Das folgende Interview wurde von RedScarvesBlog veröffentlicht und anlässlich des Novembers, dem Monat der Gefallenen, von Young Struggle ins Deutsche übersetzt. Der englische Blogpost ist hier zu lesen https://redscarvesblog.wordpress.com/2022/11/17/interview-with-baran-serhad-on-the-rojava-revolution/
Hier präsentieren wir ein Interview mit Baran Serhad (ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der MLKP, 2019 wurde Genosse Baran in Rojava unsterblich), ein Vertreter der MLKP (Marxistische Leninistische Kommunistische Partei), in dem wir über viele Themen sprechen, wie z.B. den Zweck der Präsenz der MLKP in Rojava, ihre programmatischen und strategischen Perspektiven in Bezug auf die Revolution in Rojava, ihre Position innerhalb der militärischen Front von Rojava, die Beiträge, die die MLKP zum Kampf für die Befreiung der Frauen leistet, und die politische und organisatorische Arbeit der MLKP innerhalb der Revolution.
Frage: Würden Sie für uns kurz zusammenfassen, wie die MLKP die Revolution in Rojava in Bezug auf ihr programmatisches und strategisches Verständnis sieht und was die Ziele ihrer Beteiligung an der Revolution sind?
Baran Serhad: Zusammenfassend kann ich sagen, dass die MLKP seit Beginn ihrer Gründung eine Partei ist, die die Revolution in Bakur (Nordkurdistan) begrüßt und ihr einen zentralen Platz in ihrer Strategie einräumt. Sie ist eine Partei, die feststellt, dass das Land Kurdistan von den Imperialisten und den regionalen reaktionären Staaten kolonialisiert worden ist. Eine Partei, die diese gerechte Sache und Forderungen verteidigt und somit für sie kämpft. Unter diesem Gesichtspunkt ist die MLKP in Kurdistan. Daher ist der Befreiungskampf unseres kurdischen Volkes, der auf dem „Recht auf Selbstbestimmung und Gründung eines eigenen Staates“ basiert, eine der Prioritäten der MLKP. Auf unserem 3. Parteitag im Frühjahr 2002 hat unsere Partei in der damaligen politischen Atmosphäre erneut die Rechtmäßigkeit der Befreiungskämpfe in den vier Teilen des kolonisierten Kurdistans unterstrichen. Dementsprechend nahm unsere Partei „das Recht auf Vereinigung der vier Teile Kurdistans“ in ihr Programm auf. Auf demselben Kongress wurde auch „das Verständnis für die Schaffung demokratischer oder sozialistischer Föderationen der Völker des Balkans, des Kaukasus und des Mittleren Ostens“ in das Parteiprogramm aufgenommen. Die Partei betonte die Notwendigkeit regionaler Revolutionen und die dafür notwendigen regionalen Bündnisse, Koordinationen und vereinter Kräfte.
Dies ist eine wichtige Entscheidung, denn sie bedeutet eine Erweiterung des Horizonts und der Möglichkeiten der Revolution. In diesem Sinne haben wir begonnen, viele Gebiete, vom Balkan über den Kaukasus bis zum Nahen Osten, anders zu betrachten als bisher. Wir haben versucht, Verbindungen zu ihren bestehenden Kämpfen herzustellen und das revolutionäre Potential dieser Länder auf einer anderen Grundlage zu betrachten. Unser 4. Parteitag hat den Willen der Partei gefestigt, diese Perspektiven in die Praxis umzusetzen, und verschiedene Schritte in diese Richtung unternommen.
Als die Revolution in Rojava ausbrach, gelang es unserer Partei, sich sowohl als Kraft aus Kurdistan als auch mit der Perspektive regionaler Revolutionen schnell anzupassen. Unsere ersten Kräfte erreichten das Gebiet im August 2012, nur wenige Tage nach dem 19. Juli, dem Datum, das als Beginn der Revolution in Rojava gilt. Das war kein Zufall; es spiegelt unser Engagement für die Region und insbesondere für Kurdistan wieder. Alle Themen der Region stehen auch auf der Agenda unserer Partei.
Welches sind Ihrer Meinung nach besondere Beiträge, die Ihre Partei zur Revolution in Rojava geleistet hat? Mit anderen Worten, für welche Probleme im Zusammenhang mit der Entwicklung der Revolution hat die MLKP-Lösungen gefunden und damit ihre Existenzberechtigung in Rojava erlangt?
Unsere Partei hat ihre Existenzberechtigung in Rojava natürlich dadurch erlangt, dass sie sich der Revolution angeschlossen hat, dass sie diese verteidigt und für ihren Sieg kämpft, dass sie Märtyrer:innen für sie gegeben hat. Sie hat dieses Recht nicht dadurch erlangt, dass sie aus der Ferne gejubelt oder eine unterstützende Position eingenommen hat, sondern dadurch, dass sie sich mit ihren Kämpfer:innen in die Reihen des Kampfes eingereiht hat, auch wenn ihre Zahl begrenzt war. Unsere wertvollen Genoss:innen wurden verwundet oder wurden an der Front zu Märtyrer:innen, als sie die Revolution verteidigten und weiterentwickelten. Mit einer Reihe von Märtyrer:innen, beginnend mit Serkan Tosun und wachsend mit Sevda Çağdaş (Raperîn Dîcle); mit der Fahne, die sie gehisst und dem Blut, das sie vergossen haben, den Genossen Coşkun İnce (Tekoşer Kurdistan) und Sinan Sağır (Suphî Garzan), dessen Leiche immer noch vermisst wird; und mit unseren verwundeten Genoss:innen, deren Zahl dreimal höher ist als die der bisher Gefallenen, haben wir unser Existenzrecht erlangt. Was unsere Partei ausmacht, sind die Märtyrer:innen, deren Blut sich vermischt hat, und die Genoss:innenschaft unserer Kämpfer:innen, die Tag und Nacht an den Fronten von Serêkaniyê, Kobanê, Til Temir, Alya, Siluk, Minbic und Raqqa gekämpft haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich all unserer gefallenen Genoss:innen mit Respekt, Loyalität und dem Versprechen, ihre Träume zu verwirklichen, gedenken. Sie sind nach wie vor der Grund für unseren Kampf und weisen uns den Weg in unserem Kampf.
