Am vergangenen Sonntag hat in Sonneberg der AfD-Kandidat Robert Sesselman bei den Stichwahlen zum Landrat mit 52,8 Prozent gewonnen, gegen den Kandidat der CDU Jürgen Köpper mit 47,2 Prozent. Der Kandidat der CDU wurde dabei voll allen Parteien von der Linkspartei bis zur CDU unterstützt. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 59,6 Prozent.
Für die AfD ist dies ein klarer Erfolg. Denn sie hat es das erstes Mal in ihrer Geschichte geschafft, ein Landratsamt zu besetzten. Begleitet wird diese Wahl von einem Umfragehoch der AfD im Bezug auf die Bundestagswahlen, aber auch Landtagswahlen. In den Umfragen für die Bundestagswahlen liegt die AfD bei knapp 20 Prozent und ist somit zweitstärkste Kraft nach der CDU/CSU. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern befindet sich die AfD in einem Umfragehoch und ist in vielen Teilen die stärkste Kraft. Politisch setzt die AfD vor allem darauf sich von der Ampel-Regierung aus Grünen, SPD und FDP abzugrenzen und machte deshalb bei der Landratswahl vor allem mit bundespolitischen Themen wie Asyl- und Energiepolitik Wahlkampf.
Wer ist Schuld, wenn Faschisten erstarken?
Von den anderen bürgerlichen Parteien wird die Schuld für den Wahlsieg der AfD vor allem bei sich selbst gesucht. Die SPD sucht die Schuld bei der CDU und die CDU umgekehrt bei der SPD.
Der Wahlsieg der AfD verkörpert aber vor allem zwei Sachen. Zum einen ist er die klare Verkörperung eines Rechtsruck innerhalb der deutschen Gesellschaft. Dieser äußert sich aber nicht nur durch den Wahlsieg der AfD und dem Umfragehoch. Vielmehr sind das weitere Symptome des Rechtsrucks. Stattdessen sind es vor allem die anderen Parteien, die durch das Aufgreifen immer rechteren Positionen diese Standpunkte normalisieren und die AfD stärken. Es ist die Politik der Ampelregierung, die immer stärker das Asylrecht verschärft und von „Migration steuern“ redet und damit die Annahme übernimmt, dass ja nur „arbeitsfähige Migrant:innen“ nach Deutschland kommen sollen, und nicht nur „faule Migrant:innen, die auf Kosten des Staates leben“. Diese Positionen vertritt auch die AfD. Mit der immer stärker werdenden Kriminalisierung von Klimaaktivist:innen und Linken, besonders mit den 129a Verfahren gegen Lina E. und dem 129 Verfahren gegen die Letzte Generation, übernimmt der Staat die Annahme der AfD von einem angeblichen Links- und Klimaterrorismus. Die CDU/CSU versucht sich zudem in einem Großteil ihrer Positionen als etwas gemäßigtere AfD darzustellen. Das zeigt sich vor allem daran, dass die CDU/CSU nach dem Wahlsieg der AfD ihren Hauptgegner in der Ampelregierung und vor allem den Grünen sieht und von der Asyl- bis zur Energiepolitik versucht, Positionen der AfD aufzunehmen. Ein Beispiel dafür ist, dass neben der AfD nun auch die CDU/CSU beginnt, das Narrativ eines Kulturkrieges zu übernehmen. Dabei handelt es sich vor allem um den Versuch, rechtes und faschistisches Gedankengut in der Gesellschaft zu verbreiten, was sich zum Beispiel in einer verstärkten Hetze gegenüber LGBTI+-Personen und deren Rechte zeigt.
Wir erleben somit keinen „Dammbruch“, wie es die bürgerlichen Medien erklären, sondern das Ergebnis der jahrelangen Normalisierung und Übernahme von Positionen der AfD.
