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LGBTI+: Hassverbrechen, Unterdrückung und… Kapitalismus? Der Zusammenhang zwischen LGBTI+ Feindlichkeit und kapitalistischer Gesellschaft erklärt.

Anfang September verstarb der trans Mann Malte im Krankenhaus nach einem LGBTI+-feindlichen Angriff auf dem CSD in Münster. Als Young Struggle haben wir ein Statement auf Instagram dazu gepostet, in dem wir den Mord an Malte und damit LGBTI+-Feindlichkeit klar mit dem kapitalistischen System verbinden. Wir sehen die Ursache der Hassverbrechen in genau diesem System. Für uns ist der Kampf gegen LGBTI+-Feindlichkeit ein klarer Kampf gegen den Kapitalismus. 

„Wir sind traurig und noch viel mehr sind wir wütend. Wütend darüber, dass LGBTI+ Personen immer noch tagtäglich verbalen und physischen Angriffen ausgesetzt sind, wütend darüber, dass LGBTI+-Personen immer noch nicht den Platz in der Gesellschaft haben und immer noch einen täglichen Kampf um ihre Existenz führen müssen und wütend darüber, dass Malte aus LGBTI+-feindlichen Motiven ermordet wurde! Im Kapitalismus ist für die Existenz der LGBTI+ kein Platz, auf Gewalt wird nur mit Änderungen irgendwelcher Wortlaute in irgendeinem Gesetz reagiert, doch die Ursachen und das System hinter der Gewalt werden immer wieder verschwiegen und unter den Teppich gekehrt. Der Kampf für LGBTI+-Befreiung ist immer auch ein Kampf gegen den Kapitalismus!“ (https://www.instagram.com/p/CiACHMpMphB/?utm_source=ig_web_copy_link

Unter diesem Post gab es zahlreiche Kommentare, die von relativierend bis hin zu transfeindlich alles abdecken. Doch es gab auch Fragen und Kritik: Was hat der Kapitalismus mit dem Mord an Malte zu tun?

„„Der Kampf gegen *Sache 1, die ich als politisch links orientierte Person irgendwie doof finde* ist immer automatisch auch ein Kampf gegen *Sache 2, die ich als politisch links orientierte Person irgendwie doof finde*… Immer dieselbe Leier, 100% „Kampf“, 0% Differenziertheit.““

„Hier geht es um immer noch statt findende Hassverbrechen und um darauf aufmerksam zu machen. Nicht um Kapitalismuskritik. Vllt. mal Instrumentalisierung nachlesen“

Ob diese Fragen gestellt wurden, weil die Kommentare wirklich eine inhaltliche Antwort suchen oder eine reine Provokation sein sollten, ist an dieser Stelle egal. Denn in beiden Fällen muss diese Frage ernsthaft beantwortet werden. Ehrlichen Fragen sind wir ernsthafte Antworten schuldig und Schwächungen im Kampf gegen sowohl LGBTI+-Unterdrückung als auch gegen den Kapitalismus müssen wir entschlossen abwehren. 

Was hat Kapitalismus mit LGBTI+ Unterdrückung zu tun?

Zuallererst müssen wir uns die Frage stellen, was Kapitalismus eigentlich ist, um seine weiteren Unterdrückungsmechanismen zu verstehen. Das ist eine große Frage, die hier aber nur kurz beantwortet werden soll. Der Kapitalismus ist eine Gesellschaftsform und die aktuelle Form der Wirtschaft. Der Kapitalismus ist eine Klassengesellschaft wie schon die Sklavenhaltergesellschaft und der Feudalismus vor ihm. Sie alle waren und sind Klassengesellschaften, und sind durch einen entscheidenden Faktor gekennzeichnet: Es gibt zwei Klassen, eine unterdrückte und eine unterdrückende. Klassengesellschaften haben ihren Ursprung in der Entstehung des Privateigentums. Die Frage der Produktion ist entscheidend, so auch heute im Kapitalismus. Wie produziert wird, bestimmt wer wen in der Gesellschaft unterdrückt. Es gibt Menschen, die Produktionsmittel besitzen, weil sie diese an sich gerissen haben: Das ist heute die Bourgeoisie oder anders gesagt die Kapitalisten. Und es gibt Menschen, die keine Produktionsmittel besitzen und deswegen in einer Lohnabhängigkeit arbeiten müssen, weil sie nichts besitzen, außer ihrer Arbeitskraft: Das Proletariat, also die Arbeiter:innen. Der Kapitalismus als System ist stets bestrebt, alle erdenklichen Faktoren, die der Gewinnmaximierung dienen zu fördern und die Gegenteiligen nach Möglichkeit zu beseitigen.

