Als Young Struggle und AGIF wollen wir uns ebenfalls zu den Konflikten in Stuttgart äußern und einige Punkte richtigstellen. Für uns standen der 19. Februar und die Gedenkaktionen für Hanau von Anfang an im Vordergrund, deshalb haben wir davon abgesehen, dieses Thema zuvor an die Öffentlichkeit zu tragen.
Nach dem Anschlag in Hanau initiierten Aktivist:innen von Young Struggle gemeinsam mit weiteren Antifaschist:innen in mehreren Städten Migrantifa-Strukturen und beteiligten sich an der politischen Praxis, welche zur Antwort auf die feigen rassistischen und faschistischen Anschläge auf uns Migrant:innen wurde. Wie in anderen Städten auch gründeten und arbeiteten wir mit der Föderation der Arbeitsmigrant:innen in Deutschland (AGIF) zusammen in Migrantifa Stuttgart mit. Jeden Monat organisierten wir zum 19. Gedenkveranstaltungen und riefen gemeinsam zu „Ein Jahr Hanau“ auf die Straßen. Migrantifa Stuttgart teilte uns wenige Tage vor der Großveranstaltung mit, dass die JSUW nicht mit uns als Young Struggle auf einer Bühne stehen möchte, und unseren Ausschluss forderte. Der Grund hierfür wäre unser Antizionismus und unsere Solidarität mit dem antifaschistischen Kampf der Palästinenser:innen, welchen sie mit Antisemitismus gleichsetzen.
Wir sind der Anfrage von Migrantifa Stuttgart nachgekommen, und haben bei einem Treffen unseren Standpunkt gegen den Zionismus erklärt. Die anwesenden Mitglieder von Migrantifa Stuttgart äußerten sich uns gegenüber mit Verständnis und Zustimmung. Darauf folgte aber eine plötzliche 180°-Wende und Young Struggle, AGIF sowie die JSUW wurden aus dem Bündnis ausgeladen. In einem offiziellen Schreiben an alle weiteren Bündnispartner:innen wurde der „persönliche Selbstschutz“ der Mitglieder von Migrantifa als Begründung hierfür benannt.
Einige Mitglieder von Migrantifa äußerten uns gegenüber ihre persönlichen Ängste, die ihre Karriere betrafen, denn sie könnten als antisemitisch „abgestempelt“ und zur Zielscheibe von Antideutschen werden. Sie haben ebenfalls Bedenken geäußert, dass Antideutsche die Kundgebung stören und Aktivist:innen verletzen könnten. Das war eine sehr überraschende Entscheidung für uns, denn seit zwölf Monaten organisierten wir mit Migrantifa Stuttgart gemeinsam Aktionen und erinnerten an die neun ermordeten Freund:innen aus Hanau auf den Straßen, an denen unter anderem unser Genosse Metin Unvar von AGIF, der Vater des ermordeten Ferhat Unvar ist, teilgenommen hat. Uns als migrantische Organisationen, die seit Jahren in Deutschland antifaschistische Arbeit organisieren und selbst Betroffene von mehreren rassistischen und faschistischen Anschlägen in Deutschland wurden auszuladen, ist nicht mit individuellen karrieristischen Selbstzwecken zu rechtfertigen. Wir bedauern diese Entscheidung, da wir es als existenziell wichtig ansehen, dass antifaschistische Kräfte sich zusammenschließen und gemeinsam gegen die rassistische und faschistische Gewalt vorgehen. Deshalb haben wir uns am 19. Februar nicht das Recht nehmen lassen, auf den Straßen zu sein, und gemeinsam mit zwölf weiteren antifaschistischen Organisationen zu einer Gedenkaktion aufzurufen.
Wir kritisieren diesen gesamten unsolidarischen und undemokratischen Entscheidungsprozess, welcher zum Ausschluss von Young Struggle und AGIF aus dem Bündnis führte. Diese Entscheidung wurde von Einzelpersonen von Migrantifa Stuttgart getroffen, und dem Bündnis kein Mitspracherecht erteilt. Solidarische Strukturen, die diese Entscheidung kritisierten und sich mit uns und unserer politischen Linie solidarisierten, traten ebenfalls aus dem Bündnis aus. Zu keinem Zeitpunkt gab es unsererseits Drohungen oder auch nur Andeutungen irgendwelcher Angriffe auf die Kundgebung. Wir haben lediglich den Entscheidungsprozess kritisiert und unseren antizionistischen Standpunkt erklärt. Trotz all unserer Kritiken würden wir weder linken Aktivist:innen drohen, noch eine Gedenkveranstaltung für Hanau angreifen, während wir selbst zu den Angehörigen der Ermordeten gehören. Ganz im Gegenteil zu den Lügen, die gerade kursieren, hat sich die Migrantifa bei uns entschuldigt, und uns mitgeteilt, nach dem 19. Februar ein gemeinsames Treffen zu organisieren, um unsere monatelange solidarische Arbeit weiterführen zu können.
