Im folgenden könnt ihr eine Übersetzung eines Artikels des Nachrichtenportals Etha lesen, welcher den Aufstand in Rojhilat und dem Iran analysiert und bewertet. Den türkischen Artikel findet ihr unter http://etha47.com/haberdetay/arif-celebi-yazdi-rojhilat-kurdistani-ve-iranda-serhildan-devrimimizin-uc-belirtisi-166014
Eine junge Frau aus Rojhilat, Mahsa Amini (Jîna Emînî), wurde von politisch islamistischen, faschistischen iranischen Staatskräften ermordet, weil sie ihr Haar nicht vorschriftsmäßig bedeckt hatte. Der Zorn des Volkes war groß. Die Proteste, die in Rojhilat begannen, entwickelten sich zu einem Feuer der Revolte im gesamten Iran. Die Angst vor den politisch islamistischen faschistischen Staatskräften wurde durch den Mut des geeinten Volkes ersetzt. Frauen und Kurden:innen standen an der Spitze und waren die treibende Kraft des revolutionären Aufstandes.
Das Licht des anhaltenden Volksaufstands hat drei weitere Zeichen unserer Revolution im Nahen Osten sichtbar gemacht:
1) Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Frauenrevolutionen sein. Überall auf der Welt nehmen Frauen mit einem neuen Bewusstsein den Kampf für Gleichberechtigung und Freiheit auf. Einerseits werden immer mehr Frauen in das Erwerbsleben einbezogen, und eine größere Zahl von Frauen wird für diesen Bedarf ausgebildet; andererseits sind von Armut, Hunger, Elend und Arbeitslosigkeit in erster Linie Frauen betroffen; andererseits nehmen die traditionelle sexuelle Unterdrückung und die Gewalt gegen Frauen zu.
Die Freiheit und Gleichstellung der Geschlechter, sowohl in der Arbeitswelt als auch im Alltag, ist zu einem Ziel geworden, das nicht auf die Zukunft verschoben werden kann, das nicht aufgegeben werden darf und das in erster Linie für alle Frauen, insbesondere für erwerbstätige Frauen, erreicht werden muss. In politisch islamistischen Staaten wie dem Iran sind die traditionellen Beschränkungen für Frauen durch den Staat wesentlich strenger geworden. Selbst die gewöhnlichen Einwände der Frauen im Iran gegen die männliche Vorherrschaft erfordern einen Konflikt mit dem Staat. Der Kampf für die Befreiung der Frauen im Iran hat allen Teilen der Bevölkerung, die gegen das politisch islamistische, faschistische Mullah-Regime wütend sind, einen Weg der Rebellion eröffnet. Frauen, die den Kampf für die Freiheit und Gleichstellung der Geschlechter aufgenommen haben, führen den Kampf für politische Freiheit und soziale Befreiung an. Die existenzielle Krise des Kapitalismus und die bürgerlich-staatliche Unterdrückung, die durch die männliche Herrschaft verstärkt wird, machen vor allem den Frauen das Leben zur Hölle.
In den Ländern des Nahen Ostens, in denen der politische Islam vorherrscht, sind die Bedingungen noch viel strenger und unerträglicher. Nur eine Frauenrevolution kann aus dieser Hölle herauskommen. Der Kampf um die Befreiung der Frauen offenbart dieses Bewusstsein jeden Tag mehr. Die Frauenrevolution ist nicht nur eine Revolution der Frauen. Sie ist der Dünger für den Kampf um politische Freiheit und soziale Befreiung. Die Widersprüche zwischen den Klassen und den Geschlechtern sind wie nie zuvor miteinander verwoben. Die Mahsa-Rebellion, die in Rojhilat begann und sich über den ganzen Iran ausbreitete, hat diese Realität einmal mehr deutlich gemacht.
2) Gab es vor der Mahsa-Revolte eine revolutionäre Situation in Rojhilat und im Iran? Aus traditioneller Sicht lautet die Antwort „nein“. Wie haben sich also die Völker von Rojhilat und Iran erhoben? Wer sagt: „In der Türkei gibt es eine revolutionäre Situation“, wird sofort gefragt: „Wo ist sie?“. Diese Art der Reaktion ignoriert die sich verändernden sozialen Bedingungen. Der kapitalistische Imperialismus befindet sich in einer existenziellen Krise. Es handelt sich nicht um eine gewöhnliche Wirtschaftskrise, sondern um eine politische und ideologische Krise. Die bürgerliche Gesellschaft hat das Ende ihres historischen Lebens erreicht, und die Elemente dieser Krise sind nichts anderes als die Symptome dieses Sterbens.