Das heißt, dass es grundsätzlich zwei Klassen gibt, die sich gegenüberstehen: Die wenigen Kapitalisten aus der Bourgeoisklasse und die vielen Arbeiter:innen aus der Klasse des Proletariats. Die Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen. Die Gesellschaft hat sich durch diese Klassenkämpfe vom Feudalismus zum Kapitalismus entwickelt. So wie der Kapitalismus in der Geschichte seinen Anfang gefunden hat, so wird er auch sein Ende finden. 

Die erste Unterdrückung des Menschen durch den Menschen: die Patriarchale Familie

Vor der Sklavenhaltergesellschaft kannten die Menschen keinen privaten Besitz. Es wurde nur das produziert, was zum direkten Überleben benötigt wurde. Diese Zeit nennt man Urgesellschaft und sie ist die erste und die längste Gesellschaftsform der menschlichen Geschichte.  Im Lauf der Geschichte wurden die Menschen sesshaft, entwickelten die ersten Formen der Landwirtschaft. In dieser Zeit entstand das Privateigentum in Form von Hütten, Tierherden, Werkzeugen oder Nahrung, die nun auf Vorrat produziert und gelagert werden konnte. Diese Besitztümer wurden immer weiterangehäuft und schließlich auch vererbt, sodass der früher kollektive Besitz nun in den Händen weniger bleiben konnte. Das Privateigentum zentrierte sich nicht bei irgendwem, sondern bei den Männern, die die Entscheidungsmacht und die Besitzansprüche an sich gerissen haben.

Mit der Sesshaftwerdung und der Entstehung des Privateigentums entstand nicht nur eine Klassengesellschaft, sondern auch das Patriarchat, die erste Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. In der Urgesellschaft fehlte die ökonomische Grundlage für die Einteilung in Mann und Frau; im Gegensatz zu heute, gab es keine gesellschaftliche Arbeitsteilung. Diese Arbeitsteilung nach Geschlecht entwickelte sich zusammen mit der monogamen, patriarchalen Familienstruktur. Das nun angehäufte Privateigentum sollte nicht mehr über die weibliche, sondern über die männliche Linie vererbt werden. Das heißt Monogamie war nötig, um den Vater und somit das „Familienoberhaupt“ eindeutig identifizieren zu können. Die Unterdrückung der Frau begann.Die Männer, die das Privateigentum an sich gerissen haben, wollen es auch in ihren Händen behalten, deswegen binden sie die Frauen an sich und an das Haus und vererben an ihre männlichen Nachkommen. Dieses System hält die patriarchale Unterdrückung bis heute aufrecht. Was hat das mit LGBTI+-Unterdrückung zu tun?

Die Anfänge der LGBTI+ Unterdrückung

Bevor die Arbeit geschlechtlich aufgeteilt wurde, gab es keine sozialen Geschlechterrollen für Mann und Frau. Darüber hinaus gab es schon immer diverse Geschlechtsidentitäten. Für das Überleben des Stammes oder der Herde mussten die vielfältigsten Aufgaben übernommen werden. Diversität bei den Geschlechtern hat die kollektive Arbeit erleichtert, weil die Menschen in keine Rollen gesteckt wurden und sie deswegen jede Arbeit verrichten konnten. Es gab auch keinen Zwang zur Reproduktion und somit keinen Zwang zur Heterosexualität. In Zeiten der Gruppenehe gab es noch Platz für Homosexualität. Die Größe der Familie ist ausschlaggebend für das Überleben und zu große Familien mussten sich spalten, um sich weiter versorgen zu können. Warum sollten dann alle Menschen zur Reproduktion gezwungen werden, warum sollte es dann nicht auch Platz für Sexualität aus Lust und Vergnügen geben, denn ist es nicht auch ein Aspekt, der uns von Tieren unterscheidet?

