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Niger: Coup d’Etat oder Revolution? 

Am 26. Juli 2023 blickte die Welt nach Niger. Voller Hoffnung auf ein Ende des Neo-Kolonialismus beobachten Afrikaner: innen weltweit die Nachrichten, sowie die internationale Reaktion auf das, was am 26. Juli in Niger geschah. Die westliche Welt betrachtet es als einen autoritären Sturz der Demokratie, während das nigerische Volk französische Fahnen verbrennt, und das Militär die französischen Truppen zum Rückzug auffordert. Doch ist das, was in Niger passiert, eine Revolution oder ein Coup d’etat? 

Am Mittwoch, dem 26. Juli 2023 stürmten Truppen des nigerischen Militärs den Präsidentenpalast und nahmen Präsident Mohamed Bazoum in ihre Gefangenschaft. Dieser Machtumbruch, welcher durch General Abdourahamane Tiani, welcher ehemals Kopf der Präsidentengarde war, geführt wurde, stellt die westafrikanischen Länder vor viele Entscheidungen. Eine Gruppe an Militärs hat sich zur Übergangsregierung erklärt und steht unter der Führung von Tiani. Nach diesem Umbruch hat Niger den Export von Uran, welches für den Westen einen wichtigen Rohstoff darstellt, eingestellt. Das Mineral wird vor allem für die Herstellung von Atomenergie genutzt. Doch nicht nur das: Dem französischen Militär wurde die Operationsgrundlage in Niger genommen und es soll aus dem Land abreisen. Doch das französische Militär weigert sich, diesem Befehl zu folgen und nimmt nur Entscheidungen der Bazoum-Regierung an. Aus diesem Grund ziehen die französischen Truppen bisher nicht ab. 

Gleichzeitig forderten die westafrikanischen Länder der Economic Community of West African States (ECOWAS) die Wiederherstellung der bürgerlichen Demokratie in Niger, sowie die Wiedereinstellung von Präsident Bazoum bis zum 06.08.2023. Die ECOWAS Staaten äußerten, dass falls dem nicht nachgekommen wird, es auch zu einer militärischen Intervention kommen könnte. Senegal sicherte außerdem zu, dass es seine Truppen in diesem Fall nach Niger senden wird. Es stellt sich also auch die Frage, ob es zu einem Krieg in der Region kommen wird. Gleichzeitig hält Frankreich sich zurück und äußerte sich nur schwammig zu der hypothetischen militärischen Auseinandersetzung. Auch nach dem Ablauf der Frist gibt es noch keine neuen Informationen zum weiteren Handeln der ECOWAS. Frankreich hat jedoch jegliche humanitäre Hilfe an Burkina Faso gestrichen, weil das Land den Umsturz in Niger unterstützt.

Während die pro west-französischen Staaten der ECOWAS von einem Coup d’etat sprechen und ihre Kräfte auch auf eine militärische Auseinandersetzung vorbereiten, sprechen pro-russische Staaten in der Sahel Region ihre Unterstützung aus. Burkina Faso und Mali unterstützen die neue Politik in Niger. Auch in Burkina Faso und Niger kam es zu einem Machtumbruch, der dazu führte, dass das Militär in beiden Ländern die Regierung bildet und pro-russische Politik betreibt, sowie Frankreich aus den Ländern drängt.

 Der Neokolonialismus in Afrika

Dass Frankreich seine koloniale Politik auch nach den verschiedenen Unabhängigkeitskämpfen in Afrika weiter betreibt, ist offensichtlich. In fast allen westafrikanischen Staaten, die ehemals französische Kolonien bildeten, herrscht heute noch die koloniale Währung Frankreichs, der Franc de la Coopération Financière en Afrique (CFA). Bis heute müssen die afrikanischen Staaten, die den CFA nutzen, die Hälfte ihrer Devisenreserven in die französische Staatskasse einzahlen. Die Neo-Kolonialen Regime, die nach den Unabhängigkeitskämpfen durch den westlichen Imperialismus und seine Interessen eingesetzt wurden, sind uns bekannt.

