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Verschwörungstheorien und die neuen Faschisten Teil 1

Verschwörungstheorien und die neuen Faschisten Teil 1: Von den Nazis auf der Rückseite des Mondes bis zum Impfzwang – was sind Verschwörungstheorien? Verschwörungstheorien sind seit den „Corona-Rebellen“ in aller Munde. Aber auch schon vor den Massendemonstrationen der Maskenallergiker waren Verschwörungstheorien ein Phänomen, welches immer wichtiger wurde: Youtuber wie KenFM, die jetzt die Corona-Rebellen pushen, hatten schon vorher eine Reichweite von Hunderttausenden. Und nicht zuletzt: faschistische Mörder wie die Attentäter von Hanau, Halle, El Paso oder Christchurch haben sich über Internetforen mit faschistischen Verschwörungstheorien „politisiert“. Es ist deshalb offensichtlich höchste Zeit, dieses Thema aus einer revolutionären Perspektive in die Hand zu nehmen. Dieser Artikel wird der erste einer Reihe zu dem Thema „Verschwörungstheorien und die neuen Faschisten“ sein. Erst einmal stellen wir uns die ganz grundlegende Frage:

Verschwörungstheorien sind seit den „Corona-Rebellen“ in aller Munde. Aber auch schon vor den Massendemonstrationen der Maskenallergiker waren Verschwörungstheorien ein Phänomen, welches immer wichtiger wurde: Youtuber wie KenFM, die jetzt die Corona-Rebellen pushen, hatten schon vorher eine Reichweite von Hunderttausenden. Und nicht zuletzt: faschistische Mörder wie die Attentäter von Hanau, Halle, El Paso oder Christchurch haben sich über Internetforen mit faschistischen Verschwörungstheorien „politisiert“. Es ist deshalb offensichtlich höchste Zeit, dieses Thema aus einer revolutionären Perspektive in die Hand zu nehmen. Dieser Artikel wird der erste einer Reihe zu dem Thema „Verschwörungstheorien und die neuen Faschisten“ sein. Erst einmal stellen wir uns die ganz grundlegende Frage:

Was sind eigentlich Verschwörungstheorien?

Verschwörungstheorien sind kein Phänomen, was erst mit dem Youtube-Kanal von KenFM aufgekommen wäre; ganz im Gegenteil haben sie – besonders in der faschistischen Bewegung – eine sehr lange Tradition. Warum gibt es den Corona-Virus? Weil Bill Gates an Impfstoffen profitiert. Warum machen die bürgerlichen Politiker keine Politik für die Bevölkerung? Weil sie Geheimbünden angehören, die nur die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Warum verlangen Banken horrende Zinsen und bereichern sich immer wieder am Elend anderer? Weil die Bänker alle böse Juden sind, die die anderen Menschen hassen und natürlich auch die Weltherrschaft an sich reißen wollen.

Berechtigte Zweifel

Verschwörungstheorien zeichnen sich dadurch aus, dass sie an oft berechtigten Zweifeln der Menschen anknüpfen – und diese dann völlig verdrehen.

Ja, es stimmt, dass Kapitalisten wie Bill Gates sehr viel Macht haben. Es stimmt jedoch nicht, dass Bill Gates der einzige mächtige Kapitalist heute wäre und noch viel weniger, dass der Kapitalismus plötzlich menschenfreundlich werden würde, wenn es Bill Gates einfach nicht mehr gäbe.
Verschwörungstheorien knüpfen oft an einem berechtigten Misstrauen an, z.B. dem Misstrauen, dass die bürgerliche Politik oft viel mehr ausmacht als das, was wir am Ende des Tages in den Nachrichten lesen können. Wenn uns bei Wahlen von sozialer Gerechtigkeit vorgeschwärmt wird, dann aber in der Krise als erstes die Großkonzerne gerettet werden, fragen sich die Menschen natürlich, ob in den Parlamenten nur die Interessen verhandelt werden, aus denen wir die Politiker gewählt haben. Dass es Interessen von Kapitalisten gibt, die im Hinterzimmer besprochen werden und die im Zweifel mehr ins Gewicht fallen als tausende andere – das ist eine richtige Erkenntnis. Das ist logisch im Kapitalismus, wo Profit und Kapital weit über den Leben einfacher Arbeiter*innen stehen. Es ist ein Systemproblem und nicht nur abhängig von einem versteckten Geheimzirkel wie z.B. den Freimaurern.

Verschwörungstheorien greifen oft ein wirkliches Problem auf, suchen eine Person oder Gruppe, die davon profitiert und machen diese dann verantwortlich für alles Böse, was in der Theorie irgendwie Platz findet.