Doch mit der patriarchalen Familie wird die Unterdrückung der Frau besiegelt. Die Unterdrückung ist in Form einer Bindung an den Mann und das lässt keinen Platz sowohl für andere Geschlechter als auch für Homosexualität. Der Wert, den LGBTI+ in der Gesellschaft vorher hatten, wird eliminiert, sie erfüllen keine gesellschaftlich relevante Aufgabe innerhalb der Familie mehr, deswegen werden sie verstoßen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. In den Klassengesellschaften wird der Wert eines Menschen durch seine Rolle in der gesellschaftlichen Produktion bestimmt und mit der binärgeschlechtlichen Arbeitsteilung gibt es keinen Platz mehr für LGBTI+.

LGBTI+-Unterdrückung ist also eine patriarchale Unterdrückung und die Wurzel des Patriarchats liegt im Privateigentum. Das Patriarchat ist uns als Unterdrückungsform erhalten geblieben, über die Klassengesellschaften hinweg hat es sich gewandelt und im Kapitalismus führt das zur Entstehung der bürgerlichen Kleinfamilie. 

LGBTI+ in der kapitalistischen Produktion

Die bürgerliche Kleinfamilie ist die aktuelle Form der Familie und hat alles Persönliche, Private und Intime aus der Familie gerissen und aus ihr ein rein ökonomisches Verhältnis gemacht, das die Unterdrückung der Frau durch den Mann weiterhin aufrechterhält. Das heißt auch hier gibt es keinen Platz für LGBTI+-Personen. Die bürgerliche Familie hat zwei Aufgaben: Die Aufrechterhaltung der ökonomischen Abhängigkeit der Frau von dem Mann und die Reproduktion. Das bedeutet die Reproduktion des einzelnen Arbeiters (Haushalt) und die Reproduktion der gesamten Arbeiter:innenklasse. Mit dem stetigen Zwang, den Gewinn zu maximieren, brauchen die Kapitalisten stetig Arbeiter:innen. Damit wird der Zwang zur Heterosexualität durch einen Reproduktionszwang begründet und aufrechterhalten. Auch im Kapitalismus gibt es somit keinen Platz für Homosexualität, sie wird weiterhin aus der Gesellschaft gedrängt, weil sie in der kapitalistischen Gesellschaft keine Aufgabe erfüllt, die der Profitmaximierung dient. 

Die zentrale Frage unserer Gesellschaft ist, wer die Produktionsmittel besitzt, weil die Gesellschaft von den Produktionsverhältnissen geprägt ist. Die grundlegenden Produktionsverhältnisse sind Teil der Basis der Gesellschaft. Die Basis ist der ökonomische Teil einer Gesellschaft, welche die Form dieser maßgeblich prägt. In der Basis ist die Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse begründet, genauso wie die Unterdrückung der Frau durch das Patriarchat. Das Patriarchat hat seinen Ursprung in der ersten geschlechtlichen Arbeitsteilung ist und wirkt sich somit auf die Produktion aus. Dann gibt es noch den Überbau, der politisch-ideologische Teil der Gesellschaft, und der zeigt sich auf einer materiellen Ebene (z.B. im Staat und in der Religion). Die ökonomische Basis ist die Grundlage für den Aufbau der Gesellschaft, d.h. sie bestimmt den Überbau. Trotzdem gibt es zusätzlich auch Wechselwirkungen vom Überbau auf die Basis. Die ökonomische Unterdrückung kommt aus der Basis, der Überbau hält diese ökonomische Unterdrückung aufrecht durch Mechanismen wie Staaten oder Religion. 

LGBTI+ werden seit Tausenden Jahren von der gesellschaftlichen Teilhabe und somit auch von der gesellschaftlichen Produktion ausgeschlossen. Eine Gesellschaft, die durch geschlechtliche Arbeitsteilung produziert, profitiert von der Binarität des Systems, alle die da rausfallen (also alle weiteren Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten) werden entweder in eine männliche oder in eine weibliche Rolle gedrängt. Wenn sie sich nicht reindrängen lassen, werden sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen und leben nur noch am Rande dieser. Diese Unterdrückung ist ein Produkt des Überbaus. LGBTI+ werden nicht spezifisch wegen ihrem LGBTI+ sein in der gesellschaftlichen Produktion ausgebeutet, sondern auf staatlicher, religiöser oder moralischer Ebene unterdrückt (das Argument, dass LGBTI+ die Moral verderben ist allgegenwertig). Die Unterdrückung von LGBTI+ lässt sich jedoch nicht allein mit ihrer Identität erklären. Der wesentliche Faktor ihrer Unterdrückung ist durch ihre Stellung im gesellschaftlichen Arbeitsprozess zu erklären. LGBTI+ sind zu einem Großteil Teil der Arbeiter:innenklasse und werden als Arbeiter:innen ökonomisch ausgebeutet. Der Staat unterdrückt LGBTI+ Personen, weil sie LGBTI+ sind und mit dieser Eigenschaft die geschlechtliche Arbeitsteilung und die bürgerliche Kleinfamilie gefährden können. Durch LGBTI+-Unterdrückung werden sie sogar eher in die Arbeiter:innenklasse reingedrängt und damit sowohl ausgebeutet als auch diskriminiert.

