Die Kommunist:innen haben vor einem Vierteljahrhundert die Strategie der Revolution in der Türkei und Nordkurdistan so formuliert: „Die Kernfrage unserer Strategie ist die Frage des Bündnisses der Arbeiter:innenbewegung und der kurdischen nationalen Bewegung. Der Sieg der Revolution hängt vom Entstehen dieses Bündnisses ab“. Sowohl die Zeit zwischen den 70er und 80er Jahren als auch die 90er Jahre haben mit unterschiedlichen Erfahrungen gezeigt, dass dieser strategische Weg richtig und notwendig ist.
Die Zeit zwischen den 70er und 80er Jahren war eine Phase, in der die revolutionäre Bewegung popularisiert und zu einer starken Kraft in der Türkei wurde. Die wesentlichsten strukturellen Probleme des türkischen bürgerlichen Staates, die kurdische nationale Frage und der darauf aufbauende Kampf waren noch nicht auf dem Grad eines bewaffneten revolutionären Aufstandes. Der Putsch von 1980 zerschlug die revolutionäre Bewegung der Türkei. Neben anderen Gründen war einer der Gründe dafür die Schwäche der Revolution in Kurdistan, der revolutionären Bewegung Kurdistans zu dieser Zeit. Doch in den 1990er Jahren ist die Situation genau andersherum. Die Revolution in Nordkurdistan hatte begonnen und war auf dem Vormarsch. Der nationale Freiheitskampf erreichte einen Stand, bei dem die Beteiligung an der Guerilla in die Tausende ging, bei dem die Städte Kurdistans große Serhildans (Aufstände) erlebten, bei dem die kurdische Freiheitsbewegung massenhaft wurde. Aber die revolutionäre Bewegung der Türkei war gerade dabei, die Niederlageneinstellung aus dem 80er-Putsch loszuwerden. Und, neben anderen Gründen, weil eine zweite revolutionäre Front in der Türkei nicht geschaffen werden konnte, hatte sich die kurdische Freiheitsbewegung festgefahren und begann, nach Lösungen innerhalb des Systems zu suchen.
Diese grundlegende Realität, dass der verleugnende Kolonialismus und das vom Imperialismus abhängige, kollaborierende, faschistische Regime der gemeinsame Feind sind, zeigte das gemeinsame Schicksal und die Kampfeinheit zwischen zwei Völkern und anderen nationalen Gemeinschaften. Der gesamte politische Kampf muss sich auf die Verwirklichung dieser wesentlichen Strategie konzentrieren. Denn nur auf diesem Weg kann das faschistische Regime gestürzt und die politische Freiheit errungen werden.
Für alle Zeiträume wurde diese Strategie zu einem grundlegenden Standpunkt, der die politische Arbeit und den Kampf der Kommunist:innen und damit auch der kommunistischen Jugend leitete. Die Organisierung des Lösungsweges von der Türkei nach Kurdistan, von der Jugend aus, wurde in Form von Aktionen wie der Geschwisteruniversitäts-Kampagne, die darauf abzielte, die Dicle Universität (eine Universität in Amed, Nordkurdistan) vom Westen aus zu erreichen, als Menschenschild für die Guerilla zu fungieren, die Arbeit der Kriegsdienstverweigerung, der Wiederaufbau der Zap-Brücke, die von den revolutionären Kader:innen der 68er gebaut und später vom kolonialistischen Staat zerstört wurde, die Kampagne gegen das Roboski-Massaker und die Fahrt nach Roboski, die politische Arbeit und Aktionen gegen den Chauvinismus innerhalb der Jugend etc. durchgeführt. Und die Kampagne zum Wiederaufbau von Kobanê ist die stärkste Umsetzung dieser Strategie in der Geschichte der kommunistischen Jugend.