Was den anderen Aspekt Ihrer Frage betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, dass wir in den ersten Tagen der Revolution unsere Kräfte mit dem Gedanken geführt haben, dass „jeder lange Marsch mit einem einzigen Schritt beginnt“. Im Laufe dieses Prozesses kam nach diesen ersten Schritten ein gewisses Maß an Qualität und Quantität hinzu.
Als unsere Truppen das Gebiet erreichten, hatte die Revolution bereits begonnen, befand sich aber noch in einem sehr frühen Stadium. Es gab weder die YPG/YPJ, noch den Asayiş (die Volkspolizei von Rojava). Gemeinsam mit der kurdischen Befreiungsbewegung, der Avantgarde der Revolution, und gestärkt durch einen starkes genoss:innenschaftliches Bewusstsein, führten wir vor allem klandestine Arbeiten durch.
Indem sie schnell revolutionäre Aufgaben übernahmen, trugen unsere Kräfte zur Lösung der Probleme in ihrem Einsatzgebiet bei. Sie bemühten sich, die Töchter und Söhne unseres Volkes, die sich noch nicht an der Revolution beteiligt hatten, zu sammeln und sie davon zu überzeugen, sich ihr anzuschließen. Diese Rekruten wurden in neu gegründeten Brigaden und später in anderen zivilen Einrichtungen organisiert.
Soziale Aufgaben in den Bereichen Gesundheit und öffentliche Sicherheit begleiteten unsere militärische Arbeit. Wenig später kamen auch der Frauenbefreiungskampf, die Medien und der Gemeindeaufbau hinzu.
Unsere Präsenz hier führte dazu, dass sowohl die gesamten Kräfte unserer Partei als auch die anderen revolutionären Organisationen aus der Türkei ihre Aufmerksamkeit auf Rojava richteten. Durch die Bemühungen und die tatsächliche Präsenz unserer Partei begannen verschiedene marxistische und fortschrittliche Kräfte in der Welt, die Revolution in Rojava mehr denn je zu begrüßen.
Zweifelsohne war es der Widerstand in Kobanê, der die Revolution in Rojava in das Herz der ganzen Welt gepflanzt und sie zu einem Leuchtfeuer der Solidarität und Hoffnung gemacht hat. Genauso wie der Slogan „Mit Arîn und Sibel marschieren wir zum Sieg“, den unsere Genoss:innen stolz rufen, wurden die barbarischen IS-Banden in Kobanê dank der Märtyrer:innen und ihrer massiven Tapferkeit besiegt. Kobanê war bereits auf dem Weg zu seinem eigenen Sieg, als einige der imperialistischen Staaten militärische Hilfe brachten, um den Sieg zu teilen. Trotz all seiner Gebete, mit denen er wer weiß wie oft am Tag beschäftigt ist, wurden die vom faschistischen Tayyip Erdoğan organisierten konspirativen Angriffe abgewehrt und Kobanê fiel nicht. Sein hysterischer Traum „Es wird fallen!“ ist nicht wahr geworden. Dieser Sieg, der den Völkern der Welt verkündet wurde, zeigte sowohl den Grad der Motivation der Völker Kurdistans als auch den ideologischen Sieg der Ehre und des Freiheitskampfes, der durch die Kraft der Solidarität möglich ist. Die Banden des IS und der türkische Staat, insbesondere Erdoğans AKP, sowie die anderen regionalen reaktionären Staaten, die ihn unterstützten, wurden besiegt. Dies ist auch der Beginn des Prozesses, bei dem der IS begann, sich zurückzuziehen.
Ich meine damit, dass die Präsenz unserer Partei hier nicht nur die Revolution vor Ort verteidigt, vorangebracht und ausgeweitet hat, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit und Popularität Rojavas auf der Weltbühne geleistet hat. Sie hat dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit der werktätigen Linken, der Fortschrittlichen und der Internationalist:innen zu gewinnen. Da Rojava wie eine grüne Oase im Reich der Petro-Dollar-Brutalität und der politischen Ödnis liegt, war die Revolution natürlich bereits in vollem Gange. Der Glanz der YPG/YPJ gegen die Dunkelheit des IS ist das, worüber ich hier spreche. Unser Beitrag ist bescheiden, würden wir sagen. Er besteht darin, die lächelnden Gesichter unserer Genoss:innen Sibel und Sevda neben das von Arîn, Sinan und Mazlum oder neben das von Diyar Bagok zu stellen. Er ist kostbar, historisch und einer der wichtigsten Werte, die uns zu dem machen, was wir sind.
An dieser Stelle möchte ich Şehid Ivana, unsere Avaşîn, erwähnen, da sie international zu einem der Symbole der Revolution wurde. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Revolution die Aufmerksamkeit aller auf sich zog, insbesondere der internationalen Genoss:innen, aber auch der Mainstream-Medien, sodass sie in der Weltpresse wahrgenommen wurde. Als warmherzige Guerilla machte sie viele Sozialist:innen und fortschrittliche Menschen aus Europa und der ganzen Welt auf sich aufmerksam, sich dem Kampf anzuschließen. Im gleichen Zeitraum bauten wir unsere Beziehungen zu vielen fortschrittlichen Organisationen in Europa aus, wie z.B. Gruppen aus der Schweiz, Deutschland, Griechenland, Spanien usw. Sie spielten ihre Rolle in ihren Ländern, indem sie Freund:innen und Genoss:innen unserer Revolution waren.
Als letzte Worte zu diesem Thema kann ich hinzufügen: Aufgrund der Tatsache, dass die Revolution in Rojava beachtliche Erfolge erzielt hat, haben sich unsere Kräfte neben dem Bereich der Verteidigung auch verstärkt auf die soziale Organisation konzentriert. Auf dieser Grundlage haben wir die Kampagnen „Ez Naçim“ („Ich gehe nicht“) und „Komünlerde Örgütlen, Federasyona Sahip Çık“ („Organisiert euch in den Kommunen, nehmt die Föderation an“) unterstützt und daran gearbeitet, sie auszuweiten. Auch gegen die ENKS-ähnlichen (die Organisation auf Barzani-Linie in Rojava) reaktionären Kräfte, die darauf abzielen, die Revolution von innen heraus anzugreifen, leisten wir ideologische und politische Arbeit, indem wir unsere Völker aufklären und sie in den revolutionären Institutionen organisieren.