Der Unterdrückungsmechanismus für LGBTI+ heißt Heterosexismus und ist Teil des Überbaus. LGBTI+ Unterdrückung ist also keine ökonomische, sondern eine politisch-ideologische Unterdrückung. Das macht den Kampf für LGBTI+-Befreiung nicht mehr oder weniger wichtig. Das heißt für uns im Endeffekt, dass die LGBTI+ der Arbeiter:innenklasse als Teil der proletarischen Revolution gesehen werden müssen. LGBTI+-Feindlichkeit soll aber genau das verhindern und eine Spaltung der Arbeiter:innenklasse hervorrufen und damit der proletarischen Revolution und somit dem Endziel des Sozialismus schaden.

Bündnis mit den Frauen: LGBTI+ im antipatriarchalen Kampf

LGBTI+-Unterdrückung ist also Teil des Überbaus, hat aber ihre Ursprünge im Patriarchat. Der Kampf für LGBTI+-Befreiung ist ein antipatriarchaler Kampf. Der antipatriarchale Kampf wird maßgeblich von den proletarischen Frauen geführt. Wir erinnern uns: Die Frau wurde als erste versklavt und an Haus, Kinder und an einen einzelnen Mann gebunden. Diese Unterdrückung besteht auch heute noch, sie hat sich durch alle Klassengesellschaften gezogen, aber im Kapitalismus wird dieser Zustand zu einem Widerspruch gemacht. Das Patriarchat will die Frau im Haus halten, um die männliche Erblinie weiterbeibehalten zu können und der Kapitalismus will seinen Profit maximieren. Dazu braucht er viele Arbeiter:innen und kann nicht auf die Hälfte der Weltbevölkerung verzichten. Das drängt die Frau aus dem Haus in die kapitalistische Produktion. Als Arbeiterin wird sie Teil der gesellschaftlichen Produktion und zum ersten Mal seit Beginn der Klassengesellschaften auch Teil einer Klasse und nicht nur deren Besitz. Dieser Widerspruch wird aber nicht aufgelöst, sie wird dadurch doppelt ausgebeutet: Als Frau und als Arbeiterin. Diese doppelte Ausbeutung führt zu einem doppelt so großen revolutionären Potenzial: Sie muss das Patriarchat bekämpfen als Teil der Frauenrevolution und sie muss den Kapitalismus bekämpfen als Teil der proletarischen Revolution. Um den Sozialismus zu erreichen, müssen Frauen- und proletarische Revolution Hand in Hand gehen. 

LGBTI+ sind Teil der proletarischen Revolution, aber auch in der Frauenrevolution spielen sie eine besondere Rolle, nämlich als wichtigste Bündniskraft. Dort wo die Frau begann das Verhältnis der Ehe zu hinterfragen, machen LGBTI+ weiter und hinterfragen die komplette Heterosexualität und Geschlechterbinarität. Sowohl die Frauen als auch LGBTI+ können die geschlechtliche Arbeitsteilung bekämpfen und LGBTI+ haben eine wichtige ideologische Sprengkraft in diesem Kampf: Sie hinterfragen nicht nur die Teilung der Arbeit durch Geschlecht, sondern das komplette System des gesellschaftlichen Geschlechts.

Imperialistische Interessen, Unterdrückung und LGBTI+ mittendrin

Der bürgerliche Staat soll das kapitalistische System aufrecht erhalten durch verschiedene Unterdrückungsmechanismen. Das können zum einen repressive Gesetze sein: Das Transsexuellen Gesetz, das auch immer noch gültig ist und trans Menschen durch bürokratische Hürden daran hindert eine (unkomplizierte) Änderung des Personenstandes (also der Geschlechtseintrag im Personalausweis) vornehmen zu lassen. Das kann aber auch Hetze sein: Die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat noch 2015 Homosexualität mit Inzucht verglichen. Ausbleiben von „Hilfen“: 70 Millionen Euro, die zur Förderung von LGBTI+-Projekten bestimmt waren, hat der Bund einfach so gestrichen, im selben Jahr, in dem die Bundeswehr 100 Milliarden Euro Sofortbonus ausgezahlt bekommen hat. Das sind nur einige von sehr vielen Beispielen, wie ein Staat Menschen unterdrücken kann und spezifisch auch LGBTI+-Personen unterdrückt. Wir dürfen auch die allgegenwertige Polizeigewalt nicht vergessen, die LGBTI+-Personen erfahren. 