Warum der JSUW mitgeteilt wurde, wir würden die Migrantifa bedrohen, und uns, es gehe darum die Migrantifa Stuttgart vor Antideutschen zu schützen, ist uns unklar. Die Widersprüchlichkeit der Rechtfertigungen der Migrantifa Stuttgart ist für uns nicht nachvollziehbar.
Young Struggle ist eine antifaschistische, antikapitalistische und internationalistische Jugendorganisation, welche seit vielen Jahren gegen jegliche Art von Rassismus und Antisemitismus ankämpft. Sei es am 8. Mai, am 9. November oder weiteren Tagen, an welchen wir seit Jahren die Straßen nicht verlassen, und auf den noch bestehenden Antisemitismus in der Bevölkerung oder im Staat aufmerksam machen. Unser Kampf gegen den Faschismus ist ein Kampf gegen jegliche Art von Antisemitismus. Wir solidarisieren uns mit den Kämpfen der jüdischen Arbeiter:innen und Werktätigen, gegen das kapitalistische System, Rassismus, Faschismus, Krieg und Besatzung. Doch die Freiheit eines Volkes darf nicht Unterdrückung eines anderen Volkes bedeuten.
Als Young Struggle solidarisieren wir uns weiterhin mit dem Kampf der Palästinenser:innen gegen die Besatzung durch Israel, und verurteilen das Massaker an der palästinensischen Bevölkerung. Unsere Kritik an Israel ist kein Antisemitismus. Den Kampf gegen den menschenverachtenden Zionismus mit Antisemitismus gleichzustellen, ist ein altbekanntes „Totschlagargument“, mit dem wir uns nicht zum Schweigen bringen lassen. Die Kritik an der zionistischen Ideologie, der menschenverachtenden Besatzungspolitik Israels und die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf mit Antisemitismus gleichzusetzen ist nicht nur falsch, sondern auch eine Ablenkung vom wirklichen Antisemitismus hier in Deutschland und der ganzen Welt. Die Verteidigung des israelischen Staates bedeutet für uns die Rechtfertigung der Massaker in Palästina, Libanon und Syrien, welche eine offene und rassistische Feindseligkeit gegenüber verschiedener Völker widerspiegelt. Der Kampf gegen Antisemitismus kann nur erfolgreich sein, wenn er antiimperialistisch ist. Hier in Deutschland an Hanau zu gedenken und in Palästina die Besatzungs- und Vernichtungspolitik von Israel zu verteidigen, ist nichts als Heuchelei und Spaltung innerhalb der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung.
Die JSUW versuchte in ihrer Erklärung die Beobachtung von Young Struggle durch den Verfassungsschutz, als Argumentation gegen uns zu verwenden. Während immer mehr Beweise für die Verstrickung zwischen dem Staat und faschistischen Anschlägen auf uns Migrant:innen aufkommen, und die mitwirkende Rolle des Verfassungsschutzes bei Nazi- Strukturen wie NSU etc. als Tatsachen offen liegen, fragen wir uns, wie solch eine faschistische Instanz als Argumentation gegen uns genannt werden kann. Die Hufeisentheorie ist kein Argument gegen uns, sondern ein weiterer Beweis für die faschistische Haltung Deutschlands. Dies ist nur ein weiterer Versuch, unsere Organisationen und unseren legitimen Kampf gegen Imperialismus und Faschismus zu kriminalisieren. Die jüngsten Ereignisse in Stuttgart sind das Ergebnis aus einer Reihe von Anfeindungen gegen Young Struggle und anderen antiimperialistischen Organisationen.
Wir rufen alle fortschrittlichen und antifaschistischen Kräfte dazu auf, sich gegen Spaltungsversuche innerhalb der antifaschistischen Bewegung zu stellen. Schluss mit der Diffamierungs-, Verzerrungs- und Denunzierungskampagne gegen Young Struggle, AGIF und weitere Strukturen, die gegen die rassistische Vernichtungspolitik gegenüber Palästinenser:innen laut werden. Für uns ist klar: zionistische und imperialistische Politik stehen im Widerspruch zu jeglichem antifaschistischen Widerstand.
Young Struggle Europe
AGIF