Wie bewerten Sie die jüngsten Operationen, an denen Ihre Partei beteiligt war? An welchen Angriffen, mit welchen Ansätzen haben Sie bisher teilgenommen? Welches Ziel verfolgen diese Anschläge im Hinblick auf die Entwicklung der Revolution in Rojava? Beteiligen Sie sich an allen Anschlägen oder haben Sie bestimmte Prioritäten?
In der Anfangsphase der Revolution gehörten unsere Kräfte zu verschiedenen Bataillonen und Quartieren, in denen sie sowohl an den Angriffen als auch an den Aufbauprozessen der Revolution beteiligt waren. In diesem Sinne haben wir an den Angriffen und Operationen von Til Hemis, Cez’a, Sere-kani, Til Koçer, Girê Ziro, Tirbespiyê, Hasekê, Til Temir, Amûdê, Ebu Rasin, Mebruka teilgenommen. Ebenso waren wir an den ersten Unterstützungstrupps beteiligt, die Şengal erreichten, gleich nachdem der IS dort einmarschiert war und ein Massaker angerichtet hatte. Später gaben wir die Gründung unseres Şehit Serkan-Bataillons bekannt, das den Namen unseres ersten gefallenen Genossen in Rojava trägt. Seitdem haben wir als Teil dieses Bataillons an Angriffen teilgenommen. Kurze Zeit später gründeten wir das Internationale Freiheitsbataillon (IFB) unter Beteiligung von Organisationen aus der Türkei und Europa, wie TKP-ML, BÖG und MLSPB-DC aus der Türkei, RC* aus Spanien und Revolutionär:innen aus Griechenland. Gleich nach seiner Gründung beteiligte sich das IFB an dem Angriff auf Siluk-Girê Sipî. Dort wurde unser Genosse Halil Aksakal (Mazlum Aktaş) zum Märtyrer der Revolution. Bei diesem Angriff fielen auch unsere Grabengenoss:innen der BÖG und der MLSPB-DC als Märtyrer:innen und gehören nun zu unseren Unsterblichen. Ich möchte ihnen im Namen der Genossen Alper, Cemre und Doğan ein ehrendes Andenken bewahren.
(*TKP-ML: Kommunistische Partei der Türkei – marxistisch-leninistisch, BÖG: Vereinigte Freiheitskräfte, MLSPB-DC: Marxistisch-leninistische bewaffnete Propagandaeinheiten – Revolutionsfront, RC: Reconstruccion Communista)
Als Şehid Serkan Bataillon und IFB haben wir an fast allen Operationen in den Kantonen Cizîrê und Kobanê teilgenommen. Das IFB ist ein mobiles Bataillon, d.h. abgesehen von einigen kurzen Einsätzen ist es immer an der Front. Das Şehid-Serkan-Bataillon hingegen nimmt an den Angriffen teil, manchmal in Form von Teams, manchmal in Form von Trupps, und nicht als volles Bataillon.
Was die Revolution in Rojava betrifft, betrifft auch uns. Deshalb waren und sind wir bei den Angriffen und Operationen in Hol, Minbic oder Raqqa dabei. Unsere Perspektive ist diese: Mit unserer kommunistischen und kurdischen Identität betrachten wir die Revolution von Rojava als unsere Revolution. Aus diesem Grund führen wir alle Angriffe mit dem Ziel, die Revolution zu sichern. In diesem Sinne haben wir, als wir uns dem Kampf in Minbic anschlossen, bei dem wir unseren unsterblichen Genossen Raperîn verloren, dies getan, um die Revolution durch die Vereinigung unserer Kantone zu sichern. Bei diesem Angriff wurden vier unserer Genoss:innen verwundet, zwei von ihnen schwer. Aber mit der Befreiung von Minbic wurde ein strategisch wichtiges Standbein gewonnen.
Wenn wir heute über die Besetzung von Cerablus durch den faschistischen türkischen Staat sprechen, ist der Hauptgrund dafür ganz offensichtlich: den Weg unserer Revolution von Minbic nach Efrîn zu blockieren, den Fortschritt unserer Revolution aufzuhalten. Sie wollen nicht, dass wir unsere Kantone vereinen und die Spaltung von Rojava beenden, die durch die Politik der Kolonialisten unter dem Namen des Arabischen Gürtels zersplittert wurde. Für den Preis des Lebens von Dutzenden von türkischen Soldaten scheint ihnen dies vorerst gelungen zu sein, aber das ist nur vorübergehend. Tayyip Erdoğan hat bereits damit begonnen, sich auf die Flucht aus Al Bab vorzubereiten. Von Cerablus bis Bab ist der türkische Staat zum Stillstand gekommen, und diese Situation weist den Weg für neue Entwicklungen.
Aufgrund unserer regionalen Revolutionsperspektive beteiligen wir uns auch an den Angriffen zur Befreiung von Raqqa, das von dem IS erobert und zu ihrem Hauptstützpunkt gemacht wurde. Das sind arabische Gebiete und ja, es gibt eine Reihe von Aufgaben, die der Rojava-Revolution zufallen, um gemeinsam mit den arabischen Arbeiter:innen ein demokratischeres und freiheitlicheres Leben in Syrien aufzubauen. Als eine Komponente der Revolution handeln wir in Übereinstimmung in dieser Rolle.
Wir können sagen, dass die Angriffe die Revolution sichern, verbessern und ausweiten, während die befreiten Regionen auf der anderen Seite sowohl ideologisch als auch militärisch immer stärker werden. Diese Angriffe sind auch eine Gelegenheit, wichtige Erfahrungen zu sammeln und Grabenkämpfe zu führen.