Die Tatsache, dass sich der kapitalistische Imperialismus in einer existenziellen Krise befindet, bedeutet, dass die Bourgeoisie ihre Fähigkeit verloren hat, sowohl für sich selbst als auch für Frauen und Jugendliche eine Zukunft zu schaffen. Die Monopolbourgeoisie sieht den einzigen Weg zum Überleben in der Intensivierung der Ausbeutung. Das bedeutet, dass die arbeitenden Klassen im Strudel von Arbeitslosigkeit und Armut zunehmend Hunger leiden müssen. Dies ist eine objektive Notwendigkeit. Anders kann der Kapitalismus nicht überleben. Sie kann ihre Existenz nicht durch Zugeständnisse an die Arbeiter:innen- und Angestelltenklassen sichern, sondern durch die Steigerung der Ausbeutung.
Sowohl die Bourgeoisie als auch die Arbeiter:innenklasse und die werktätigen Klassen, insbesondere ihre jüngeren Generationen, verlieren allmählich die Möglichkeit, auf der Grundlage von Kompromissen zu manövrieren. Diese Situation verschärft unweigerlich die Widersprüche und erzwingt eine revolutionäre Lösung. Auch die Bourgeoisie sieht die Bedrohung durch diese revolutionäre Lösung und baut daher den Staat entsprechend dieser Bedrohung um.
Im Falle der Finanz- und Wirtschaftskolonien ist diese Realität sogar noch krasser, da diese Staaten in dem Maße am Weltmarkt teilhaben können, wie sie für die Weltmonopole ein Hort billiger Arbeitskräfte sind. Die verschärfte Ausbeutung und die verschärfte staatliche Repression bedingen sich gegenseitig.
Das bedeutet, dass der Boden, der die arbeitenden Klassen und die Bourgeoisie zusammenhält, bricht. Dies ist ein rein objektives Ergebnis. Der Boden der bürgerlichen Gesellschaft, auf dem die werktätigen Klassen, insbesondere die Frauen und die Jugend, stehen können, zerbricht, zerfällt und zerfällt Tag für Tag. Dies schafft und stärkt den objektiven Boden für die revolutionäre Situation.
Die revolutionäre Welle in Rojhilat und Iran hat dies einmal mehr bewiesen. Ein Funke wird im Handumdrehen zu einem Feuer. Dennoch handelt es sich um ein spontanes Bewusstsein. Im Zentrum der Aufmerksamkeit sollte das spontane Bewusstsein stehen, das sich in Sprüngen bildet und zu einer Form des Aufbegehrens wird. Die revolutionäre Situation kann nur dann zu einer Revolution führen, wenn das revolutionäre Bewusstsein zum organisierten Massenbewusstsein wird.
3) Ohne die kurdische nationale Befreiung und die Revolution in Kurdistan zu berücksichtigen, kann man nicht über die Revolution im Iran, in der Türkei, in Syrien oder im Irak sprechen. Die kurdische Nation ist die revolutionärste Dynamik in diesen vier Ländern. Die Revolutionäre der souveränen Nationen dieser vier Länder, die sich nicht mit der kurdischen Nation vereinigen, können nicht einmal demokratische Rechte, geschweige denn eine Revolution erreichen. Die Türkei und der Iran sind die deutlichsten Beispiele dafür. Das koloniale Joch macht faschistische Unterdrückung und Terror notwendig.
Wenn sich die Revolutionäre der souveränen Nation nicht mit der kurdischen Nation gegen die koloniale Unterdrückung vereinen, können sie im Kampf gegen die faschistische Unterdrückung und den Terror keinen Erfolg haben. Außerdem werden diejenigen, die sich nicht mit dem kurdischen nationalen Befreiungskampf vereinen, in die Hände der herrschenden nationalen Bourgeoisie fallen. Wenn der kurdische nationale Befreiungskampf für die Kurden eine Frage der nationalen Freiheit ist, so ist er für das Proletariat der souveränen Nation und seine revolutionären Avantgardekräfte eine Frage des Kampfes gegen den Faschismus und auf dieser Grundlage eine Frage des Klassenkampfes.
Es ist eine unrealistische Behauptung, dass der Kampf gegen den Faschismus geführt werden kann, indem man den Kampf gegen den Kolonialismus ignoriert. Die Mahsa-Revolte ist das anschaulichste Beispiel dafür. Rojhilat-Kurdistan wurde zur Wiege der Rebellion. Das Feuer des Serhildan, das sich von dort aus ausbreitete, hat den gesamten Iran verschlungen. Das ist nicht überraschend. Die Errichtung von Rojhilat als Bastion des Widerstands gegen die faschistische Mullah-Diktatur im Iran, die fast 40 Jahre Guerillakampf und Volksserhildans in Bakurê, die seit 10 Jahren andauernde Rojava-Revolution und die nationalen Errungenschaften in Başûrê sowie der Verrat in allen Teilen Kurdistans haben neue Horizonte im kurdischen Volksbewusstsein eröffnet. Das Bewusstsein des kurdischen Volkes ist freier geworden als je zuvor. Der nationale kurdische Befreiungskampf ist heute der mächtigste Hebel unserer vereinten Revolutionen in der Türkei und im Iran. Die kurdischen Frauen und Jugendlichen sind die dynamischsten Sektoren unserer Revolutionen. Bei der Mahsa-Revolte wurde diese Realität auf eindrucksvolle Weise deutlich.