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Safe Abortion Day: Abtreibungen, Verfolgung, Tod, Kampf

Jedes Jahr sterben weltweit mehr als 22.800 Frauen und Mädchen an den Folgen eines sogenannten unsicheren Schwangerschaftsabbruchs. Und das sind gerade mal die offiziellen Zahlen, wir können sehr stark davon ausgehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Damit ist diese Art der Abtreibungen einer der Hauptgründe für Müttersterblichkeit. Unsichere Schwangerschaftsabbrüche bezeichnen Abtreibungen, die auf nicht legalem Wege durchgeführt werden können, und werden insbesondere – aber nicht ausschließlich – in Ländern durchgeführt, in denen der Abbruch einer Schwangerschaft unter Strafe steht. Etwa die Hälfte aller Schwangerschaftsabbrüche sind unsichere Abbrüche und somit potenziell lebensgefährlich. Es ist längst klar, dass das Verbot von Abtreibungen nicht zu weniger Schwangerschaftsabbrüchen führt, sondern Betroffene in die Illegalität drängt. Während in den letzten Jahren in einigen Ländern, wie Mexiko und Argentinien eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts erkämpft wurde, lässt sich gleichzeitig in vielen Ländern eine Verschärfung der repressiven Gesetzeslage durch den Einfluss Reaktionärer und Faschisten beobachten.

Allein in Nigeria sterben laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich rund 6.000 Frauen an unsicheren Abtreibungen. Zehntausende leiden an den gesundheitlichen Schäden, die dieser Eingriff bei ihnen hinterlassen hat. Dort können abtreibende Personen mit bis zu 7 Jahren Haft belangt werden, der durchführende Arzt mit bis zu 14 Jahren. Ein Gesetz, welches aus der Kolonialzeit stammt: Ein Abbruch ist nur möglich, wenn die schwangere Person in akuter Lebensgefahr sschwebt. Im Falle von Vergewaltigungen oder sonstigen gesundheitlichen Risiken ist der Abbruch weiterhin untersagt. Doch wieso muss es überhaupt erst so weit kommen, damit Frauen ein Mindestmaß an körperlicher Selbstbestimmung zugesprochen wird? Der letzte Funken Selbstbestimmung den sie haben, bringt sie an den Rand des Lebens und in Situationen, welche sie ihre Gesundheit und ihr Leben kosten können.

Aktuell sind 17 Frauen in El Salvador inhaftiert, weil sie abgetrieben oder eine Fehlgeburt erlitten haben. Viele von ihnen wurden vom Gesundheitspersonal bei der Polizei angezeigt. So auch Cinthia Marcela Rodriguez Ayala. Sie erlitt 2008 eine Fehlgeburt. Zu diesem Zeitpunkt war sie im achten Monat schwanger und hatte sich dazu entschieden, das Kind zu bekommen. Ihre Nachbarin bringt die blutüberströmte Schwangere ins Krankenhaus, nachdem diese sie um Hilfe bat. Als sie aufwacht, ist Cinthia gefesselt. Eine Krankenschwester hatte sie wegen illegaler Abtreibung angezeigt. An dieser Stelle fordern wir die Freiheit für alle gefangene Frauen, die aufgrund einer Abtreibung oder einer Fehlgeburt in Haft sitzen!

Im katholisch geprägten Brasilien weigern sich viele Ärzt:innen sogar, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, auch wenn diese sich im rechtlichen Rahmen bewegen. So spalten der kapitalistische Staat und die Kirche die Klasse der Arbeiter:innen und hetzen Frauen gegeneinander auf. Das liegt daran, dass der bürgerliche patriarchale Staat die Frauensolidarität brechen will. Wir sehen aber an viele Frauenorganisationen, die sich dieser Hetze entgegenstellen und Frauen eine Abtreibung ermöglichen, sie dabei begleiten und unterstützen.

Auch in der sogenannten westlichen Welt, welche sich mit ihren Erfolgen zum Thema Menschenrechte rühmt, sind Abtreibungsgesetze extrem verschärft worden. Mit der Aufhebung von Roe v. Wade durch den Supreme Court wurde in den Vereinigten Staaten der Weg für die massive Verfolgung von Abtreibungen auf Ebene der Bundesstaaten bereitet. In zwölf Bundesstaaten wurden Schwangerschaftsabbrüche seitdem fast vollständig verboten: Alabama, Arkansas, Idaho, Kentucky, Louisiana, Mississippi, Missouri, Oklahoma, South Dakota, Tennessee, Texas und West Virginia.

In Polen herrscht seit 2020 das strengste Abtreibungsrecht in Europa. Eine Abtreibung zählt als die Tötung eines Staatsbürgers und wird dementsprechend behandelt. Jährlich werden laut offiziellen Angaben ungefähr 100 Abtreibungen durchgeführt, die Dunkelziffer liegt jedoch mit rund 50.000Abtreibungen deutlich höher. Auf das in Kraft treten folgte eine große Protestwelle in Polen und ganz Europa. Doch die bürgerlich angeführte Bewegung offenbart schnell ihr wahres Gesicht: in den folgenden Monaten und Jahren verschiebt sich der Fokus der Demonstrationen von der körperlichen Autonomie der Frau zu Zuschüssen für Start-Ups und ähnlichem. Die enorme Einschränkung der Autonomie der Frauen tritt damit angesichts der pandemie-bedingten „prekären“ Situation für Unternehmen in den Hintergrund.

Die bürgerlich-liberale Vereinnahmung und die massiven Repressionen, die Marxist:innen beispielsweise in Polen diesbezüglich erfahren, sind ein Angriff auf alle, die für die Selbstbestimmung der Frau kämpfen. Sie sind der Versuch, uns und unseren Kampf zu schwächen. Denn wenn bürgerliche Staaten wie die USA oder Polen die Abtreibungsgesetze durchsetzen können und Deutschland keine Reaktion zeigt, ist das für uns ebenso ein schlechtes Zeichen. Gerade in Zeiten, wo den Konservativen, Reaktionären und Faschisten der Weg frei gemacht wird im bürgerlichen Staat, stehen unsere erkämpften Abtreibungsrechte unter Bedrohung.  Dies ist nicht nur der Kampf um körperliche Autonomie, sondern um die Befreiung aller Geschlechter vom Patriarchat. Wir stehen hierbei gemeinsam mit unseren Geschwistern in Polen, El Salvador und Nigeria. Ihr Kampf ist unser Kampf. Wir werden nicht ruhen, bis die letzte unserer Schwestern befreit ist – in Deutschland und überall auf der Welt.

Beteiligt euch in euren Städten an den Safe Abortion Day Aktionen. Nur durch Organisierung können wir unsere Rechte erkämpfen! My Body, my choice! Raise your voice!