In diesen Gebieten, in denen historische Vorurteile und Doppelmoral fortbestehen, entwickelt sich die Brüderlichkeit und das Bewusstsein für ein gemeinsames Leben mit den kurdischen, arabischen und assyrischen Völkern. Die Angriffe helfen, den Schmutz und den Rost von Kolonialismus, Feudalismus und Kapitalismus zu beseitigen. In diesem patriarchalischen Land des Nahen Ostens bringen die Kriegerinnen und Kommandeurinnen der YPJ einen neuen Willen mit sich, der die tief verwurzelten Vorstellungen aufbricht, wonach Krieg, Tapferkeit, Waffen usw. nur den Männern vorbehalten sind. Sie bringen einen ideologisch frischen Wind in diese Länder, und mit dem Wind, der die Frauen begleitet, wird die schmutzige und dunkle Atmosphäre dieser Geschichtsepoche hinweggefegt. Dies ist eine neue und sehr wertvolle Situation für die arabischen Länder.
Obwohl Ihre militärische Präsenz sichtbarer ist, sehen wir, dass Sie politische Arbeit und Kampagnen unter den Massen in Rojava durchführen. Was sind eure Ziele in eurer politischen Massenarbeit? Und darüber hinaus, als Kommunist:innen aus Kurdistan, was sind eure organisatorischen Perspektiven in Rojava und Kurdistan?
Unsere Partei hat eine Rojava-Organisation. Die Organisation ist daraus entstanden, dass wir eine kurdische Partei sind und in Rojava arbeiten. Aus organisatorischer Sicht ist diese Rojava-Organisation direkt von unserer MLKP/Kurdistan-Organisation abhängig. Sich in allen vier Teilen Kurdistans zu organisieren, die von Imperialisten und Kolonialisten kolonialisiert und zersplittert wurden, und den Befreiungskampf in diesen Teilen mit einer sozialistisch-patriotischen Perspektive zu stärken, bedeutet einfach, unserer Parteilinie zu folgen, was unser Recht und auch unsere Pflicht ist. In Anbetracht der Entwicklungen in Rojava hat unser 5. Kongress verschiedene Beschlüsse zur Ausweitung unserer Organisierungsbemühungen in Kurdistan gefasst. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Möglichkeiten der Revolution in Rojava hat der Kongress einige politische und organisatorische Aufgaben festgelegt.
Der Großteil unserer Arbeit hier umfasst die defensiven Aufgaben, aber wir organisieren uns politisch sowohl innerhalb der Institutionen der Revolution als auch in den Massen. Eines unserer Hauptziele ist die Verteidigung der Revolution, die Vertiefung des revolutionären Prozesses und die Erhöhung des revolutionären Bewusstseins der Massen hier. Es ist wahr, was in Rojava geschieht, ist eine Revolution, aber sie ist nicht in jeder Hinsicht abgeschlossen. Rojava ist umgeben von Imperialisten, regionalen reaktionären Staaten sowie von Parteien und Organisationen, die der bürgerlichen und kollaborativen politischen Linie der KDP folgen. Die Massen sind zwangsläufig misstrauisch und ihr Vertrauen wird durch Armut, Explosionen und Embargos unterdrückt. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen die Revolution weiter annehmen und ihr Gefühl der Zugehörigkeit [zur Revolution] verbessern, das ist die Aufgabe unserer Partei.
Manchmal wird es nicht gut genug verstanden, aber Rojava befindet sich unter einer totalen Belagerung. Auf der einen Seite wird es vom türkischen Staat mit Mauern, Stacheldraht, Soldaten und Panzern belagert. Auf der anderen Seite stehen der IS und die anderen Söldner der Türkei, die Barzani-Truppen, die versuchen, uns mit Hunger und Armut zu „disziplinieren“, indem sie Sêmelka, das einzige Grenztor zum Irak, schließen. Abgesehen von Efrîn gibt es keine Grenzbeziehung mehr zum syrischen Regime. Bisher ist es dem Regime nicht gelungen, die Revolution aufzuhalten, aber da sie historisch gesehen Kolonialisten sind und ihre Mentalität vom arabischen Nationalismus geprägt ist, können wir davon ausgehen, dass sie bei der ersten Gelegenheit versuchen werden, die Revolution zu ersticken.
Unter einer solchen Belagerung ist es für die Revolution entscheidend, die Menschen politisch und ideologisch zu gewinnen. Deshalb geben wir den Kampagnen „Ez Naçim“ und „Di Komînan de xwe Rêxistin Bike, Ji Fîderasyonê Xwedî Derkeve“ („Organisiert euch in den Gemeinden, umarmt die Föderation“) Priorität und Unterstützung. Durch diese Kampagnen entwickeln wir eine Haltung gegen die Migrationspolitik nach Europa, die zu rein ideologischen Zwecken als „Reise zur Hoffnung“ gebrandmarkt wird, und stellen stattdessen fest, dass „in Rojava die Hoffnung lebt“. Außerdem entlarven wir gemeinsam mit unseren Freund:innen, die aus Europa kommen, um sich der Revolution anzuschließen, die imperialistischen Lügen gegenüber unseren Völkern.
Die sozialistisch-patriotische Haltung ist ein echtes Merkmal unserer Partei. Das heißt, wir sehen uns als kommunistische Komponente der Revolution, als Vorhut des sozialistischen Kampfes. Wir versuchen, unseren nationalen demokratischen Befreiungskampf mit einer sozialistischen Perspektive zu verbinden. Wir sind der Meinung, dass der Sozialismus in die Revolution in Rojava integriert werden muss, und wir machen Propaganda für diesen Gedanken, während wir die bestehende Revolution insgesamt umarmen, weil wir denken, dass die Befreiung der gesamten Region nur durch den Sozialismus möglich sein kann. In jedem Bereich, in dem wir unseren Kampf führen, versuchen wir, eine Grundlage für die Verwirklichung dieser Perspektive zu schaffen. Sozialismus oder sozialistischer Patriotismus ist kein selbstverständlicher Charakter. Er erfordert die Positionierung mit einer sozialistisch-patriotischen Perspektive auf der Seite der Arbeiter:innen, Angestellten, Frauen und der unterdrückten und armen Menschen. Er erfordert den Aufbau von Bündnissen zur Verwirklichung dieser Perspektive sowie die Organisierung der grundlegenden Kräfte der Revolution auf dem Weg, um das Bewusstsein dieser Perspektive zu erreichen. Das ist es, was wir versuchen, so gut wir können.