In Kongo war es Patrice Lumumba, der das Land zu Unabhängigkeit von Belgien geführt hat und dafür von der CIA und Belgien ermordet wurde. Das Einzige, was von ihm übrig, blieb waren seine Zähne, die Belgien als Trophäe behielt, sowie ein Land welches trotz hoher Bodenschatzaufkommen weder wirtschaftlich noch politisch stabil ist. In Togo wurde die Unabhängigkeit von Frankreich durch Sylvanus Olympio angeführt. Dieser wurde durch Frankreich ermordet und nach ihm wurde durch das Militär die Gnassingbé Familie ins Amt gesetzt, die seit über 50 Jahren die politische Macht innehat und Politik im Interesse Frankreichs verfolgt. In Burkina Faso wurde Thomas Sankara durch Frankreich ermordet, welcher das Land in kürzester Zeit stabilisierte, medizinische Versorgung für Kinder auf ein Rekordhoch brachte und das Land vom Analphabetentum befreite. Dass die afrikanischen Massen sich in vielen Ländern nun gegen den westlichen Imperialismus und Neokolonialismus erheben gibt Afrikaner:innen weltweit Hoffnung. 

Doch worin ist diese Hoffnung begründet? 

Die verschiedenen politischen Führer, die in der jüngsten Geschichte einen Machtumbruch in Afrika bewirkt haben, wie Ibrahim Traore in Burkina Faso oder Assimi Goïta in Mali, setzten den Hass der Bevölkerung gegen den westlichen Imperialismus immer wieder in den Fokus. Ibrahim Traore spricht öffentlich davon, dass die Zeit der Unterjochung Afrikas in Bezug auf Frankreich vorbei ist und Afrikaner:innen gegen den Imperialismus kämpfen müssen. Auch in Niger verspricht die neue Militärregierung unter Tiani, das Land effizient vom politisch islamischen Terror zu befreien und keine Politik im französischen Interesse zu führen. 

Denn Niger ist eines der ärmsten Länder weltweit. Unter anderem liegt der Zugang zu Trinkwasser bei 16 %, außerdem hat die Bevölkerung mit Mangelernährung zu kämpfen. Dies sind jedoch nur einige Punkte, die die Armut des Landes aufzeigen. Niger hat ein hohes Aufkommen an Uran, welches für den nuklearen Energiesektor weltweit, aber vor allem für Frankreich wichtig ist. So besitzt der französische Atomkonzern Orano mehrere Uranminen in Niger. Die Profite, die mit den Mienen gemacht werden, fließen direkt in die Hände Frankreichs und nicht in die nationale Wirtschaft Nigers. 

Ja, Afrika braucht eine sozialistische Revolution, um sich vom Joch des Neokolonialismus befreien zu können, doch wie kommen wir zu dieser Revolution? 

Dass in Niger, Burkina Faso und Mali eine starke Position gegen den westlichen Imperialismus vorzufinden ist, ist zu begrüßen, jedoch fehlt der neuen Regierung eine revolutionäre Perspektive. Obwohl, wie oben schon gesagt, die neue Regierung in Niger, aber auch in Burkina Faso und Mali, sich mit revolutionären Phrasen schmückt, lässt sich leicht erkennen, dass es für Niger keine revolutionäre Strategie seitens dieser Regierung gibt. Das bedeutet nicht, dass die Haltung gegenüber Frankreich und dem westlichen Imperialismus keine progressive Haltung ist. Den Neokolonialismus zu bekämpfen, muss jedoch mit einer revolutionären Strategie und der sozialistischen Revolution geführt werden, in der die proletarischen und bäuerlichen Massen die Macht über die Produktionsmittel, also auch über das Uran Aufkommen, die Fabriken und so weiter ergreift. 

Aus der Geschichte lernen

Historisch betrachtet hat schon Enver Hoxha erkannt, dass damals die sozialimperialistische Sowietunion unter Chruschtschew in Afrika, Asien und Lateinamerika die Mittel des US-Imperialismus für sich genutzt hat. In seinem Werk „Imperialismus und Revolution“ schrieb er bereits 1978: „Wie die übrigen imperialistischen Staaten kämpft die Sowietunion jetzt um neue Absatzmärkte, um Einflusssphären, […] sie kämpft dafür […] ihren Neokolonialismus auf Afrika, Asien, Lateinamerika und auf anderen Zonen zu erstrecken.“ Für diese Interessen nutzte der Sowietische Revisionismus Putsche und Komplotte in Äthiopien, Angola und Kuba. 

Und auch das heutige Russland, welcher ein imperialistischer, also monopolkapitalistischer Staat ist, nutzt Putsche, Aggression und Komplotte, um seine Einflusssphären zu erweitern. Niger ist ein Land voller Rohstoffe, die für die Monopole der Weltindustrie von Notwendigkeit sind. Das erkennt nicht nur Frankreich, sondern auch der russische Imperialismus. Das russische Söldner-Militär der Wagner Gruppe ist in vielen Ländern Afrikas stationiert, um bei der Bekämpfung verschiedener politisch islamischer Terrorgruppen zu helfen, so auch in Mali. 