Perspektivlosigkeit und Krise
Der zweite Grund ist die sich verschärfende Krise des kapitalistischen Systems. Die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie steigenden Teuerungen bei Lebensmittel-, Strom- und Gaspreisen und die sich entwickelnde Wirtschaftskrise sorgen bei vielen Menschen zu einer Verarmung und Unsicherheit. Besonders in Ostdeutschland und in ländlichen Regionen, wo die AfD ihre guten Umfrageergebnisse erhält, zieht sich der Trend der Verarmung und Unsicherheit schon seit mehreren Jahren. In Ostdeutschland zieht sich diese Entwicklung seit dem Mauerfall hin. Mit der Annektion der DDR durch Westdeutschland wurden große Fabriken zerschlagen und viele Menschen verloren ihre Arbeitsplätze. Daneben verloren viele Menschen ihre Sicherheit im Leben und besonders Frauen verloren einige Rechte. Daraus hat sich auch schon früh nach dem Mauerfall ein faschistisches Potenzial entwickelt, wie sich an Pogromen wie in Hoyerswerda gezeigt hat. Für viele Menschen gab und gibt es in Ostdeutschland deshalb vor allem außerhalb der größeren Städte keine wirkliche Perspektive. Auch in ländlichen Regionen in Westdeutschland oder ehemaligen großen und wichtigen Industriestandorten zeigen sich diese Entwicklungen. In Dörfern gibt es oftmals noch nicht mal mehr das Nö8gste. Wo es vor einigen Jahrzehnten noch mehrere Läden, Werkstätten und Freizeitangebote gab, gibt es heute oftmals nur noch eine Gastwirtschaft und einen kleinen Lebensmittelladen und der Supermarkt ist oftmals nur mit dem Auto zu erreichen. Das hat zur Folge, dass es oftmals auch erst in Städten oder in dem nächsten Industriegebiet Arbeitsplätze gibt. Die Infrastruktur wurde dabei in den letzten Jahren, vor allem durch die Privatisierung der Bahn immer weiter abgebaut, wodurch viele Regionen auch immer schwerer zu erreichen sind. Dort, wo die Perspektivlosigkeit groß ist und kein Vertrauen in die etablierten Parteien besteht, tritt die faschistische Propaganda der AfD auf fruchtbaren Boden. Und das besonders auch deshalb, weil es keine revolutionäre kommunistische Antwort gibt für die Probleme der Menschen. Das ist vor allem ein Ergebnis der allgemeinen Krise der kommunistischen Bewegung, aber auch der Konzentration vieler linker und kommunistischer Gruppen auf die großen Städte. Die AfD setzt der Perspektivlosigkeit der Menschen einfache Feindbilder entgegen, welche angeblich an den Problemen die existieren Schuld sein sollen. Die Verarmung in den Regionen, die fehlende Infrastruktur und die schwindenden Jobs werden auf Migrant:innen geschoben, welche angeblich das Geld, was fehlt von Staat bekommen und die Jobs den Menschen weg nehmen würden. Die AfD versucht sich somit als Gegner des Systems und der aktuellen Regierung darzustellen, welche sich gegen die Interessen der Bevölkerung richtet.
Faschistische Rhetorik in Zeiten von Krieg
Vor allem andere neofaschistische Organisationen wie die Identitäre Bewegung und das nahestehende Compact Magazin richten sich in ihrer Rhetorik in erster Linie an frustrierte Arbeiter:innen. Teilweise nutzen sie in ihrer Agitation oder ihren Polemiken gegen Links sogar Wörter wie „Arbeiterklasse“. Hier müssen wir uns als Sozialist:innen erneut ein Versagen eingestehen, um unsere Arbeit in Zukunft besser gestalten zu können.
In Zeiten von Kriegsgebrüll und Aufrüstung gilt es außerdem zu erkennen, dass für die Imperialisten in Europa der erstarkende europäische Faschismus eine Notwendigkeit darstellt. Die NATO, Russland und China, aber genauso die EU Staaten unter deutscher und französischer Führung bereiten sich auf einen dritten Weltkrieg vor. Um ihren
Kriegstaumel, die historisch einmaligen Aufrüstungspakete oder Militärübungen wie AirDefend23 zu rechtfertigen, bedienen sie sich verstärkt faschistischer und chauvinistischer Rhetorik. Der genannte Rechtsruck zeichnet sich in fast allen europäischen Staaten ab, Deutschland ist hier eher Nachzügler. Natürlich hat die EU ein
Interesse an faschistischen Regierungen in Italien und Griechenland, wenn diese der EU die Migrant:innen vom Hals halten. In letzter Konsequenz schützt der Faschismus die herrschende Ordnung in unsicheren Zeiten.
Antifaschismus heißt Klassenkampf!
Auch die AfD stellt – entgegen ihrer eigenen Darstellung – eine wichtige Stütze des kapitalistischen Systems dar. Das taktische Ziel der Faschisten ist, mithilfe massentauglicher Rhetorik die mit dem System unzufriedenen und perspektivlosen Menschen durch einfache Antworten an ebendieses System zu binden. Dabei vertritt die
AfD mit Steuersenkungen für Reiche und eines Abbaus des Sozialstaates politischen vor allem die Interessen der Reichen und Großkonzerne.
Die AfD handelt somit im Interesse des kapitalistischen Systems und wird für die Menschen, die sie wählen keine Lösungen bereithalten. Wir müssen den Kampf gegen Faschismus und Kapitalismus deshalb als einen gemeinsamen Kampf begreifen. Wir dürfen uns auch nicht auf die einfachen Lösungen einlassen, die uns die bürgerlichen Parteien und Medien propagieren, die Menschen in ländlichen Regionen und in Ostdeutschland seien einfach besonders rückständig. Statt dessen stößt die AfD mit ihrem faschistischen Programm hier auf fruchtbaren Boden, da diese Region seit Jahrzehnten ökonomisch und politisch vernachlässigt ist. Gleichzeitig müssen wir auch sehen, dass es bisher nicht geschafft wurde, vor Ort als Kommunist:innen präsent zu werden. Unsere Aufgabe muss es sein, den
antifaschistischen Widerstand zu stärken. Das werden wir aber nicht schaffen, wenn wir
Antifaschismus als ein isoliertes Thema begreifen, sondern wenn wir es als Teil des kapitalistischen System verstehen. Deshalb muss Antifaschismus auch immer Klassenkampf bedeuten. Wir müssen es schaffen, die sich entwickelnde Massenbasis der AfD durch eine klassenkämpferischen Antifaschismus zu zerschlagen und unsere eigen Massenbasis ausbauen.
Für ein gerechtes System, für eine sozialistische Antwort auf Krieg und Krise!