Aber macht die neue Ampelregierung nicht alles, um LGBTI+ zu befreien? Nein, sie macht alles, um sich fortschrittlich zu präsentieren: Über Pinkwashing, Versprechen von Reformen, die nie kommen werden und das Ausnutzen von LGBTI+ als Kriegspropaganda ist ihnen jedes Mittel recht, um ihren Imperialismus zu rechtfertigen: Russland will LGBTI+ verbieten? Die NATO-Staaten unterstützen weiterhin den Krieg auf Seiten der Ukraine für LGBTI+-Rechte, obwohl dort Anfang des Jahres trans Personen die Flucht verwehrt wurde, weil sie in den Militärdienst gezwungen werden sollten. Der türkische Faschismus will durch die Polizei die Istanbul Pride zerschlagen? Das ist egal, weil sie die zweitgrößte Armee der NATO haben. LGBTI+-Befreiung wird gerade krass instrumentalisiert, um die eigenen imperialistischen Interessen verfolgen zu können. Und um den Widerstand von LGBTI+-Personen dagegen klein zu halten werfen sie uns Versprechen von Reformen wie Brotkrumen zu, mit denen wir uns zufriedengeben sollen.

Was tun?

Bürgerliche Kräfte wollen, dass wir uns mit diesen Reformen abfinden. Allerhöchstens erfüllen sie die Forderungen der Bewegung nach mehr „Sichtbarkeit“, allerdings nur auf den Verpackungen von Duschgels und Getränken im Pride Month, denn solange der Regenbogen der Profitmaximierung nicht schadet, wird er auf alles draufgeklatscht, was sich verkaufen lässt. Oder werben für sich direkt auf den CSDs. 

Doch wie können wir LGBTI+-Befreiung erreichen? Als LGBTI+ müssen wir uns organisieren und zusammen gegen das heterosexistische System kämpfen. Unsere Befreiung geht Hand in Hand mit der Befreiung der Frau und der gesamten Arbeiter:innenklasse. Und die Zeit sich zu organisieren ist jetzt gekommen. Oslo, Münster, Bratislava: Die Angriffe und Morde in diesen europäischen Städten zeigen uns, dass wir auch hier nicht sicher sein werden, nie sicher waren und wir anfangen müssen unsere LGBTI+-Identität als Thema des politischen Kampfes zu betrachten.

Wir erinnern uns an einen Kommentar am Anfang: „‘Der Kampf gegen *Sache 1, die ich als politisch links orientierte Person irgendwie doof finde* ist immer automatisch auch ein Kampf gegen *Sache 2, die ich als politisch links orientierte Person irgendwie doof finde*…‘ Immer dieselbe Leier, 100% ‚Kampf‘, 0% Differenziertheit“. Den Kapitalismus, sowie LGBTI+-Unterdrückung finden Kommunist:innen nicht „irgendwie doof“. Als Kommunist:innen wollen wir ein Ende der Ausbeutung und Unterdrückung aller Menschen. Das können wir nur als vereinte Arbeiter:innenklasse erkämpfen. Dazu müssen wir die Gesellschaft analysieren und Antworten auf die verschiedensten Unterdrückungen finden. Unsere Antwort finden wir im gemeinsamen Kampf gegen jede Unterdrückung. Warum sollen wir verschiedene Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen voneinander trennen, wenn die Ursache grundlegend dieselbe ist?

„hier geht es um immer noch stattfindende Hassverbrechen und um darauf aufmerksam zu machen. Nicht um Kapitalismuskritik. Vllt mal Instrumentalisierung nachlesen“ Die Hassverbrechen gegen LGBTI+ haben etwas mit Kapitalismus zu tun, weil der Kapitalismus noch heute von der LGBTI+-Unterdrückung profitiert. Unsere Aufgabe sollte es sein, die Zusammenhänge aufzuzeigen, um den gemeinsamen Kampf zu stärken.

