Nach etwa einem Monat Verhandlungszeit haben SPD, Grüne und FDP heute in Berlin ihren neuen Koalitionsvertrag für nächsten 4 Jahre vorgestellt. Das neue Papier, dass den Titel „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ trägt, wurde dabei von den Beteiligten selbst in den höchsten Tönen gelobt, sie sprechen von einem Neuanfang für Deutschland und einem Aufbruch in eine neue Zeit. Zwar wird sich mit der Politik der neuen Regierung auf den ersten Blick einiges ändern, doch eine Zeitenwende sieht anders aus. Eine Lösung für die Probleme unserer Zeit verspricht der Koalitionsvertrag schon gar nicht.
Bereits vor Beginn der Verhandlungen haben die Parteien verschiedene Bedingungen gestellt, die sich mit etwas nachdenken kaum miteinander vereinen lassen. Die FDP wollte, wie immer, vor allem der Wirtschaft mehr Freiheiten einräumen und keine Steuererhöhungen oder neue Staatsschulden aufnehmen. Dem entgegen stand die Forderung der Grünen, die als einzige wirkliche Bedingung an eine Koalition hatten, dass die Klimaschutzziele aus dem Pariser Klimaabkommen eingehalten werden. Was nun am Ende rausgekommen ist, ist ein bisschen mehr Klimaschutz und wo es geht Liberalisierung, Privatisierung und die Hoffnung auf private Investitionen.
Durch die Klimakrise ist sowohl hier, als auch weltweit die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen bedroht. Mit den Grünen ist nun eine Partei an der Regierung, deren Wahlerfolg vor allem auf die Stärke der Klimagerechtigkeitsbewegung, allen voran Fridays for Future, zurückzuführen ist. Schon früh hat die Partei sich in die Bewegung eingezeckt und versucht mit Versprechungen auf ihrem Rücken auf Stimmenfang zu gehen. In der neuen Regierung haben sie nun die Chance dazu ihre großen Worte in die Tat umzusetzen. Aber was bisher im Koalitionsvertrag zu lesen ist für jede:n Klimaaktivist:in, dem:der die Lage bewusst ist, und für alle von der Klimakrise betroffenen Menschen jedoch ein Schlag ins Gesicht. Den Versprechungen das 1,5 Grad Ziel einzuhalten ist zwar ein Klimaausstieg bis „idealerweise 2030“ gefolgt, viel mehr jedoch nicht. Um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten, müssen bis 2030 alle CO² Emissionen auf Null sein. Die neue Regierung plant jedoch erst ab 2035 das Ende der Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotor, 80% Prozent erneuerbare Energien bis 2030, und statt Unternehmen, die die Umwelt verpesten, die Rechnung dafür tragen zu lassen, bekommen diese kaum Auflagen. Auch durch CO²-Emissionshandel wird kaum ein Unternehmen weniger Abgase produzieren. Die Hoffnung darauf, dass die Klimakrise doch noch abgewendet werden kann, beruht darauf, dass die Forschung neue Erkenntnisse hervorbringt und Kapitalisten in noch nicht existente Technologien investieren sollen. Uns sollte klar sein: Im Kapitalismus wird die Klimakrise nicht gelöst werden können. Der Zwang zur Profitmaximierung lässt sich nicht mit dem Schutz unserer Lebensgrundlage vereinen! Die soziale Frage findet keine Beachtung: Bahnfahren bleibt weiterhin teuer, durch die Teilprivatisierung wird sich die Lage hier zudem weiter verschlechtern, durch CO²-Steuern werden statt Unternehmen vor allem Arbeiter:innen belastet.
Und auch sonst werden sich die Klassengegensätze durch die Politik der neuen Regierung in Zukunft weiter verschärfen. SPD und Grüne haben 2005 das menschenverachtende Hartz IV-System eingeführt und sie sind heute, gut 16 Jahre später mit der Forderung eben dieses System abzuschaffen in den Wahlkampf gezogen. Hartz IV hat Tausende von Menschen in unsichere, schlecht bezahlte Minijobs gebracht. Diejenigen, die arbeitslos sind haben zu wenig zum Leben, werden vom Jobcenter ohne einen Blick auf die Fähigkeiten der Menschen in Maßnahmen und Jobs gedrängt und an ihrer Situation hat sich meist nichts geändert. Statt das System abzuschaffen haben die Koalitionsparteien es jedoch einfach in „Bürgergeld“ umbenannt, die Hauptkritikpunkte an dem System bleiben weiterhin erhalten. Und auch sonst wird die neue Regierung weiterhin klassenfeindliche Politik betreiben. Durch neue Gesetze soll es zukünftig möglich sein mit der Rente am Kapitalmarkt zu zocken, statt die Reichen für die aktuelle Krise zahlen zu lassen bleiben die Kosten bei denjenigen, die ohnehin schon schlecht dran sind. Die Kapitalisten können sich zurücklehnen und weiter Millionen verdienen wie bisher. Ein Punkt, der zur Entschärfung der Klassengegensätze immer wieder genannt wurde, und der ein zentrales Element des Koalitionsvertrags ist, ist die Herstellung von Chancengleichheit und mehr Aufstiegschancen. Damit führen sie die liberale Märchengeschichte des Aufstiegs durch Bildung fort und lassen dabei außenvor, dass in einer Gesellschaft, die auf Klassengegensätzen beruht ein Aufstieg aller weder gewünscht noch möglich ist. Wenn das Ziel des Aufstiegs ist Privateigentum und Produktionsmittel anzuhäufen ist klar, dass auf der anderen Seite Menschen für diesen Aufstieg schuften müssen. Für all diese Menschen bleibt der Aufstieg eine nicht zu erreichende Realität. Gute Lebensbedingungen für alle gibt es nicht durch Chancengleichheit und soziale Aufstiege, sondern nur durch eine Aufhebung der Klassen.Doch all diese Probleme interessiert die neue Regierung wenig, stattdessen wird von den selbsternannten „Friedensparteien“ SPD und Grüne durch die Anschaffung von bewaffneten Drohnen und ein Ende der grundsätzlichen Ablehnung des Atomwaffenverbotsvertrags eine weitere Militarisierung vorangetrieben. Ruhiggestellt werden soll die Bevölkerung mit gesellschaftspolitischen Maßnahmen wie der Abschaffung des §219a und des sogenannten „Transsexuellengesetzes“ oder die Legalisierung von Cannabis.
Auch wenn die Parteien und die bürgerliche Presse versuchen die Ergebnisse als einen Erfolg darzustellen, die Probleme und Fragen unserer Zukunft, vor denen wir als Jugendliche, Arbeiter:innen, Frauen und LGBTI+ Personen stehen, können durch dieses System weder beantwortet noch gelöst werden. Weder die Gutmütigkeit irgendwelcher Kapitalisten, noch irgendwelche liberalen Wunschversprechen können uns befreien, wir können es nur selbst tun, indem wir uns organisieren und auf den Straßen für unsere Rechte kämpfen!