Dieser Artikel ist eine Übersetzung eines Artikels von Deniz Boran veröffentlicht bei der Nachrichtenagentur Etha am 14. Februar 2022. In dem Konflikt in der Ukraine treten täglich neue Entwicklungen auch, so sind auch hier seit der ursprünglichen Veröffentlichung des Artikels einige nennenswerte Ereignisse aufgetreten. So ist Russland entgegen der Vorhersage des US-Geheimdienstesnicht am 16. Februar nicht in der Ukraine einmarschiert. Stattdessen hat Russland die Manöver, die es zusammen mit Belarus durchgeführt hat, abgeschlossen und hat seine Truppen in ihre Stützpunkte zurückverlegt. Eine weitere wichtige neuere Entwicklung auf die nicht in diesem Artikel eingegangen wird, ist, dass die Duma, das russische Parlament, die Anerkennung der autonomen „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk durch Putin fordert. Auch wenn dieser Artikel auf diese Punkte nicht eingeht, liefert er doch grundlegende Analysen und zeigt zentrale Entwicklungen des Konfliktes auf.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Verschärfung der Widersprüche das Risiko einer „militärischen Lösung“ der Ostukraine-Krise und einer Rückkehr zu den Bürgerkriegsbedingungen im Jahr 2014 erhöht hat. Wenn jedoch kein Angriff auf die autonomen Regionen mit Unterstützung der NATO unternommen wird, oder neue Schritte in Bezug auf die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine unternommen werden, wird Russland sich dafür entscheiden, nicht direkt in der Ukraine einzumarschieren, sondern die Bedingungen für die Umsetzung des Minsker Abkommens wiederherstellen. Obwohl sie nicht dauerhaft ist, steht die Suche nach einer „politischen Lösung“ rund um das Minsker Abkommen jetzt im Mittelpunkt der diplomatischen Aktivitäten und fungiert als ein Element, das den Krieg zwischen den Imperialisten um die Aufteilung der Ukraine / Osteuropas „verschieben“ wird.
Die Spannungen zwischen der NATO und Russland nahmen weiter zu, nachdem der US-Geheimdienst seinen Verbündeten die Information übermittelt hatte, dass „Russland eine Invasion der Ukraine vorbereitet“.
Was ist in den letzten drei Tagen passiert?
Westliche Verbündete hielten ein digitales Treffen ab und bezeichneten die Situation als „sehr, sehr angespannt“. Das Treffen fand unter Einbeziehung der EU-Staaten, die seit einiger Zeit eine gemäßigtere Politik als die USA verfolgen, statt, mit der Aufforderung, unter den Bedingungen der „erhöhten Spannung“ mit den politischen und militaristischen Manövern der USA Schritt zu halten. Die Aussage der USA, dass „Russland eine Invasion in der Ukraine vorbereitet“, wurde somit zur einheitlichen NATO-Position.
Die Vereinigten Staaten schickten 3.000 Soldaten nach Polen, dem Nachbarland der Ukraine. Sie schickten auch acht F-16-Kampfflugzeuge zu der Basis Borcea in Rumänien. Neben der Luftwaffe sind auch tausende US-Soldaten stationiert, um Rumäniens Boden- und Panzertruppen auszubilden und zu unterstützen. Außerdem schickte Spanien vier Eurofighter-Flugzeuge nach Bulgarien.
Die russische Regierung erklärte während dieser Prozesse, die USA wollten ihr eigenes aggressives Verhalten durch die Verbreitung von „Fake News“ vertuschen. Putin schlug ein Treffen mit US-Präsident Biden vor und traf sich wenig später mit dem französischen Präsidenten Macron.
Nachdem die USA ihre Diplomaten mit Ausnahme einer „Kerngruppe“ unter Berufung auf Russlands Mobilisierung an der Grenze abgezogen hatten, zog Russland seine Diplomaten, mit Ausnahme von Botschafts- und Konsulatsmitarbeitern, aus der Ukraine ab, um mögliche Provokationen zu verhindern.Kiew hingegen rief die USA wegen der angespannten Lage und eines möglichen bevorstehenden Krieges zur „Vorsicht“ auf. Auf einer Pressekonferenz am Samstag entlarvte Präsident Selenskyj die „Hysterie“ der Vereinigten Staaten, indem er auf eine Frage zur Invasion antwortete: „Wenn Sie oder jemand weitere Informationen über eine Invasion am 16. Februar haben, dann geben sie uns bitte diese Information.“ Der Regierungschef des Nato-Verbündeten Kiew forderte pro-westliche Medien auf, Nachrichten zu vermeiden, die Chaos und Panik verursachen könnten/würden: „Panik in unserem Land ist der beste Freund unseres Feindes.“
Der russische Außenminister Lawrow erklärte nach seinem Telefongespräch mit seinem amerikanischen Amtskollegen Blinken, dass die USA einen „Propagandakrieg“ führen, um eine „Kriegshysterie“ zu erzeugen, und dass sie „provokative Ziele“ verfolgen. Laut Lawrow „wird versucht, Kiew für eine schädliche militaristische Lösung des Donbass-Problems mit der Sabotage des Minsker Abkommens zu ermuntern“.