Der politische Grund der Aufbaukampagne: Die revolutionäre Situation
Die Rojava-Revolution im Jahr 2012, der mit Abdullah Öcalan begonnene Lösungsprozess 2013 in Bezug auf Kurdistan, und der Gezi/Juni-Aufstand 2013 in der Türkei schufen eine neue politische Situation. Dieser Nährboden, der von den Kommunist:innen als „revolutionäre Bedingung“ gesetzt wurde, wurde mit dem Widerstand von Kobanê, dem Serhildan in Kobanê vom 6.-8. Oktober und dem Wahlsieg der HDP am 7. Juni erweitert. Die Nachwirkungen des Gezi/Juni-Aufstandes hielten fast ein Jahr lang an. An all diesen Revolutionen, Aufständen und Serhildans nahm die Jugend sehr stark teil. Gezi ist auch als Jugendaufstand in die Geschichte eingegangen. Am Widerstand in Kobanê beteiligten sich Tausende von Jugendlichen verschiedener Nationen aus der Türkei und Nordkurdistan und überwanden damit Grenzen. Hunderte von ihnen wurden zu Märtyrer:innen. Kobanê war nun das Herz der Rojava-Revolution, der Grundstein des revolutionären Kampfes gegen die IS-Barbarei, die reaktionären Regionalmächte und das kolonialistische, faschistische türkische Regime. Für Kobanê wurde ein starkes internationales Solidaritätsnetzwerk sowohl in der Türkei/Kurdistan als auch in Europa geschaffen. Genau wie in den Beispielen von Gezi in Kobanê ging die Jugend dorthin, wo sich die Revolution bewegte. Und auf diesem politischen Boden vereinigte sie sich um die vereinigte demokratische, antifaschistische Front HDP. Die Jugend hat mit ihrer starken politischen Arbeit und dem Zusammenkommen bei der HDP eine große Rolle für den Wahlsieg am 7. Juni 2015 gespielt.
An all diesen Konflikten, Widerständen und Aufständen hatte sich auch die kommunistische Jugend stark beteiligt. Sie waren die ersten, die nach Kobanê liefen. Sie wurden zu Märtyrer:innen in Kriegsgräben mit Waffen in den Händen. Sie organisierten Hilfe für diejenigen, die dem Krieg entkamen. Bei den Barrikaden des Gezi-Aufstandes waren sie mit ihrer ganzen Militanz dabei. Sie handelten mit dem Ziel, den Aufstand überall zu verbreiten und ihn in der Jugend zu wecken.
Der Geist der Kobanê-Aufbaukampagne: Vorwärtsgeist, Mut, Aufbruch
Die Kobanê-Aufbaukampagne wird auf dieser Basis organisiert. Die sich entwickelnde revolutionäre Situation für die vereinigte Revolution in Türkei/Kurdistan hat innerhalb der Jugend den Nährboden für einen Aufbruch geschaffen. Die fortschrittlichen Teile der Jugend lösten sich massenhaft vom System und schlossen sich den Reihen der Revolution an. Diese, durch die revolutionäre Situation geschaffene neue Aufbruchsrealität, dieser neue politische Grund hatte auch eine neue Phase für die revolutionäre Jugendbewegung geschaffen, unabhängig davon, ob sich die Subjekte dessen bewusst waren. Wie das alte Sprichwort sagt, nichts ist mehr so, wie es war. Das zeigten auch die politischen Entwicklungen, der erbitterte Kampf zwischen revolutionären und konterrevolutionären Kräften. Alle Subjekte der Jugendbewegung mussten sich auf diesem Boden organisieren und sich mit dieser neuen Situation arrangieren. Nach dieser Analyse und Sichtweise hat die kommunistische Jugend mit der Organisierung der Aufbaukampagne begonnen, ihre bisherige Position zu ändern. Das revolutionäre Potenzial rund um Kobanê, innerhalb der Jugend der Türkei und Kurdistans zu erkennen und es mit der Revolution zu verknüpfen, war das erste Ziel der Kampagne. Der Kontakt zur Revolution würde eine qualitative Veränderung und einen Aufbruchsprozess bewirken. Die Begegnung von Gezi und Kobanê war das zweite Ziel der Kampagne. Dies war auch die Vereinigung beider Revolutionen und die Zusammenkunft der beiden. Beide Ziele waren mit dem strategischen Standpunkt der vereinten Revolution verbunden. Deshalb war die Kampagne ein sehr starker Ausdruck dieser Strategie. Der Kampagnenprozess, die durch das Massaker geschaffene Situation und die Umarmung der Märtyrer:innen, Beerdigungen und die starke Solidarität mit den Verletzten im Prozess nach dem Massaker zeigten wichtige Hinweise darauf. Deshalb ist dieser Angriff des faschistischen Palastregimes, begangen vom IS, ein Angriff gegen die Linie der vereinigten Revolution. Und das ist kein Zufall. Weder das Subjekt noch die Wahl der Kampagne. Die Antwort des Kolonialismus auf diese Aufbruchsaktion war der Vernichtungsschlag.
