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Konsequenzen für Lindemann! Gerechtigkeit für die Betroffenen sexualisierter Gewalt!

Vor einigen Tagen berichtete eine junge Frau öffentlich, dass sie auf einem Konzert von „Rammstein“ unter Drogen gesetzt wurde. Der Frontsänger der weltweit bekannten Metalband Till Lindemann habe versucht, sie zum Sex zu überreden und wurde wütend, nachdem sie Nein sagte. Am nächsten Morgen habe sie zahlreiche blaue Flecken auf ihrem Körper entdeckt, konnte sich jedoch nicht daran erinnern, wo diese herkamen.

Diesem öffentlichen Vorwurf der sexualisierten Gewalt im Rahmen eines Rammstein-Konzertes folgten andere Frauen, die von sehr ähnlichen Erfahrungen berichten. Die bekannte YouTuberin Kayla Shyx berichtet in einem 35minütigen Video ausführlich von einer sogenannten Afterparty, auf die sie als Besucherin des Konzerts von einer angeblichen Managerin Tills persönlich eingeladen wurde. Bereits beim Eintreffen auf der angeblichen Afterparty berichtet sie von einem sehr mulmigen Gefühl. Etwa ein Dutzend junge Frauen wären von Securitys in einen abgelegeneren Bereich der Konzertlocation geführt worden. Dort seien ihnen ihre Handys abgenommen und alkoholische Getränke angeboten worden. 

Fast alle Frauen berichten von starken Gedächtnislücken, blauen Flecken und anderen Verletzungen sowie von sexualisierter Gewalt, Zeuginnen bestätigen die Berichte. 

Die Band selbst leugnet die Vorwürfe. Auf sozialen Netzwerken traten die Vorwürfe jedoch wieder einmal breite Diskussionen los. Die Band ist fast permanent auf Tour und spielt im Moment in verschiedenen Städten Europas, in diesen Tagen in München. Sorgen scheinen sie sich keine zu machen. Mächtige Männer wie Till Lindemann haben nunmal nicht nur eine Armee von Online-Verteidiger:innen hinter sich, sondern außerdem ein Team von Manager:innen, Spitzenanwälten und genug Geld für etliche Verleumdungsklagen. 

Der Fall ist zudem ein weiteres erschreckendes, wenn auch nicht überraschendes, Beispiel für Männersolidarität. Während Rammstein sich fake-woke gibt, in einem Post „jegliche Form der Gewalt verurteilen“ und die Pseudo-Managerin, die dafür zuständig war, die jungen Frauen und Mädchen auszusuchen, feuert, kann Lindemann weiter singen. In München kam es zu Protesten gegen einen Auftritt, bei denen Rammstein-Fans Protestierende angriffen. Der Band wird nachgesagt, ein in Teilen rechtsradikales Publikum anzuziehen. 

Die Diskussion, die bei solchen Fällen losgetreten wird ist geprägt von patriarchalen Argumenten, von systematischem Täterschutz bis hin zu Morddrohungen gegen Frauen, die ihre Stimme erheben. Der Betroffenen wird mehrheitlich nicht geglaubt, und wenn, dann wird ihr jedes mögliche Verhalten als provozierend ausgelegt. Die Schuld wird bei der Frau gesucht, denn für das Patriarchat und seine Online-Kreuzritter kann eine überlebende Frau sich gar nicht „richtig“ verhalten. Über diesem massenhaften „Victim-blaming“ (also dem Beschuldigen der Opfer) und den Drohungen gegen Frauen schwebt die staatliche Unschuldsvermutung, die in allererster Linie für Täter gilt. Auch in bürgerlichen Medien werden die Vorwürfe gegen Lindemann mehrheitlich als „grenzüberschreitendes Verhalten“ betitelt, statt sie als massiven Machtmissbrauch und systematische Vergewaltigung zu benennen.

Eine Vergewaltigung oder andere Formen der sexualisierten Gewalt vor Gericht nachzuweisen ist extrem schwierig. Doch selbst mit Beweisen gibt es nicht den Hauch einer Garantie, dass es zu einer Verurteilung kommt. Stattdessen wird Frauen vorgeworfen, sich Aufmerksamkeit verschaffen zu wollen oder die Karriere des armen Mannes zerstören zu wollen. Zeigt uns die zerstörten Karrieren, zeigt uns die reich gewordenen Frauen. Es gibt keine Konsequenzen für Männer, die Frauen misshandeln.

Mehrere der Betroffenen schildern große Angst vor Konsequenzen gegen sich, nicht zuletzt auch auf staatlicher Ebene. Als im letzten Jahr – ebenfalls von mehreren Frauen – Vorwürfe der sexualisierten Gewalt gegen den deutschen Comedian Luke Mockridge erhoben wurden, entstand eine Protestbewegung gegen ihn und seine Shows. Bei den Protesten kam es zu massiver Polizeigewalt und der polizeilichen Aufnahme von unzähligen personenbezogenen Daten. Im Nachhinein regnete es Verleumdungsklagen gegen all jene, die Mockridge öffentlich einen Täter nannten. Mockridges Karierre scheinen die Vorwürfe nicht signifikant geschadet zu haben, er geht auch diesen Sommer wieder auf ausverkaufte Touren. Der Anwalt Christian Schertz, der Mockridge verteidigte und all seine Opfer anzeigte wird nun nach allem Anschein auch Lindemann verteidigen.

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist eines der größten Unterdrückungsinstrumente des Patriarchats. Der Körper von Frauen ist für Männer wie Lindemann sein Eigentum, über das er jederzeit verfügen kann. In einem Gedicht, dass er vor einigen Jahren veröffentlichte, schrieb er sehr offen von seinen Vergewaltigungsfantasien. 

Mit der Ansicht, eine Verfügungsgewalt über Frauenkörper zu haben, ist Lindemann nicht allein. Die alljährlichen Vorwürfe gegen berühmte Männer sind die winzige Spitze eines gigantischen Eisbergs an Gewalt. Die bürgerliche Unschuldsvermutung ist in diesem patriarchalen System nichts anderes als institutionalisierter Täterschutz, wenn selbst die öffentlichen Fälle so gut wie nie in einer Verurteilung enden. Hier ist der Rechtsstaat nicht blind, sondern erfüllt genau seinen Zweck, nämlich die systematische Unterdrückung von Frauen, ohne die das kapitalistische System nicht funktionieren würde. 

Um das Patriarchat zu bekämpfen müssen wir dieses Verhältnis umdrehen. Statt Täter zu schützen müssen wir Betroffenen glauben und uns solidarisch neben alldiejenigen stellen, die sich wehren. Vor allem aber müssen wir unsere Wut gegen das System hinter der Gewalt, gegen das Patriarchat und den Kapitalismus wenden, und den organisierten Kampf für eine bessere Welt, für die Frauenrevolution und den Sozialismus aufnehmen. 

Selbstverteidigung ist unser Recht!