Deutschland rief seine Staatsbürger aufgrund der aktuellen Entwicklungen dazu auf, „das Land sofort zu verlassen“.
Während in Osteuropa die Spannung steigt, verbreitete Russland die Nachricht, dass ein US-Atom-U-Boot weit weg von der Ukraine, aber nahe der Insel Uturim Pazifik „gefunden“ wurde, und dass das Boot nach „notwendigen Maßnahmen“ schnell die russischen Seegrenzen verließ.
Am Ende fand das Treffen zwischen Biden und Putin statt. Beide Seiten erklärten, sie seien offen für eine diplomatische Lösung, aber auch „zu allem bereit“. Während die USA Russland drohten, betonte Russland, dass die Vorschläge der USA ihre grundsätzlichen Anliegen nicht berücksichtigten, und erklärte, dass das Minsker Abkommen nicht ordnungsgemäß behandelt worden sei.
Zu den „Besatzungsvorwürfen “ erklärte Putin lediglich, dass „mögliche Nachrichten über eine mögliche Besatzung ein absurdes Niveau erreicht haben“.
Der Versuch einer politischen Lösung
Um es kurz zusammenzufassen: Die Russen leben als ethnische Minderheit in der Ukraine, die mit der Auflösung der Sowjetunion ihre „alten Grenzen“ übernommen hat. Lange Jahre hat die Kiewer Regierung auf eine „ausgewogene Politik“ geachtet und ihre Beziehungen zu Russland „ausgewogen“ gehalten.
Die Geopolitik der NATO, mit dem Ziel Russland-China zu belagern, und der EU, ihren Einfluss in Osteuropa auszubauen, hatte die Ukraine als große finanzökonomische Kolonie in den Fokus des Interesses gerückt. Der Hegemoniekampf in Osteuropa hat sich in der Ukraine intensiviert. Mit dem pro-russischen Verhalten von Janukowitsch brachen die Maidan-Proteste aus, mit der direkten Einmischung der EU wurde ein rassistisches Regime, das Neonazi-Faschisten zu Verbündeten machte, gefestigt.
In der Ostukraine, wo überwiegend Russen leben, erklärten „antimaidanistische“ Milizen ihre Autonomie und gründeten „Volksrepubliken“. Während in Odessa und Mariupol das rassistische ukrainische Regime die Aufstände mit Massakern niederschlug, blieb die Verwaltung in Donezk und Luhansk in den Händen der Milizen. Und die Krim wurde durch eine praktische Besetzung an die Russische Föderation angeschlossen.
Die „fernen Beziehungen“ der Trump-USA zur EU und weitere Umstände haben dazu geführt, dass die EU die Initiative zu einer „politischen Lösung “ ergriffen hat. Infolge der Diplomatie Deutschlands und Frankreichs mit Russland wurde ein Waffenstillstand für die „politische Lösung“ der Ukraine-Krise erklärt und anschließend das Minsker Abkommen abgeschlossen.
Nach den Treffen im Normandie-Format (Frankreich, Deutschland, Russland, Ukraine) und dem anschließend unterzeichneten Abkommen sollte im Rahmen einer „politischen Lösung“ die militärische Existenz ausländischer Mächte beendet und der Status der autonomen Regionen durch die Verfassung gesichert werden.Das Einbringen der Mitgliedschaft der Ukraine auf die Tagesordnung der NATO und ihre Aktivitäten in der Ostukraine, im Allgemeinen ihre neue strategische Doktrin, die die „Expansion nach Osten“ und die Belagerung Russlands beinhaltet, die entsprechende Positionierung der Kiewer Regierung und die militärische Stärkung Russlands an seinen Grenzen und in der autonomen Region, die Verteidigung seiner politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen mit derselben Aggressivität, haben die „Lösungskraft“ und den Boden des Minsker Abkommens eingeschränkt.
Während Deutschland und Frankreich wegen der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit der EU von Russland in der Energieproduktion und-versorgung und wegen der wirtschaftlichen, militaristischen und politischen „zerstörerischen Folgen“ eines möglichen Krieges, eine Politik der „gemäßigten Spannung“ verfolgt, verengen die USA und ihr „Kollege“ auf dem europäischen Kontinent, das Vereinigte Königreich, zugunsten der USA mit der „Kriegshysterie“ den „besonderen Handlungsraum“ der EU.
