Am Freitag den 14.04. stand ein Schweizer Internationalist vor dem Militärgericht in Sion. Ihm wird vorgeworfen sich an der Revolution in Rojava beteiligt zu haben. Angeklagt war er wegen fremden Militärdienstes und der „Beeinträchtigung der Verteidigungskraft des Landes“. Er soll 2015 nach Rojava gegangen sein und sich dort dem bewaffneten Kampf gegen die faschistischen IS-Banden angeschlossen haben. Damit soll er die „Neutralität der Schweiz“ untergraben haben. Der Genosse wurde schließlich am Freitag freigesprochen, nachdem bis zu drei Jahre Haft gefordert wurden. Wir haben mit dem Genossen nach seinem Prozess ein Interview geführt über seinen Aufenthalt in Rojava und die Repressionen durch den Schweizer Staat.
F: Weshalb hast du dich entschieden nach Rojava zu gehen und dich dort der Revolution
anzuschließen?
Als militanter Kommunist in Europa erschien es mir unmöglich, mich nicht an der Revolution in
Rojava zu beteiligen. Es war der Wunsch, zu lernen und praktisch zu sehen, wie eine Revolution
abläuft. Ich denke auch, dass es einfach ist, uns in Europa selbst als revolutionär zu bezeichnen, wenn sich unsere Praxis darauf beschränkt Bücher in westlicher Bequemlichkeit zu lesen. Diese Idee der Revolution ist oft auf ein viel zu theoretisches Verständnis reduziert. Sie wird zu oft auf historische oder theoretische Werke verwiesen, die wenig Bezug zur Praxis haben und oft sehr dogmatisch sind. Mein Aufbruch war daher ein Weg, um mich mit der Realität des Aufbaus und der Verteidigung eines revolutionären Projekts zu konfrontieren.
F: Welche Erfahrungen konntest du in Rojava sammeln? Was hat dich besonders dort beeindruckt
und bewegt?
Ich habe eine Menge gelernt. Wie wichtig es ist, Organisationen zu haben, die über Kämpfer mit
einer starken ideologisch Schulung, und dass diese ideologische Grundlage in die revolutionäre
Praxis der Organisationen und der Kämpfer umgesetzt werden muss. Dass eine theoretische
Ausbildung uns nicht in einem Dogmatismus verstrickt, sondern uns im Gegenteil Werkzeuge gibt,
um die Herausforderungen, denen wir uns heute stellen müssen, global zu verstehen und zu
begreifen.
Ich war sehr beeindruckt von der Fähigkeit der revolutionären Bewegung, die Gesellschaft in der
Praxis zu organisieren. Zum Beispiel mit den Zivilschutzeinheiten oder den Volkshäusern (Mala
Gel), wo Diskussionen oder Debatten über die Organisation der Stadtviertel geführt werden.
Natürlich hat auch die Organisation der Jugend- und Frauenbewegung mich auch sehr berührt. Die
Kraft, die diese beiden Bewegungen in die Revolution einbringen, ist unglaublich. Die Tatsache,
dass die Verteidigung der Revolution, und damit der bewaffnete Kampf für die Revolution, von
allen Teilen der Gesellschaft angegangen und getragen, war sehr stark.
F: Weshalb denkst du kriminalisiert dich der schweizerische Staat aufgrund deiner Reise nach
Rojava?
Der Schweizer Staat und generell alle westlichen Staaten haben Angst vor den Verbindungen, die
wir mit Rojava schaffen. Die bürgerlichen Staaten wollen nicht, dass die Revolution in Rojava die
revolutionäre Bewegung in Europa stärkt. Deshalb versuchen sie, die Internationalist:innen und generell
die aktive Unterstützung für die kurdische und türkische revolutionäre Bewegung zu
kriminalisieren. Genoss:innen wurden in fast jedem Land in Europa verfolgt, manchmal mit
Ausreiseverboten oder dem Entzug von Pässen.
F: Wie bewertest du das aktuelle Verfahren gegen dich? Wie führst du das Verfahren?
In der Schweiz gibt es ein Gesetz, das es Personen mit Schweizer Staatsangehörigkeit verbietet, im
Ausland Militärdienst zu leisten, um die „Neutralität“ der Schweiz zu schützen. In meinem Fall
beantragte der Nachrichtendienst des Bundes dass gegen mich ermittelt werden sollte. Trotz zweier
polizeilicher Durchsuchungen fanden sich in den Akten keinerlei Beweise für mein Engagement in
Rojava. Sie wollten mich dennoch strafrechtlich verfolgen und das Verfahren dauerte 7 Jahre. Die
Entscheidung, das Verfahren so lange laufen zu lassen, ist kein Zufall und ist offensichtlich politisch
motiviert. Ihr Ziel ist es, Aktivist:innen, die die Revolution in Rojava unterstützen wollen,
einzuschüchtern.
Wir haben beschlossen, einen politischen Prozess zu führen. Ich habe das Glück, dass ich in der
Internationalen Roten Hilfe organisiert bin, wo wir über mehrere Generationen Erfahrung mit den
verschiedenen Formen von Unterdrückung und politischen Prozessen habe. Dies war während der
gesamten Ermittlungsphase und bei der Wahl einer Strategie für den Prozess äußerst wertvoll.
Im Vorfeld des Prozesses wurde eine Kampagne durchgeführt, um den Mythos der Schweizer
Neutralität anzugreifen. Die Schweiz ist nicht neutral, die „Neutralität“ ist ein Instrument der
Bourgeoisie, um ihre Interessen zu verteidigen. Sei es durch den Verkauf von Waffen, die
Finanzierung der Rüstungsindustrie oder die Auslieferung von politischen Aktivisten,
Die Schweiz dient dem westlichen Imperialismus. Sie ist eine Verbündete des türkischen
Faschismus.
Wir wollten auch bekräftigen, dass auch wir nicht neutral sind. Unser Engagement ist auf der Seite
der Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen. Wie auch immer diese Solidarität aussehen mag, ob
durch den Einsatz von Waffen oder durch Beteiligung an zivilen Projekten, das Ziel ist dasselbe: die
Revolution in Rojava zu unterstützen und an ihr teilzunehmen. Dies ist auch die politische Linie,
die ich in meiner Erklärung vor den Richtern vertreten habe.
Während der Aktionswoche wurden auch in mehreren Ländern verschiedene Initiativen
durchgeführt. Ich muss sagen, dass selbst die kleinsten von ihnen mein Herz erwärmt haben. Ich
möchte all jenen danken, die mich auf die eine oder andere Weise unterstützt haben.
F: Hast du noch abschließende Worte?
Ich möchte betonen, wie wichtig für mich alle inhaftierten Genoss:innen sind, die immer noch
kämpfen. Ich denke an Alfredo Cospito und die Genoss:innen der Roten Brigaden-PCC in Italien, die
gegen das 41bis-Regime kämpfen. Ich denke an Georges Ibrahim Abdallah in Frankreich und an die
Gefangenen des palästinensischen Befreiungskampfes. Ich denke an Pola Roupa und Nikos Maziotis in Griechenland. Natürlich denke ich auch an die Genossinnen und Genossen in den Gefängnissen des türkischen Faschismus.
Zu wissen, dass unsere Genossinnen und Genossen trotz schlimmster Repressionen ein Beispiel für
uns setzten, indem sie weiter kämpfen, hat mir viel Kraft gegeben. Deshalb ist es auch sehr wichtig,
sie nicht zu vergessen und ihre Botschaft und ihren Kampf laut und deutlich aus den Gefängnissen
zu tragen!