So wie es ein Aufbruch ist, ist die Kampagne auch geprägt von Vorwärtsgeist und Mut. Das, was der Kampagne den Geist gab, war die Grenzenlosigkeit der revolutionären Jugendbewegung von 68er-71er, die nach Palästina fuhr, die antichauvinistische Haltung, die die Zap-Brücke baute, die Parole der Geschwisterlichkeit der türkischen und kurdischen Völker, die am Galgen gerufen wurde, die Genoss:innenschaft, die sie dazu brachte, füreinander zu sterben, Internationalismus in der Art von Che. Dieses historische Erbe und der Geist der 68er-Bewegung wurden in der Kobanê-Aufbaukampagne zur Realität. Die Umarmung dieses Erbes war eine der stärksten Seiten dieser Kampagne. Die Jugendlichen, die sich diese Kampagne angeschaut haben, die Aufbruch machen wollten, sahen in dieser Kampagne den Vorwärtsgeist, den Mut und den Geist der Grenzenlosigkeit.
Die Kampagne ist auch ein Aufbruch des Alten. Zum Beispiel ist es ein Aufbruch, wenn auch nicht vollständig, von Praktiken, die nicht zu den Bedürfnissen und dem Geist der Zeit passen. Eigentlich wurden jedes Jahr Sommercamps mit dem Ziel der Massenarbeit organisiert. Im Jahr 2015 entschied sich die SGDF jedoch gegen ein Sommercamp und für die Reise nach Suruç. Während einer solchen Zeit und einer solchen revolutionären Aufgabe würde die Organisierung eines Sommercamps zu einer unpolitischen Situation werden. Das würde natürlich nicht nur zu einer unpolitischen Situation führen, sondern auch dazu, dass man die Revolution und die revolutionäre Situation nicht versteht und das revolutionäre Potenzial in der Jugend nicht erkennt. Das Massaker des IS in Kobanê, die Realität des Krieges, die verbotenen Grenzen, die Unmöglichkeiten, die Arten der Verhinderung, die Drohungen… nichts davon konnte den Marsch zur vereinigten Revolution und zur Aufbruchsaktion aufhalten. Im Gegensatz, in Fernsehsendungen, auf den Straßen, auf den Plätzen, in den sozialen Medien, kurzum überall hieß es „wir werden uns mit der Revolution treffen, eure Grenzen, Verbote, Verhinderungen, Drohungen spielen keine Rolle“. Mit dieser Entschlossenheit war man nach Kobanê gegangen.
In dieser Realität haben Punkte wie die Konkretisierung der Idee, nach Kobanê zu gehen, die Arbeitsweise, die Jugendmassen einzubeziehen, die Ermöglichung der Methoden und Mittel, die die politische Arbeit stärkt, der Standpunkt, mit den Massen zu organisieren, richtige Kampagnenorganisationen geholfen, die Reichweite der Kampagne zu erweitern. In vielen Städten der Türkei und Nordkurdistans gab es Anmeldungen zu der Kampagne. Die Kampagne, die Reise nach Suruç, die Spenden, Unterstützungen etc. sind alle durch die Umarmung und Beteiligung der Massen zustande gekommen.
In vielerlei Hinsicht erleuchtet die Kobanê-Aufbaukampagne immer noch die Gegenwart und die Zukunft, sie zeigt uns den Weg. Denn das, was nach dem Suruç-Massaker geschah, zeigt, dass dies ein Wendepunkt war. Während wir uns auf den 7. Jahrestag des Massakers vorbereiten, oder ihm gedenken, ist das Verstehen und Erzählen der Kampagne und vor allem die Umwandlung in ein Thema, von dem wir lernen können, nicht nur eine Notwendigkeit des Jugendkampfes, sondern auch eine Voraussetzung, um die Träume und Ideale der Suruç-Märtyrer:innen zu erfüllen.