Organisation, die sich an dieser Arbeit beteiligt und in allen Institutionen in allen Bereichen ob politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich oder verwaltungstechnisch präsent ist. Die Vollendung der Souveränität des saharauischen Staates und die Sensibilisierung der saharauischen Frauen, damit sie weltweit ein Modell für den Aufbau und die Befreiung bleiben, sind die Hauptinteressen der Organisation.
Zum Schluss, lasst uns über die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit sprechen. Während eines Besuchs der deutschen Außenministerin Anna-Lena Barbock im Jahr 2022 hat sie Marokko, unter Protest der saharauischen Freiheitsbewegung, die deutsche Unterstützung für die Umwandlung der Westsahara in eine „autonome Region unter marokkanischer Kontrolle“ zugesichert. Die Bundesrepublik versprach auch höhere Investitionen in den marokkanischen Staat und eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten.
Welche Rolle spielen Staaten wie Deutschland bei der Unterdrückung und Kolonialsierung der Westsahara? Was sind die Aufgaben der Revolutionär:innen in Europa im Hinblick auf die Befreiung der Westsahara?
Als Opfer des europäischen Kolonialismus denken wir, dass es im Bezug auf die europäischen Länder an dem Willen mangelt, dem Recht des saharauischen Volkes gerecht zu werden. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass sie vom Reichtum der Region profitieren, aber wir sehen auch, dass es politische Parteien und Abgeordnete gibt, die sich den europäischen Regierungen widersetzen und glauben, dass das saharauische Volk das Recht hat ihren Staat aufzubauen. Diese Ergebnisse wurden vor einem Gericht des Europäischen Gerichtshofs deutlich, der anerkannte, dass der marokkanische Staat nicht das Recht hat, den Reichtum des saharauischen Volkes auszubeuten, insbesondere durch multinationale Unternehmen. Was Deutschland betrifft, so weiß ich, dass sie in der Vergangenheit schwierige Erfahrungen mit Kriegen hatten und die schädlichen Auswirkungen von dem, was den vielversprechenden Befreiungsgedanken von heute gebracht hat kennen. Sie glauben, dass das saharauische Volk unter Selbstverwaltung bleiben sollte. Wir, die Saharauis, haben das Recht, über unser eigenes Schicksal zu entscheiden. Deshalb, verhandeln wir überhaupt nicht über Autonomie.