Die politischen und organisatorischen Wege dieser Länder passen einfach nicht zu denen der Türkei, auch nicht zu denen Nordkurdistans. Deshalb müssen die Normen hier anders sein als in den anderen Ländern. Hier in Rojava können wir über ganz besondere Aspekte sprechen. Vor allem organisieren wir uns innerhalb der Revolution; da wir ein Teil von ihr sind, versuchen wir, die Bewegung sozialistischer zu machen. Aber vor all dem muss diese Revolution gesichert werden, d.h. all die Risiken, die ich gerade genannt habe, müssen beseitigt werden. Das kann man nicht tun, indem man von außen, genauer gesagt, von Computerbildschirmen aus, schimpft, sondern indem man sich tatsächlich der Revolution anschließt, indem man Blut für die Sache vergießt. Nur so können Ihre Worte und Ihr Engagement wahrgenommen werden und bei unseren Völkern Gewicht haben. Was das Ansehen unserer Partei in diesen Ländern ausmacht, ist unser Bemühen um dieses Engagement.
Es ist bekannt, dass Sie Ihr zweites Bataillon in Rojava aufgestellt haben. Was ist die Aufgabe des Şehit Sarya-Bataillons?
Das Şehit Sarya-Bataillon wurde eigentlich schon gegründet, aber erst am 12. Dezember, dem Tag, an dem unsere Genossin Sibel Bulut (Sarya Özgür) unsterblich wurde, öffentlich bekannt gegeben. Es handelt sich um eine Akademie für weibliche Soldatinnen. In diesem Bataillon werden neue Kämpferinnen, sowohl von außerhalb als auch aus verschiedenen Teilen Rojavas, militärisch und ideologisch ausgebildet. Mit diesem Bataillon wollen wir auch jungen kurdischen, arabischen und assyrischen Frauen aus Rojava die Möglichkeit geben, sich der Revolution anzuschließen und sie zu verteidigen. Das Bataillon, das noch innerhalb des YPG-Systems steht, aber eigenständig organisiert ist, hat bisher Jugendliche ausgebildet, die die Revolution verteidigen und sich militärisch und ideologisch verbessern wollen, sowie internationalistische Kämpfer:innen und junge Frauen aus Rojava. Von nun an wollen wir diese Arbeit mit neuen lokalen und allgemeinen Mitgliedern fortsetzen.
Was ist mit dem Internationalen Freiheitsbataillon? Was erwarten Sie von ihm für die Zukunft?
Das Internationale Freiheitsbatallion ist ein wichtiger Teil dieser Revolution. Anfang 2017 wurde es dreimal von dem IS angegriffen, aber genau wie sie in großen Buchstaben auf die Mauern der Schule, die sie als Basis nutzten, geschrieben hatten: „NO PASARAN!“, konnten diese Banden nicht passieren. Ich habe bereits die Gründungsparteien erwähnt; derzeit besteht das Bataillon aus den Kräften von BÖG, TİKKO und MLKP sowie aus internationalen Kämpfer:innen aus verschiedenen Ländern. Durch die revolutionäre Praxis bei mehreren Angriffen, durch ihre Gefallenen und verwundeten Genoss:innen hat sich das Bataillon einen angesehenen Platz in der Region erarbeitet. Bei einem Angriff am 9. Januar fügte das Bataillon den IS-Banden einen schweren Schlag zu. Sechzehn Leichen der Banden wurden nach einem Kampf in demselben Gebäude gezählt. Genosse Doğan Kırefe von der BÖG wurde getötet und zwei Genoss:innen unserer Partei wurden verwundet. Die Banden haben in diesem Gebiet den schwersten Schlag erlitten, und deshalb versuchen sie nun, mit neuen Überfällen ihre Kräfte zu stärken. Wir sagen jedoch weiterhin „No pasaran!“
Wir wollen, dass das IFB ein Fenster der Revolution von Rojava in die ganze Welt ist. Ein solches Bataillon, das sich aus Frauen und Männern aus verschiedenen Nationen zusammensetzt, würde den Menschen in der Welt definitiv eine starke Botschaft vermitteln. Bislang hat die Beteiligung an dem Bataillon quantitativ nicht unseren Erwartungen entsprochen. Ich bedaure, aber in dieser Hinsicht sind die linken und sozialistischen Bewegungen der Welt weit hinter denen der IS-Banden zurückgeblieben, obwohl es sich um eine Revolution handelt, die darauf abzielt, ein egalitäres und freiheitliches Verhältnis zwischen den Völkern zu entwickeln, ohne in engstirnigem Nationalismus stecken zu bleiben. Vor allem stellt sie das Licht gegen die reaktionäre Barbarei dar, die unter dem Namen IS symbolisiert wird.
Die Tatsache, dass die USA, Frankreich oder andere imperialistische Mächte um ihrer eigenen Interessen willen gezwungen waren, militärische Operationen gegen den IS zu beginnen, obwohl der IS der Stellvertreter ihres NATO-Verbündeten Türkei ist, löscht die Merkmale der Revolution nicht aus. Unabhängig davon, ob es US-amerikanische oder andere Koalitionstruppen gibt oder nicht, wäre Minbic immer noch eingenommen worden, oder Raqqa wäre irgendwann befreit worden, beide wären sowieso zurückerobert worden. Da der IS die größte Bedrohung für Rojava ist, sind Tausende unserer Märtyrer:innen und verwundeten Genoss:innen nicht in einem Krieg gegen die syrische Regierung oder andere regionale reaktionäre Staaten gefallen. Unser Hauptkampf ist gegen den IS, also ja, während wir mit ihnen kämpfen, sind die Jets oder Drohnen der Imperialisten noch kein Thema, denn es ist in ihrem eigenen Interesse, Schläge gegen den IS durchzuführen. Wir betrachten dies als eine zwingende und vorübergehende taktische militärische Beziehung, während wir wissen und uns darauf vorbereiten, dass diese Jets eines Tages auch uns treffen könnten.
