Dieses Jahr waren Februar und Mai die Monate, in denen die Flüchtlingsgipfel der EU-Staaten stattfanden, um über eine neue Flüchtlingspolitik zu diskutieren. Deutschlands Ziel dabei ist es, die Migrationsrate zu reduzieren. Ein neues Asylverfahren hat drastische Konsequenzen für die Migrant:innen zur Folge, die ohnehin schon lebensgefährliche Reisen auf sich nehmen, um an die Grenzen zu kommen, wenn sie es überhaupt bis dahin schaffen.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, CDU, will die Obergrenze von 200.000 Migrant:innen im Jahr in Deutschland einführen. Welche Migrant:innen von dieser Obergrenze betroffen sind, wird nicht thematisiert. Denn wie wir wissen, unterscheidet der Staat auch hier innerhalb der Migrant:innen. Zwischen denen, die mehr Anspruch auf ein neues Leben in Deutschland haben, weil sie aus Europa kommen, und denen, die für das Minimum kämpfen müssen. Wir erinnern uns an letztes Jahr, als nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, eine Million ukrainische Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Der Staat warb mit Sonderregelungen für Schüler:innen, die ohne ein Abitur studieren dürfen. Währenddessen werden syrischen und afghanischen Flüchtlingen ihre Uni-Abschlüsse aberkannt. Außerdem müssen die ukrainischen Kriegsgeflüchteten nicht durch den ganzen Asylprozess, durch den die anderen Geflüchteten müssen. Wir sehen zum Beispiel die Opfer des Erdbebens in den Regionen Kurdistan, Türkei, Syrien. Die Familienangehörigen der Opfer sollen ihre Familie für einen Zeitraum von drei Monaten nach Deutschland holen dürfen. Um ein Visum zu beantragen, müssen die Betroffenen einen Pass oder Ausweis vorlegen. Das macht es umso schwerer für sie nach Deutschland und andere EU-Staaten zu kommen, da viele der Betroffenen ihre Pässe in den Trümmern verloren haben. Diese Herangehensweise zwischen „guten“ und „schlechten“ Migrant:innen zu unterscheiden liegt schlichtweg darin, vor allem der ukrainischen Bevölkerung zu vermitteln, dass Deutschland hinter ihnen steht. Es geht darum, dass die ukrainische Bevölkerung an den Westen zu koppeln. Dabei ist es offensichtlich, dass Deutschland aus dem Krieg Profit ziehen will. 100 Milliarden Euro Sondervermögen an die Bundeswehr und der Rüstungskonzern Rheinmetall macht Profit wie noch nie. Wenn es doch so sehr um Demokratie und Frieden geht wieso mussten schon jetzt dieses Jahr über 1000 Menschen im Mittelmeer ertrinken? Wieso werden die Fluchtrouten auf dem Balkan immer mehr zur unsichtbaren Mauer? Wieso sieht man kaum Bemühungen von der europäischen Seite den Ukrainekrieg zu beenden, sondern ihn im Gegenteil zu verlängern und mit Waffen vollzupumpen? Jeder, der fliehen musste oder mit fliehenden Menschen arbeitet weiß: Hier geht es nicht um Würde, sondern um Profit.
Durch das neue Asylverfahren soll es in Zukunft ebenso einfacher werden, Geflüchtete abzuschieben. Es sollen mehr Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen eingeführt werden. Es soll Flüchtlingslager direkt an den Grenzen geben, von denen aus die Migrant:innen wieder abgeschoben werden können. Vorher war es so, dass die Migrant:innen von der Polizei abgeholt wurden, um zum Flughafen gefahren zu werden. Dadurch blieb ihnen zumindest die Möglichkeit, in der Zwischenzeit unterzutauchen. Durch die neuen Vorhaben ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie in den Tod oder ins Gefängnis geschickt werden. In Ländern wie Afghanistan oder Iran bleiben solche Fluchtversuche schließlich nicht ungestraft. Dazu kommt, dass Olaf Scholz das Ausreisegewahrsam für die Geflüchteten von maximal 10 Tagen auf 28 Tage anheben möchte. Das bedeutet, dass die Geflüchteten 28 Tage in Gewahrsam verbringen, bevor sie erfahren, ob sie einreisen dürfen, oder abgeschoben werden. Es wurde zudem ebenfalls eine Abschiebehaft beschlossen, die ermöglichen soll, dass Geflüchtete, die trotz Einreiseverbot nach Deutschland kommen, in Haft genommen werden dürfen.