Dimensionen des Kampfes

Der erste Kommentar spricht von „100% ‚Kampf‘“ und setzt das Wort in Anführungsstriche. Es mag den Menschen komisch vorkommen beim Gedenken vom Kämpfen zu reden. Gedenken ist schließlich fürs Trauern da. Und die Trauer soll auch kommen, sie soll uns aber nicht lähmen und dazu führen, dass wir nicht auch wütend über diese Verbrechen sein können, dass wir nicht den Willen verlieren, unsere Unterdrückung zu beenden. Und das wollen wir mit dem politischen, ökonomischen und ideologischen Kampf tun. Doch was meinen wir überhaupt mit Kampf?

Die Sozialistin Kutsiye Bozoklar hat diese Frage schon für uns beantwortet. Als Teil des revolutionären Kampfes gegen den Faschismus wurde sie bei einer Aktion angeschossen und verletzt und lebt seitdem im Rollstuhl. 

„Es gibt zwei Welten. Der Kampf, den wir führen findet zwischen dem Alten und dem Neuen statt. Jede:r Einzelne muss in diesem Kampf Partei ergreifen. Wenn wir davon sprechen, die alte Welt zu zerstören und „die Welt zu verändern“, existieren Kämpfe für uns in allen Lebensbereichen. Kampf bedeutet Auseinandersetzung. Jede:r Einzelne, der sich auf den Weg zur Erschaffung einer neuen Welt macht, setzt sich auch für den Kampf ein, entsprechend dem Platz, den er im Leben selbst einnimmt. Die Waffen derer, die den Kampf führen, verfügen in diesem Kampf über andere Waffen. Der Kampf findet sich in allen Bereichen statt. Drinnen, draußen, in der Fabrik, auf dem Feld, in den Städten mit Waffen in der Hand, auf den Barrikaden, in den Bergen. Wir tun alle all das, was unsere ‚Arbeit‘ erfordert. Wo immer der Kampf gebraucht wird, genau dort existieren wir. Doch es darf nicht vergessen werden, dass in diesem Kampf jede:r andere Waffen besitzt. Die Poesie des Dichters wird zur Waffe, die Fotografie des Fotografen, das Gemälde des Malers. Wichtig ist, sich aktiv am Kampf zu beteiligen. Egal in welchem Bereich. […] Aktion und Kunst vermitteln das Wesen des neuen Menschen. Ein:e Revolutionär:in ist jemand, der sich und seine Arbeit ernst nimmt. Ich nehme meinen Job ernst. Unsere Aufgabe ist es den neuen Menschen zu erschaffen. Es ist eine neue Ästhetik und marschiert hartnäckig in Richtung Sozialismus. Es geht darum, Widerstand zu leisten und der Rebellion Hoffnung zu geben. Sich an der Schaffung des Neuen als Teil dieser Hoffnung zu beteiligen, bedeutet, mitten im Kampf zu stehen.“ (https://young-struggle.org/aus-der-feder-der-sozialistin-kutsiye-bozoklar-kampf/

Unser Kampf bedeutet nicht nur, wie Ivana Hoffmann oder Okan Altunöz das Leben und die Freiheit mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Wenn man nur daran denkt, dann klingen die Social Media Posts, in denen wir über den Kampf reden, tatsächlich lächerlich. Wir wollen eine neue Welt schaffen und damit müssen wir in jedem Bereich unseres Lebens anfangen: bei uns selbst, in der Familie und bei Freunden und letztlich auch auf der Straße. Dazu müssen wir entschlossen sein unsere materiellen Umstände verändern zu wollen. Um unsere materiellen Umstände verändern zu können, müssen wir wissen, was wir bekämpfen wollen. Wir als LGBTI+-Personen können uns nicht befreien, wenn wir diese Kämpfe, also diese Auseinandersetzungen, nicht führen. 

Marsha P. Johnson, Sarah Hegazi, Ivana Hoffmann und Okan Altunöz haben schon erkannt, dass LGBTI+ in den Widerstand gehören. Lasst uns unsere Rolle in der Revolution schon heute einnehmen. Wir werden weiterhin Gerechtigkeit für Ella, Malte und alle anderen Opfer von LGBTI+ feindlicher Gewalt fordern und auch erkämpfen. Es lebe die LGBTI+-Befreiung, es lebe die Befreiung der Arbeiter:innenklasse, es lebe der Sozialismus!