Bei einem Treffen in Mali, durch Salifou Mody, bat die neue Regierung in Niger, Wagner auch um Unterstützung. Gleichzeitig applaudierte der Wagner CEO Prigoschin dem Machtumbruch in Niger. Doch nicht nur das: Russland sicherte Burkina Faso, Zimbabwe, Mali und weiteren Staaten kostenlose Getreidelieferungen zu. Die afrikanischen Länder brauchen keine kostenlosen Nahrungslieferungen, sondern das nötige Equipment, um ihre Produktion selbst in die Hand nehmen zu können und nicht mehr von ausländischen Exportmitteln angewiesen zu sein. Thomas Sankara sagte dazu: „Diejenigen, die mit Weizen, Hirse, Mais oder Milch kommen, helfen uns nicht. Diejenigen, die wirklich helfen wollen, können uns Pflüge, Traktoren und Düngemittel, Insektizide, Gießkannen, Bohrer, Dämme geben. So würden wir Nahrungsmittelhilfe definieren.“ Russland ist nicht der Freund Afrikas, sondern ein weiterer imperialistischer Staat, der seine Macht auf dem Kontinent festigen will.

Also doch ein Coup und keine Revolution? 

„Der Staat ist das Produkt und die Äußerung der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze“, das sagte Lenin in Staat und Revolution 1917, und es ist auch heute noch aktuell. Der Staat setzt sich in der kapitalistischen Produktion aus stützenden Armen der Bourgeoisie zusammen. Er dient also dazu, den Reichtum einer Handvoll Menschen zu maximieren, während der Großteil der Gesellschaft unterdrückt und ausgebeutet wird. Erst wenn die Mehrheit der Gesellschaft, also die werktätigen Massen, die Produktionsmittel ergriffen haben, ist es ein Staat, welcher für die werktätigen Massen arbeitet und aufhört, die Mehrheit der Gesellschaft zu unterdrücken. In Niger haben die Massen die Produktionsmittel nicht ergriffen, haben nicht selbst den Sturz des französischen Neokolonialismus herbeigeführt und sich vom Joch des kapitalistischen Systems befreit. Nein, es waren mehrheitlich Angestellte des französischen Neokolonialismus, die nun einen prorussischen Kurs fahren, welche die politische Macht übernommen haben. Auch wenn Teile der Bevölkerung sich nicht gegen die neue Regierung stellen bildet diese nicht eine revolutionäre Vorhut, die den Willen der Massen auf jeder Ebene widerspiegelt. 

Zur Frage der revolutionären Vorhut hat Stalin geschrieben: „Daraus folgt die Notwendigkeit einer neuen Partei, die kühn genug ist, die Proletarier in den Kampf um Macht zu führen […]“. Wo ist diese Partei in Niger? Wer führt den Klassenkampf dort zum Sieg? Ganz sicher nicht eine Gruppe an Militärs, welche geschult darin ist, die Interessen der Bourgeoisie zu verteidigen.

 Dadurch, dass im Zuge der Unabhängigkeitsbewegungen der 1960er Jahre die revolutionären Organisationen und ihre Kader: innen zerstört und ermordet wurden, fehlt es auch heute an revolutionären Organisationen, die sozialistische Revolutionen auf dem Kontinent anführen können und die Massen des afrikanischen Proletariats auf dem Weg in die Freiheit organisiert. Auch wenn die revolutionären Kräfte heute schwächer sind als in den 1960er Jahren haben wir jeden Grund zur Hoffnung. Die Werktätigen der Welt erkennen von Tag zu Tag ihre Unterdrückung klarer und organisieren sich dagegen. Die Ketten des Imperialismus werden brechen! 

Es ist klar, dass weder der westliche Imperialismus, voran der französische und US-amerikanische, noch der Imperialismus Russlands eine Lösung für Niger und Afrika ist. Solange unsere Brüder und Schwestern in Niger hungern müssen, in Uganda durch LGBTI+ feindliche Gesetzte unterdrückt werden, oder in Südafrika die Femizid-Rate steigt, können wir nicht von Freiheit sprechen. 

Für die Freundschaft und Einheit der Völker! Es lebe die sozialistische Revolution!