Die Staaten sprechen zwar davon, durch die neuen Verfahren Asylprozesse beschleunigen und verbessern zu wollen, doch die Realität zeigt, dass es hier in allererster Linie um Abschiebungen geht. Die Migrationszahlen sollen gesenkt werden. Das ist das Hauptmotiv, nach dem agiert wird, wobei die Konsequenzen für die Geflüchteten keine Rolle spielen. Die kapitalistischen Staaten arbeiten natürlich nach Profitlogik. Geflüchtete sind potenzielle Arbeiter:innen, von denen das Wirtschaftssystem profitieren kann. Die Doppelmoral erschlägt einen förmlich. Während von Sozialschmarotzern und Wirtschaftsflüchtlingen gesprochen wird, werden Geflüchtete aus dem Nahen und Mittleren Osten Berufserfahrungen und Abschlüsse aberkannt. Von ihnen wird erwartet, Ausbildungen, die sie bereits in ihren Herkunftsländern abgeschlossen haben, nochmal zu durchlaufen. Geschaffen wird damit eine Reserve für das deutsche Kapital, nämlich Geflüchtete, die in den prekärsten Arbeitsverhältnissen eingestellt werden und bei permanenter Abschiebungsgefahr meistens kaum eine Möglichkeit haben, sich gegen die brutale Ausbeutung zu wehren. Das ist, wenn sie denn überhaupt einen Arbeitsvertrag bekommen. Der Staat verlangt von ihnen, sich zu „integrieren“, in wenigen Wochen Deutsch zu lernen, sich der deutschen Arbeitsmoral anzupassen, während er sie in allen Bereichen des Lebens an den Rand der Gesellschaft drängt. Es bleibt ihnen nicht einmal die Möglichkeit, diesen Aufgaben nachzugehen, weil ihnen nicht die Mittel oder die Zeit dafür gegeben wird. Ihnen bleibt meistens nichts anderes übrig als schwarz zu arbeiten, um sich einigermaßen über Wasser halten zu können. Dazu kommt, dass geflüchtete Frauen viel öfter Gefahr laufen, in die Prostitution zu gehen. Die absurde Minderheit dieser Fälle steht „nur“ unter ökonomischem Zwang, der überwiegende Großteil ist Menschenhandel, häufig schon während der Flucht. Der patriarchale Ausverkauf der Körper von Frauen ist der größte, bis heute bestehende Sklavenmarkt Europas, und geflüchtete Frauen machen hier einen Großteil aus.
Es sind die imperialistischen Staaten wie Deutschland selbst, die für die Fluchtursachen verantwortlich sind. Seien es deutsche Waffen, die die Herkunftsländer der fliehenden Menschen zerstören oder die Ausbeutung und Verarmung der Menschen in deren Heimat. Für uns gilt: Schluss mit der Verschärfung von Asylgesetzen und der tödlichen Migrationspolitik! Offene Grenzen für Alle! Und um die Menschen nicht in die meist tödliche Flucht zu drängen heißt es auch: Schluss mit dem Waffenexport! Kampf dem Imperialismus und seinen Kriegen!
Den Abschiebebehörden muss ein Ende gesetzt werden. Wir müssen aber weitergehen. Wir müssen das ausbeuterische System angreifen, dass ihnen zugrunde liegt, und unseren Widerstand in jedem Moment gegen den Kapitalismus und die imperialistische Weltordnung organisieren. Nur so können wir irgendwann in einer Welt leben, in der Menschen nicht als Objekte der Ausbeutung gesehen und von der kapitalistischen Verwertungslogik in den Tod geschickt werden.