Es ist verständlich, dass einige unserer Freund:innen, die mit ihren Worten und Taten hinter der Revolution stehen, sich Sorgen über die möglichen Absichten der Imperialisten machen. Ja, wir sprechen hier von Imperialisten, und in der Tat „helfen“ sie nicht aus Sympathie für Kurd:innen oder Araber:innen. Sie haben ihre eigenen Interessen, die sich zufällig seit kurzem mit denen der Kurd:innen decken. Die Imperialisten haben sowohl ideologische als auch politische Probleme mit der bestehenden revolutionären Führung und dem Willen, der sie anführt; und das sind keine Probleme, die durch ein paar taktische militärische Kollaborationen oder Jet-Einsätze überwunden werden können. Die Revolution zu schwächen, sie von ihrer wirtschaftlichen Hilfe abhängig zu machen, sie auf ihre Linie zu bringen, das sind ihre Ziele. Aber sie haben ihre Ziele nicht erreicht. Wenn diese Revolution von Barzani und seiner kapitalistischen, kollaborierenden „Antwort“ für die Kurd:innen angeführt würde, dann wäre Rojava bereits international anerkannt worden. Wir glauben, dass man im Lichte dieser Wahrheiten sprechen und die Verantwortung für diese Worte tragen sollte. Das ist es, was von fortschrittlichen und revolutionären Kräften erwartet wird.
Außerdem habe ich bisher noch von keinem „linken“ Jet gehört, der davon abgehalten wurde, den IS anzugreifen. Niemand sollte daran zweifeln, dass wir jeden davon abhalten würden, den IS und seinen Unterstützer, den türkischen Staat, mit Kugeln oder Raketen zu treffen, oder vergessen Sie das, sogar mit einem Stein. Niemand stellt sich denjenigen in den Weg, die bereit sind zu kämpfen, die antiimperialistische Fahne zu hissen; weder hier noch, wo immer sie sind!
Für uns sind die internationalistischen Genoss:innen, die aus eigener Initiative hierher kommen, um etwas für die Revolution zu tun, tausendmal wertvoller als die Schwätzer, die reden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich all jene internationalen Kämpfer:innen grüßen und ihrer Gedenken, die die Revolution und den Prozess richtig eingeschätzt haben und ihr Gesicht Rojava zugewandt haben, gekommen sind und gekämpft haben, gefallenen sind, verwundet oder verhaftet wurden. Wir grüßen sie.
Inwieweit nehmen Sie an der Verwaltung des wirtschaftlichen und politischen Lebens in den Versammlungen oder anderen politischen Strukturen teil? Welche Aufgabe haben Sie in diesen Bereichen übernommen? Für welche Probleme haben Sie Lösungen gefunden oder streben diese an?
In Rojava gibt es ein organisiertes Leben in Bezug auf Wirtschaft und Politik. Es gibt verschiedene Organisationen in allen Lebensbereichen: autonome Kantonsverwaltung, Tev-Dem, Kongra-Star, Versammlungen, Gemeinden, Arbeiter:innengewerkschaften usw. Innerhalb all dieser Organisationen und parallel zu ihnen gibt es gleichberechtigte Frauenorganisationen. Wir können nicht sagen, dass alle diese Organisationen ihre optimale Rolle spielen oder perfekt funktionieren, aber es ist sicher, dass es viele Organisationen gibt, durch welche die Menschen, und insbesondere die Frauen, ihre Rechte verteidigen oder sich auf vielfältige Weise ausdrücken können. Als Teil und Kader:innen der Revolution, auch wenn unsere Kräfte begrenzt sind, führen wir verschiedene Arbeiten durch, um diese Organisationen funktionsfähig zu machen, damit sie ihre Rolle spielen und von den Massen angenommen werden.
Es gibt kommunistische Vertreter:innen in einigen Entscheidungsinstitutionen auf kantonaler Ebene, sowie in kantonalen Versammlungen und Einheiten, die sich mit der organisatorischen Arbeit beschäftigen. Auch in den anderen verschiedenen Plattformen diskutieren wir als Kommunist:innen unsere Meinungen und machen Vorschläge.
Das ist es, was wichtig ist, Ansichten und Vorschläge zu den Prozessen einzubringen und sie den Massen aus einer sozialistischen Perspektive zu unterbreiten. Das ist etwas, was wir zu erreichen versuchen. Kommunistische Kader:innen, die in verschiedenen Institutionen arbeiten, machen ihre Vorschläge zur Tagesordnung der Institutionen, denen sie angehören, und heben diese Vorschläge auf die Entscheidungsebene. Auch hier wurden einige Kampagnen und Ideen bereits zum Thema und zur Pflicht für die Institutionen gemacht und mussten dann von den Massen aufgegriffen werden. Die Kampagnen, die ich gerade erwähnt habe, waren zum Beispiel solche.
Sie werden zwar hauptsächlich von Kommunist:innen organisiert, aber auch von den anderen dort versammelten Parteien und Organisationen unterstützt und praktiziert. Das gemeinsame Verteilen von Kommuniqués, das Organisieren von Podiumsdiskussionen, der Besuch von Institutionen, Massenversammlungen, Graffiti und das Aufhängen von Plakaten werden kollektiv durchgeführt, mit so vielen Gruppen und Parteien, wie wir aufnehmen können. Die Versammlungen finden in den Gemeinden statt. Wir schlagen Themen des täglichen Lebens der Arbeiter:innen und auch politische Themen der Revolution für die Tagesordnung vor. Wir kämpfen gegen einige Fälle von ideologischer Degeneration, wir machen Vorschläge, um die Frauenrevolution zu erweitern. Zum Beispiel wurde vor kurzem auf der Ebene der kantonalen Entscheidungsgremien eine Kampagne zum Verständnis des föderalen Systems für die Massen beschlossen und die Notwendigkeit einer umfassenden Kampagne anerkannt. Nun läuft also in allen Kantonen eine Kampagne zu diesem Thema. Während wir verschiedene Vorschläge entwickelt haben, um die Unzufriedenheit, die durch die Zucker- und Gaskrise verursacht wurde, zu verringern, haben wir weiterhin Kommuniqués verteilt, in denen wir die ENKS- und KDP-Reaktionäre, die zu einigen dieser Krisen beitragen, enttarnt haben, und dadurch haben wir eine wichtige Rolle dabei gespielt, eine allgemeine Entscheidung über die Organisation von Massendemonstrationen zu erreichen. Während wir Diskussionen über den Kampf gegen die Bürokratisierung führen, versuchen wir auch, die Schritte für institutionelle Möglichkeiten zu verstärken, die eine Brückenfunktion zwischen den Völkern spielen werden, zumindest soweit es unsere derzeitigen Kapazitäten zulassen.