Auf die steigende Spannung bei der Konstellation Biden-Putin griffen Macron und Scholz mit einem diplomatischen Schritt ein, sie begannen erneute die Gespräche mit Putin und der Ukraine und riefen zur Umsetzung des Minsker Abkommens und zur Schaffung der Voraussetzungen für eine „politische Lösung“ aus. Während Macron stundenlang mit Putin telefonierte, intensiviert der neue deutsche Kanzler Scholz seine diplomatischen Bemühungen und besuchte zunächst Minsk und dann Moskau.
Die „politische Lösung“ des Ostukraine-Problems wird für die aggressive, globale, imperialistischen Politik der geschwächten USA und den Konflikten Russlands zur Verteidigung seiner eigenen – ebenfalls imperialistischen – Interessen in der Region geopfert. Abgesehen von der allgemeinen Voraussicht, dass sich diese Widersprüche weltweit vertiefen und verschärfen werden und die Konflikte im Pazifik und im Fernen Osten, in Osteuropa und im Nahen Osten/Kaukasus zunehmen werden, erhöht sich mit der neuen militärstrategischen Doktrin der NATO auch die Gefahr regionaler und weltweiter Kriege.
Würde Russland in die Ukraine einmarschieren?
Russland hat die Krim direkt und die Ostukraine auf Umwegen beeinflusst. Dort hat es den autonomen Gebieten militärische, ökonomische und diplomatische Unterstützung gegeben. Obwohl dies eine Tatsache ist, geht aus dem Diskurs des ukrainischen Premierministers hervor, dass die Rhetorik „es wird am 16. Februar einmarschieren, es bereitet sich vor“ als Propagandamaterial verwendet wird, die mit der „Kriegshysterie“ der US-UK-Achse zu tun hat.
Truppen, die von Russland an der ukrainischen Grenze eingesetzt werden, erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Krieges; auch das stimmt.
Aber wenn die von Russland innerhalb der eigenen Grenzen eingesetzten Soldaten als „Invasionsvorbereitung“ wahrgenommen werden, warum wird die direkte militärische Intervention/der Einsatz der USA in einem fremden Land – der Ukraine – nicht als „Besatzung“ angesehen?
Im Rahmen ihrer neuen strategischen Doktrin belagert die NATO Russland und China, beschleunigt die militärische Aufrüstung, aktiviert ihre „alten“ Stützpunkte und baut neue auf, und zwar mit ihrem Netzwerk von Verbündeten, in Osteuropa, im Kaukasus und in Mitteleuropa. Gleichzeitig will sie die EU im Rahmen ihrer eigenen Weltpolitik stützen und ihre Abhängigkeit zu sich vertiefen. Indem sie „Kriegshysterie“ verbreitet, schafft die USA eine legitime Grundlage für ihre Aktivitäten.
Abgesehen von den Nachrichten, die auf Informationen des US-Geheimdienstes beruhen und von monopolistischen Medien verbreitet werden, gibt es keine Daten oder Informationen über einen möglichen Invasionsangriff.
Zweifellos hat die Verschärfung der Widersprüche das Risiko einer „militärischen Lösung“ der Ostukraine-Krise und einer Rückkehr zu den Bürgerkriegszuständen im Jahr 2014 erhöht. Sofern es jedoch nicht zu einem Angriff auf die autonomen Gebiete mit Unterstützung der NATO kommt oder neue Schritte in Bezug auf die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine unternommen werden, wird Russland es bevorzugen keine direkte militärische Intervention durchzuführen, die die gesamte Ukraine umfasst, sondern die Bedingungen für die Durchführung des Minsker Abkommen neu zu schaffen.
Obwohl das Minsker Abkommen nicht langfristig bestehen bleiben wird, steht die Suche nach einer „politischen Lösung“ im Rahmen des Abkommens derzeit im Zentrum diplomatischer Aktivitäten und fungiert als Element zur „Verschiebung“ des interimperialistischen Krieges um die Teilung der Ukraine/Osteuropa.
Um der Kriegshysterie der Imperialisten und ihrer monopolistischen Medien nicht zu verfallen, liegt die einzige Lösung darin, die Stimmen der demokratischen und kriegsfeindlichen Stimmen der ukrainischen Werktätigen zu erhöhen und den Kampf gegen die Expansionsstrategie der NATO und ihrer Doktrin zu intensivieren. Nur die internationalistische Haltung, die Solidarität zwischen den Völkern und die Antikriegsfront zu entwickeln, kann verhindern, dass die gemeinsame Zukunft der Völker dem interimperialistischen Luftkampf geopfert wird.