Alles steht in einem Kontext

Als Marxistinnen nutzen wir die Methode des dialektischen Materialismus um die Welt richtig verstehen zu können. Das bedeutet konkret: wir betrachten alles Leben im Ganzen und nicht nur einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Dinge. Den ungeheuren Reichtum von Bill Gates sehen wir also nicht nur als seinen persönlichen zufälligen Reichtum, sondern als Reichtum eines Kapitalisten und damit auch eines Teils der Kapitalistenklasse. Wir setzen Bill Gates dabei in seinen Kontext ein, zum Beispiel, dass er – im Gegensatz zu einem schwarzen Jugendlichen in einem New Yorker Arbeiterinnenghetto – die Möglichkeit bekommen hat, diesen Reichtum zu erlangen. Genauso bedeutet dialektischer Materialismus, dass wir immer die Widersprüche und Konflikte in der Welt erkennen; diese Konflikte ziehen sich zwischen Arbeiterinnen und Kapitalisten, zwischen Unterdrückten und Unterdrückern, nicht zwischen Geheimbünden oder sogar Jüdinnen und dem unschuldigen Rest der Welt, unabhängig von Klasse, Gender und Geschlecht, Betroffenheit von Rassismus, usw.

Antisemitische Verschwörungsideologien

Wichtig ist dabei auch zu sehen, dass faschistische Bewegungen schon immer eng mit Verschwörungstheorien verwoben waren. Besonders antisemitische Ideologien sind praktisch antisemitische Verschwörungsideologien. Denn was erzählen die Antisemiten? Jüd*innen würden sich gegen den Rest der Menschheit verschwören und versuchen, die Welt an sich zu reißen. Eine der ältesten und bekanntesten Verschwörungstheorien sind zum Beispiel die antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“. Das sind angebliche Protokolle eines Geheimtreffens von jüdischen Eliten, die ihre Weltherrschaft durch Kriege, Wirtschaftskrisen, etc., planten. Diese angeblichen Protokolle einer jüdischen Weltverschwörung, deren Falschheit schon in den 1920ern bewiesen wurde, waren Pflichtlektüre in den Schulen Nazi-Deutschlands. Auch heute noch sind sie zentral in der Ideologie vieler faschistischer Bewegungen.

„einfache Antworten“

Das Gefährliche an Verschwörungstheorien ist also nicht schon die Frage, die sie stellen, sondern erst die Antwort, die sie geben. Verschwörungstheoretiker reißen einzelne Erscheinungen aus dem Kontext heraus und basteln sich einen eigenen, oft perfekt in sich geschlossenen, Kontext selbst zusammen. Momentan heißt es von allen Seiten, Verschwörungstheorien würden sich so verbreiten, weil sie „einfache Antworten“ gäben. Das ist aber selbst eine „einfache Antwort“.
Das Wichtige ist nicht, dass die Theorien einfach verständlich sind – wenn wir wollten, könnten wir auch linke, revolutionäre Politik einfach und verständlich machen – sondern, dass sie einfach zu handhaben sind. Verschwörungstheorien verwischen die Kampflinien: es heißt nicht mehr Arbeiter*innen gegen Kapitalisten sondern Volk gegen Bill Gates. So wie auch der Rest der rechten Bewegung dienen (rechte) Verschwörungstheorien letztlich dazu, das herrschende System aufrechtzuerhalten und sogar noch weiter auf die Spitze zu treiben.
Wenn wir Verschwörungstheorien als dummen Schwachsinn abtun, bringt uns das also in keinerlei Hinsicht weiter: weder in der Hinsicht, die berechtigten Ängste und Zweifel der Menschen aufzufangen. Noch in der Hinsicht, die Gefahr, die von diesen Verschwörungstheorien ausgeht, ernst zu nehmen. Wir nehmen dann lediglich die bürgerliche Propaganda auf, die versucht, nicht nur die Antworten, sondern auch die Fragen an sich als unnötig und sinnlos darzustellen.

Auf der einen Seite ist unsere Aufgabe eindeutig, die Zweifel aufzufangen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Die Widersprüche, die unsere Gesellschaft bestimmen, klar zu machen: das Problem liegt im System, die Lösung im Sozialismus. Das große Interesse an Verschwörungstheorien liegt also nicht bloß in ihrer Einfachheit, sondern darin, dass die Fragen, auf denen sie aufbauen, in ihrer Kritik am herrschenden System oft Berechtigung haben. Jedoch hinterlassen wir Revolutionärinnen an vielen Stellen sehr große Lücken, welche Platz für rechte Verschwörungstheorien machen. Unsere Herangehensweise daran sollte nicht sein, uns gemeinsam mit den bürgerlichen Medien über sie lustig zu machen und Anhängerinnen von Verschwörungstheorien sofort als hinverbrannt darzustellen. Stattdessen müssen wir eine Offensive der revolutionären Antworten starten, während wir gleichzeitig klar die rechte Tendenz vieler verschwörungstheoretischer Bewegungen klar aufzeigen und uns davon klar distanzieren. Linke und revolutionäre Organisierung der berechtigten Zweifel schaffen wir nicht durch eine Querfront, sondern dadurch, dass wir unsere Kämpfe sichtbar machen und den Menschen revolutionäre Antworten geben können, bevor die Faschisten sie durch ihre Verschwörungstheorien in ihren Sog ziehen können.

Die nächsten Teile der Artikelreihe werden sich konkreter mit Bewegungen, die von Verschwörungstheorien geprägt sind, befassen: zum einen den Corona-Rebellen, die im Moment überall diskutiert werden, zum anderen dem stetig wachsenden rechten Terror.