Da wir in der Lage sind, Fragen mit einer sozialistisch-patriotischen Perspektive zu bewerten, können wir objektive Überlegungen zu den Vorhutkräften der Revolution anstellen. Obwohl wir versuchen, unsere Position als „das Bewusstsein der Revolution“ zu verteidigen, haben wir bisher leider noch keine akzeptable Anzahl von Kräften erreicht. Dennoch gehen unsere Bemühungen weiter.
Auch wenn es möglich ist, verschiedene Themen, die den Fortschritt der Revolution betreffen, zu betrachten und zu diskutieren, wie z.B. wirtschaftliche Probleme, die Bedürfnisse der Völker, die Rechte der Frauen und ihre Freiheit oder die Rechte der Kinder, der Natur und der Tiere usw., werden einige Themen in diesem politischen Klima zu einer Art Luxus. Unter den Bedingungen, unter denen sowohl der Krieg als auch das Embargo andauern und der IS und seine Regierungsfreunde in der Türkei jede Art von Angriffen durchführen, um zu versuchen, die Revolution zu ersticken, richten wir unsere Aufmerksamkeit vorrangig auf die Sicherung und den Fortschritt der Revolution, zusammen mit dem, was wir bisher erreicht haben.
Was die Lockerung des Embargos betrifft, so muss nicht extra betont werden, wie fruchtbar Rojavas Land ist. Wir geben also nicht nur praktische Vorschläge, sondern diskutieren und bemühen uns, die Möglichkeiten des kollektiven Strebens für Themen wie die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität, die Aufklärung der Massen, die internationale Bekanntmachung der Revolution und die Stärkung der Solidarität, den ideologischen und juristischen Kampf gegen die Kriegsopportunisten und so weiter zu erhöhen.
Wie verbessert die Revolution in Rojava, die sich auch als „Frauenrevolution“ versteht, den Befreiungskampf der Frauen auf dieser Ebene? Mit welchen sozialen und politischen Perspektiven, mit welchen Mitteln geht die Frauenrevolution voran? Welche Rolle spielt die KKÖ (Kommunistische Frauenorganisation) der Partei?
Vor allem aber ist es in diesem patriarchalischen Land des Nahen Ostens eine Ehre für jeden, Teil einer Revolution zu sein, die für eine Frauenarmee, einen Frauenwillen, eine gleichberechtigte Vertretung, ein Mitspracherecht, eine Frauenpolizei, Frauenkommunen, Frauengerichte und Hunderte von frauenfreundlichen Gesetzesartikeln eintritt. Das allein reicht aus, um auszudrücken, was für eine Revolution hier in Rojava stattfindet! Der wichtigste Bereich, der unserer Revolution sowohl demokratischen als auch befreienden Charakter verleiht, ist der Bereich der Frauenbefreiung. Es ist wahr, dass es in der Praxis noch einige ernsthafte Probleme gibt. In Bereichen wie der Kultur, dem täglichen Leben und der Politik müssen Frauen aufgrund der fünftausendjährigen männlichen Vorherrschaft immer noch kämpfen und aufpassen. Die bestehenden Rechte und Freiheiten und wie sie von den Frauen hier wahrgenommen werden, sind jedoch mit denen in keinem anderen Land zu vergleichen. Wir können die patriarchalen kapitalistischen Länder nicht als Vergleich heranziehen, da wir sie in vielerlei Hinsicht bereits übertroffen haben. Die Messlatte kann nicht unter die Haupterrungenschaften des Frauenbefreiungskampfes und des Sozialismus fallen. Natürlich werden die Frauen, die die Revolution in Rojava aufbauen, einschließlich der kommunistischen Frauen, dies nicht zulassen.
Die kommunistischen Frauen versuchen mit ihren begrenzten Kräften, die Perspektiven unserer KKÖ unter den Frauen zu erweitern. Unsere Genossinnen sind sehr aktiv mit ihren Analysen und Vorschlägen zu Kampagnen oder Planungen, sowie der Organisation von besonderen Tagen wie dem 8. März oder dem 25. November. Zuvor hatten wir Aufgaben in Mala-Jin (Frauenhaus, reine Frauenplätze in jedem Viertel) übernommen, eine Frauenpresse gegründet, und jetzt arbeiten wir in Frauengemeinden und Dachverbänden. Diese Grundlage der Frauensolidarität war eine gute Basis für unsere Organisations- und Bildungsarbeit unter jungen Frauen und Hausangestellten. So konnten wir gemeinsam mit ihnen die Frauenrevolution vorantreiben.
Ich kann die jüngsten Entwicklungen in dieser Hinsicht so beschreiben: Im Gesellschaftsvertrag des Demokratischen Föderalen Systems von Nordsyrien, der Gegenstand bedeutender Debatten war, spiegelt sich die Stimme der Frauen in großem Umfang wieder. Sowohl im Vorbereitungsprozess als auch in der Verhandlungsphase waren die Frauen am aktivsten. Die Praxis der „Ko-Vorsitzenden“ wurde in das föderale System eingebracht. Ebenso wurden von der Föderation gleichberechtigte Gesetze zugunsten der Frauen durchgesetzt.
All dies sind Ausdruck der Errungenschaften der Frauenrevolution von Rojava, die sich direkt auf das föderale System auswirken und auf die Region ausgedehnt werden.
Zu unseren Aufgaben gehört es daher, Vorschläge zu machen und eine Massenbasis für diese Vorschläge zu mobilisieren, z.B. in Bezug auf die Bildung der gesamten Gesellschaft und insbesondere der Männer, die Vertiefung des bisher erreichten rechtlichen Niveaus der Revolution und die Ausbreitung auf der ganzen Welt durch die Entwicklung von Frauenbündnissen sowohl regional als auch international.
In welcher Hinsicht hat die Erfahrung der Revolution in Rojava das theoretische und politische Verständnis Ihrer Partei verbessert und bereichert? Welche Art von Auswirkungen und Beiträgen hat diese Erfahrung für die Kommunist:innen in Kurdistan, in der Türkei, für internationale Kämpfer:innen und Organisationen, die die Revolution unterstützen, gebracht?
Nun, ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Lage wäre, alle Fragen zu beantworten. Aber zuallererst hat uns die Revolution in Rojava ermöglicht, unseren revolutionären Horizont zu erweitern und einige konkrete Erfahrungen zu sammeln, die sich aus der Teilnahme an einer tatsächlichen Revolution ergeben. Wir haben alle Entwicklungen erlebt, die in jedem Land, das eine Revolution gemacht hat, zu beobachten waren, wie z.B. die Massen, die die Straßen füllen, die Regierungsbehörden besetzen, die Situation der Doppelherrschaft, die Menschen, die zu den Waffen greifen, die Frauen, die zur Hälfte der Revolution werden, die Militarisierung, die Belagerung, die Embargos usw. Und diese Erfahrungen haben wir in Rojava-Kurdistan in ganz besonderer Weise gemacht.
Die Befreiung des historisch kolonialisierten Landes Rojava-Kurdistan durch das Ergreifen einer sich bietenden Gelegenheit und die Wahl eines „dritten Weges“ ist eine sehr lehrreiche Erfahrung, denn hier gibt es keine Arbeiter:innenmassen und keine klassische Arbeiter:innenbewegung, sondern eine Guerillaführung. Wenn man bestimmte historische Entwicklungen richtig liest und die richtige Taktik entwickelt, kann man mit einer begrenzten Kraft einen großen Sprung machen und diese Situation in eine Revolution verwandeln, alles hängt von der Existenz vorbereiteter organisierter Kräfte ab. Dies ist einer der wichtigsten Punkte, die uns die Revolution gelehrt hat.
Es ist auch wichtig, einen der Punkte dieser Strategie hervorzuheben, das Phänomen der „indirekten Reserven“ im Zusammenhang mit dem, was uns die Praxis Rojavas gelehrt hat. Es wird hier in Rojava ganz konkret, die objektiven Möglichkeiten, die sich aus der Regierungskrise der imperialistischen und reaktionären Staaten ergeben, richtig zu nutzen. Die Konflikte und Widersprüche zwischen den Herrschenden für revolutionäre Zwecke zu nutzen, hat nicht nur die Möglichkeit aufgezeigt, dass ein revolutionäres Subjekt durch Sprünge und Brüche wachsen kann, sondern auch, dass man Politik machen kann, ohne sich in eine Reserveposition für die Imperialisten zu begeben. Indem sie von diesen Konflikten und Widersprüchen profitierte und taktische Manöver durchführte, hat die Revolution sowohl an Stärke gewonnen als auch sich von den belagerten Bedingungen emanzipiert.
Die Behauptungen über die Unvermeidbarkeit religiöser und nationaler Kriege, die die imperialistische und kapitalistische Barbarei unter dem Namen „Zivilisationskriege“ theoretisiert, werden durch die Praxis der Föderation und der Kantone beantwortet, die die Einheit und Solidarität der Völker in Rojava erhöhen. Was hier in Rojava versucht wird, wo sich die Menschen in Versammlungen organisieren, sich in Gemeinden zusammenschließen und so die Bedingungen für direkte Demokratie durch ihre Basisorganisationen schaffen, ist die Umsetzung der Theorie in die Praxis, die Verwirklichung der Theorie durch Taten.
Zum Schluss, welchen Aufruf zur Revolution in Rojava möchten Sie unseren Völkern mit auf den Weg geben?
Rojava ist eine Revolution der aufkeimenden Hoffnung gegen die Verzweiflung des Kolonialismus, des Rassismus und der sektiererischen Politik. In dieser blutigen und grausamen Welt ist Rojava der Ort, an dem unsere Völker frische Luft schnappen können. Er ist egalitär und freiheitlich. Auch wenn es noch lange nicht vollendet ist, hat das, was bisher erreicht wurde, bereits seinen Anteil an dieser Phase der Geschichte.
Kommt her, umarmt die Revolution und schließt euch ihr an! Kämpft mit uns, um diese Revolution zur sozialistischen Front des 21. Jahrhunderts werden zu lassen!
Diese Revolution gehört den Völkern. Sie gehört den Unterdrückten, und ja, sie gehört vor allem den Frauen. Tun Sie etwas für sie. Unterstützen Sie diese Revolution politisch, materiell und geistig!
Rojava ist ein schöner Ort für diejenigen, die bereit sind, sich vom Rost und Schmutz der imperialistischen kapitalistischen Welt zu reinigen. Es ist eine bescheidene Quelle der Freude für die Menschheit.
Hier gibt es eine Revolution für alle, die sich von der Lohnsklaverei emanzipieren wollen, die sie ihr Eigen nennen können. Egal, wie viel wir erzählen, wie stolz wir darauf sind, es wird nicht ausreichen. Beenden wir das Interview mit den Worten: Kommt und erlangt die Ehre, Teil dieser Revolution zu sein, und lasst uns die letzten Worte besser in unserer eigenen Sprache sagen:
Bijî têkoşîna rûmet û azadîyê! Bijî Şoreşa Rojava!
(Lang lebe der Kampf für Freiheit und Ehre! Lang lebe die Revolution von Rojava!)